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Will Butler

Merge

Will Butler von Arcade Fire auf seiner eigenen Reise

Der charismatische Multiistrumentalist der so erfolgreichen kanadischen Band Arcade Fire veröffentlicht mit „Generations“ sein bereits zweites Solo-Album. Die Umstände der Entstehung waren für den Amerikaner Will Butler dieses Mal komplett anders.

Von Eva Umbauer

Das neue Solo-Album von Will Butler, dem jüngeren Bruder von Arcade-Fire-Bandleader Win Butler, ist eine emotionsgeladene Angelegenheit. Sein erstes Solo-Album bezeichnet Will Butler als „book of short stories“, während er das neue als „a novel“, also einen Roman, empfindet. Will Butler ist in den letzten fünf Jahren, seit seinem Solo-Debut „Policy“, als Songschreiber gereift.

Plattencover: Fingerabdruck

Merge

„Generations“ von Will Butler ist am 25.9.2020 beim US-Plattenlabel Merge erschienen.

Auch sein Studieren an der renommierten US-Universität Harvard hat dazu beigetragen. Will Butler machte in Harvard einen Master in Public Policy, ein Studium, das Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Verwaltung und Politikwissenschaft umfasst.

Unruhe, Rastlosigkeit

So ist in den Songtexten von Will Butler natürlich auch Politisches zu hören, aber seine zum Nachdenken anregenden Lyrics haben auch Themen wie Freundschaft oder sonstiges Zwischenmenschliches. Es ist also nicht alles Politik in den Songs des Will Butler.

Ein abwechslungsreiches Album ist „Generations“ jedenfalls. Eine gewisse Unruhe und Rastlosigkeit wohnt den Songs von „Generations“ inne. Will Butler ist nach wie vor enthusiastischer Künstler und das, was man einen Vollblutmusiker nennt. Sein kreatives Feuer lodert stark auf „Generations“, musikalisch und inhaltlich.

Im ebenso hypnotischen wie dramatischen, vom Indie-Rock kommenden Song „I Don’t Know What I Don’t Know“ singt Will Butler von „teachers, preachers, birds and the trees“. Als Will Butler im Frühling dieses Jahres an den neuen Songs werkte, zuhause in Brooklyn, New York, in seinem gut ausgerüsteten Basement-Studio, war gerade die Zeit des Lockdowns. Statt wie sein erstes Solo-Album, das während einer Tourpause von Arcade Fire in den legendäreren New Yorker Electric Lady Studios entstand, wurde das neue zuhause geboren. Die Vögel vor seinen Fenstern sangen so kräftig, wie Will Butler sie selten zuvor gehört hatte.

Ungestimmtes Piano

Das Klavier von Will Butler war ungestimmt, und es musste ungestimmt bleiben, weil während dem Lockdown niemand in das Haus durfte. Wenn Will Butler nicht gerade in seinem Homestudio war, dann verbrachte er Zeit mit seiner Familie. Home-Schooling für das acht Jahre alte Kind von Will Butler und seiner Frau war angesagt. Die drei Jahre alten Zwillinge der Butlers brauchten noch kein Home-Schooling, bekamen aber ansonsten viel Beschäftigung, die sie mit ihrem Vater nicht gehabt hätten, wenn er auf Tour gewesen wäre.

Dass Will Butler diesen Herbst mit seinem Album nicht auf Tour gehen kann, empfindet er als „devastating“, also als „am Boden zerstörend“, wie er sagt. Dennoch ist er dankbar, dass er finanziell nicht darauf angewiesen ist, wo er ja „hauptberuflich“ bei der erfolgreichen Band Arcade Fire tätig ist.

Das neue Solo-Album beginnt erst mit ein wenig Lärm, dann mit Beats, bevor der Song „Outta Here“ schließlich eine richtige Disco-Hymne wird und dabei kurz an Arcade Fire erinnert. Insgesamt braucht sich Will Butler aber nicht an den Sound von Arcade Fire zu klammern. Der Track „Outta Here“ ist letztlich mehr Jake Shears und Scissor Sisters als Arcade Fire.

Diesen Electronic-Stil haben auch Songs wie „I Don’t Know What I Don’t Know“ oder das brütende „Hard Times“ mit seinem Bass und den Disco-House-Keyboards. Bei „Hide It Away“ sind die Synthies ganz eigen und zurückgenommen. „Bethlehem“ hat vorwärtstreibende und beißende Gitarrenriffs, während das Piano bei „Fine“ an den großen kalifornischen Musiker Randy Newman („Short People“) erinnert. Eine der Singles vom Album, „Surrender“, hat einen gewissen Country-Charme und einen Gänsehaut-Schluss mit seinen Chornoten.

„Close My Eyes“ beginnt mit düsteren Electronic-Klängen, wird aber bald zu einem Song mit recht fröhlicher Melodie, samt Background-Harmonien und ein wenig Pfeifen. Man möchte tanzen, trotz komplexem, dunklem Songtext.

Generations

Im Text zu „Fine“ kommen die Großeltern von Will Butler vor: Louise King und Alvino Rey. Letzterer war ein US-amerikanische Banjo-Spieler, und Erstere ein Mitglied der King Sisters, die eine mormonische Gesangsgruppe aus dem US-Bundesstaat Utah waren, zur großen Zeit des Big-Band-Jazz in den 1920er Jahren.

Will Butler sagte über sein erstes Album, es ist „American music in the tradition of Violent Femmes, The Breeders, Bob Dylan, The Modern Lovers, Smokey Robinson, or The Magnetic Fields“. Auch „Generations“ ist wieder ein „American album“ geworden. Ein Großteil dieses Albums fragt sich: „What’s my place in America present? Me as Will Butler, rich person, white person, Mormon, Yankee, parent, musician of some sort, I guess. What do I do? What can I do?“

Will Butler gibt letztlich keine Antworten darauf, aber „Generations“ ist jedenfalls ein hochambitioniertes Album, das so schnell kein Ablaufdatum hat. Musik kann etwas Tröstliches haben, besonders in schwierigen Zeiten. Insofern ist gerade eine gute Zeit für Musik, für diese Songs von Will Butler.

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