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Eine Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin der Caritas hilft einem Patienten bei der morgendlichen Rasur

APA/HELMUT FOHRINGER

„Care-Arbeit ist keine Lücke im Lebenslauf“

Heute ist Equal Care Day, das ist ein Tag, der ins Leben gerufen wurde, um auf die ungleich verteilte Sorgearbeit in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen.

Von Irmi Wutscher & Claudia Unterweger

Vor allem Frauen merken die Ungleichheit in der Aufteilung der Care-Arbeit, wenn sie zum Beispiel Kinder bekommen, oder wenn ein Elternteil alt wird oder Pflege braucht, dass diese ganze Arbeit rundherum, das Betreuen, das Versorgen und das Sich-Kümmern ihnen zugeschoben wird. Gerade im letzten Jahr während der Corona Pandemie hat sich das noch verstärkt.

Dass das nicht „von Natur aus“ so ist und nicht geändert werden kann, darauf soll am Equal Care Day hingewiesen werden. Aber es geht auch darum, dass tatsächliche Arbeit in diesem Bereich meistens sehr schlecht bezahlt ist und sehr fordernd. Ob man jetzt alte oder kranke Menschen pflegt oder Kleinkinder im Kindergarten betreut. Oft machen Frauen diesen Job, viele Pflegende haben auch während der Pandemie Einige der Auswirkungen der Krise geschultert. Mehr Gehalt haben sie aber nicht bekommen, sondern nur Applaus.

Valerie Wohlfarter ist Sozialpädagogin in Wien. Sie hat selbst Kinder und ist Mitglied in dem Verein klische*esc, der den Equal Care Day in dieser Form ins Leben gerufen hat.

Radio FM4: Wie bist du denn auf diesen Tag aufmerksam geworden und warum liegt dir das Thema am Herzen?

Valerie Wohlfarter: Ich habe angefangen, mich damit auseinanderzusetzen zu dem Zeitpunkt, wo ich Kinder bekommen habe und mir aufgefallen ist, dass Gleichberechtigung doch noch nicht ganz so ist, wie man sich das vielleicht einmal gedacht hätte, damals als Studentin. Und ich sehe einfach mittlerweile, wie viel Arbeit Frauen oft leisten, unbezahlt oder unterbezahlt. Und genau je mehr man sich damit auseinandersetzt, umso präsenter wird es und umso wichtiger ist es dann auch im Laufe der Zeit für mich geworden.

Radio FM4: Es geht ja nicht nur darum, wer macht was in dieser Sorgearbeit? Sondern es geht auch um etwas, das damit eng in Zusammenhang steht, nämlich um den Begriff The mental load. Was genau bedeutet The mental load? Was ist das?

Valerie Wohlfarter: Ein einfaches Beispiel für den Mental Load ist z.B. ein Kindergeburtstag. Da möchte man meinen, das sei ganz was Einfaches, man bringt das Kind hin und holt es ab, fertig. Das stimmt aber so nicht, weil ich muss zuerst ein Gastgeschenke organisieren. Ich frag vielleicht nach: Was wird gewünscht? Ich muss das einpacken. Ich muss vielleicht noch eine Karte schreiben. Ich muss für das Geschwisterkind möglicherweise eine Betreuung organisieren, wenn das irgendwie nicht dabei sein kann oder soll. Dann braucht es vielleicht ein gewisses Gewand, weil vielleicht ist es ja eine Verkleidungs-Party oder vielleicht geht man baden oder wie auch immer. Und dann muss ich es halt auch wieder abholen. Also es ist ganz, ganz viel rundherum, und das ist der Mental Load.

Radio FM4: Also sozusagen sind das Checkereien, Organisatorisches, also auch die gedankliche Arbeit, die, die man da leisten muss, quasi alles mitzudenken.

Valerie Wohlfarter: Genau, es ist alles, was rundherum ist. Im beruflichen Kontext ist, ist es ganz klar, dass man da Checklisten hat und dass man sagt Okay, man muss, um Punkt A zu machen, muss vorher das, das und das erledigt werden, damit man überhaupt hinkommt. Und im privaten Kontext ist es einfach unsichtbar.

Und deswegen war auch unsere Idee, den Equal Care Day auf den 29. Februar zu legen, weil das eben der unsichtbare Tag ist, der nur alle vier Jahre sichtbar ist. Und ähnlich ist es mit dieser Care Arbeit, die ganz viel passiert, ohne dass sie gesehen wird und wertgeschätzt wird.

Eine Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin der Caritas hilft einem Patienten bei der morgendlichen Wäsche

APA/HELMUT FOHRINGER

Auf der Seite vom Equal Care Day gibt es einen Test, den können Paare machen zum mental load... was füllt man da aus?

Den Test zum Mental Load könnt ihr auf der Website equalcareday.de selbst machen.

Valerie Wohlfarter: Das ist recht simpel gestaltet, es ist eine A4 Seite mit acht Kategorien. Die größte ist natürlich Haushalt. Dann gibt’s Kindergarten/Schule, Körperpflege, Beziehungspflege, Einschlafbegleitung und so weiter, verschiedene Kategorien, die halt so anfallen im täglichen Leben. Und in jeder Kategorie gibt es vier Spalten, nämlich täglich, wöchentlich, monatlich und jährlich. Und dann setzt man sich idealerweise zu zweit in einem ruhigen Moment hin und macht halt Kreuzern gemeinsam und schaut sich an, was am Ende rauskommt. Es gibt eine Auswertung. Die täglichen To-Dos kriegen vier Punkte, die wöchentlichen 3, die monatlichen 2 und die jährlichen einen Punkt. Und am Schluss hat man dann irgendeine Punktezahl. Und dann fängt hoffentlich nicht zum Streiten an, sondern zum Reden und schaut, was macht wer. Ist das so in Ordnung? Wollen wir das so? Gibt es da irgendwie Bedarf nach Veränderung? was können wir ändern? Wie wollen wir es ändern?

Du hast den Test gerade auch mit 2 Paaren gemacht - wie war das? Er ist ja oft auch für die, die glauben, sie seien gleichberechtigt, recht überraschend.

Valerie Wohlfarter: In meinem Fall waren die Paare nicht so überrascht, ich schiebe das ein bisschen auf meine Bubble, in der ich halt auch diese Paare gefunden habe. Aber was für mich auffallend ist, dass beide Paare gesagt haben, dass sie eigentlich nicht so viel Zeit in bezahlte Arbeit stecken, also es gibt nicht diese 40 Stunden-/20 Stunden-Geschichten, die es vielleicht in vielen Beziehungen halt immer noch gibt, sondern es gibt schon ein großes Bewusstsein dafür, dass man mehr Zeit für andere Dinge und nicht nur so viel arbeiten will.

Ein Paar hat sich auch bewusst dafür entschieden, dass beide nur 30 Stunden Arbeiten und eben nicht eine*r 40 und eine*r 20, weil dann einfach ganz viel an einer Person hängenbleibt, nämlich an der Person, die halt nur 20 Stunden oder gar nicht arbeitet. Was heutzutage halt immer noch öfter die Frau ist.

Aber sie haben auch immer wieder betont, dass es ein Prozess war. Es hat viele Gespräche gebraucht. Sie haben auch schon Sachen ausgestritten und klären müssen, die nicht so gut gelaufen sind. Und das eine Paar hat irgendwie eine ganz lustige Herangehensweise gehabt. Sie haben gemeint, sie haben sich mal zwei Wochen Zeit genommen, wo man dann alles, was einen stört, den ganzen Tag über ausspricht, ohne dass das als Bewertung wahrgenommen wird. Einfach zum Beispiel: Mich nervt, dass deine Socken immer herumliegen. Dann hat man das einmal am Schirm, also man kriegt mal ein ein bisschen ein Gefühl. Was ist denn überhaupt beim Anderen los? Was kommt da an? Oder was will der? Oder was braucht er oder sie? Oder eben nicht. Und kann man sich vielleicht auch irgendwie überlegen: Was können wir anders machen? Das wären Strategien, wie wir damit umgehen können.

Radio FM4: Also Selbstbeobachtung, genau hinschauen und miteinander reden ist auf jeden Fall ein wichtiges Element in dieser Verteilung der Sorgearbeit. Was muss denn passieren, damit sich was ändert? Es geht ja nicht nur darum, wer daheim was macht, es spielt ja auch in der Arbeitswelt eine Rolle.

Valerie Wohlfarter: Ja, also es ist natürlich, man kann es Paaren sagen, okay, da ist dieser Test und schaut sich das nochmal an. Und man kann die nicht aus der Verantwortung nehmen, die Individuen. Aber es ist schon ein strukturelles Thema, weil die Rollenverteilung immer noch sehr starr ist, weil Gesetze auch zum Teil so ausgelegt sind, dass es einfach gar nicht anders möglich ist. So lange Männer tendenziell mehr verdienen, werden sie eher nicht in Karenz gehen, weil das halt keinen Sinn macht. Also das ist natürlich nicht nur ein individuelles Thema und deswegen ist es auch so wichtig, dass es diesen Tag gibt und dass man da auch immer wieder drüber redet, weil die Care-Arbeit einfach auch politisch anerkannt werden muss und nicht nur im Privaten stattfinden muss.

Almut Schnerring hat gemeint, eine Idee wäre, dass es nicht nur einen Lebenslauf gibt, der irgendwie auf das abzielt, was man so beruflich macht, sondern auch eine Care-Biografie, die das miterhebt. Weil wenn ich ein Kind großziehe oder eine angehörige Person pflege, dann ist das keine Lücke im Lebenslauf, sondern 1.) habe ich gelebt und 2.) habe ich ja auch was geleistet. Es wird zwar nicht bezahlt, aber die Gesellschaft braucht Care-Arbeit. Ohne dass man mit den Basics versorgt ist mit Essen, Trinken und Ausbildung kann ich gar nicht in eine Arbeit gehen und dort produktiv sein. Also es braucht die Care Arbeit als Basis, und dann kann man drüber reden, was wirtschaftlich sinnvoll ist.

Radio FM4: Ja und das heißt, das wäre sozusagen bei einem Bewerbungsgespräch auch ein Faktor, der relevant sein könnte für Arbeitgeber*innen.

Valerie Wohlfarter: Naja, ich also da tue ich mir schwer, weil ich jetzt nicht genau weiß, wie sich das dann ganz im im praktischen Detail auswirkt. Aber so ein Bewusstsein zu schaffen auch schon in der Schulzeit, wo man irgendwie anfängt, Lebenslauf zu schreiben, dass man sich eben nicht nur darauf fokussiert, was ist meine Ausbildung, sondern auch: Was ist meine Biografie? Das ist glaube ich ein Punkt, wo man wo man ansetzen kann und was dann auch langfristig eine Wertschätzung hineinbringt und was Veränderung bringen kann.

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