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Buchcover von Pascale Oberwalders "Daily Soap"

Pascale Oberwalder / Luftschacht Verlag

Graphic Novel

„Daily Soap“: Aus dem Leben eines Seifenspenders

Trigger Warning: Wer dieses Buch liest, kann Gefühle zu Seifenspendern entwickeln. Die Illustratorin Pascale Osterwalder ist Seifenspendern vor Jahren erlegen. Sie denkt sich Geschichten aus und zeichnet sie. Nun ist das Buch „Daily Soap. Aus dem Leben eines Seifenspenders“ erschienen.

Von Zita Bereuter

Seit Corona hat ein eher unscheinbares Objekt einen unglaublichen Aufschwung erlebt: Der Seifenspender. In fast jedem Haushalt steht nicht nur einer davon. Für viele ist das ein Plastikding. Pascal Osterwalder hingegen kommt unmittelbar ins Erzählen: „Das Leben eines Seifenspenders besteht darin, zu warten, bis jemand kommt, der ihm den Kopf so lange niederdrückt, bis er bricht und sein Innerstes aus sich heraus kotzt. Und er wird immer leerer. Wenn er ganz leer ist, dann kriegt er Angst, dass er vielleicht weggeworfen wird. Wird er wieder aufgefüllt oder nicht mehr aufgefüllt? Und dazwischen passiert wahrscheinlich sehr wenig in seinem Leben.“

Pascale Osterwalder am Schreibtisch

Albert Waaijenberg

Pascale Osterwalder denkt sich gern Geschichten aus. Schon als Kind erzählt sie mit einer blühenden Phantasie auf einem Bauernhof in der Schweiz stundenlang ihrer Eselstute Geschichten. Während des Grafikstudiums an der HDK in Zürich vermisst sie dieses Ausleben der Phantasie. Als sie 2007 ein Stipendium in New York bekommt, hat sie plötzlich viel Zeit, sitzt in dem Appartement und denkt sich die erste Geschichte von einem Seifenspender aus. Gezeichnet wird das dann später in Wien.

Über gut zehn Jahre widmet sie sich immer wieder Seifenspendern. Wenn sie im Drogeriemarkt vor den überfüllten Regalen steht, springt ihr Kopfkino an: „Dann denke ich mir schon oft - die stehen so wie eine Armee in den Regalen.“ Pascale Osterwalder fragt sich: „Schauen sie sich an oder reden die übereinander? Und die von den Regalen weit oben, schauen die nach unten? Und die ganz unten werden irgendwie gedisst.“

Selbst beim Duschen sieht sie die Shampooflaschen tuscheln. Für manche klingt das verrückt, Pascale Osterwalder lacht nur. „Es ist noch verspielt, aber ich merke, ich bin so schon sehr tief drinnen in der Materie.“

Daily Soap Comics mit einem Seifenspender als Protagonisten

Pascale Oberwalder

Wir sind alle Spender

Vorwiegend ist es eine depressive Welt, die Pascale Osterwalder da entwirft. Die Seifenspender stellen sich die großen Fragen, haben Träume, Sorgen und Sinnkrisen: „Ich brauche Druck von außen, damit ich funktioniere. Danach fühle ich mich leer. Ich mache mir Sorgen um meine Liquidität.“

Die Gedanken und Beschreibungen der Seifenspender sind ebenso erstaunlich wie unterhaltsam. Die Aussagen treffen nicht nur auf Seifenspender zu und bieten viele Identifikationsmöglichkeiten: „Irgendwie jeder ist in seinem Leben ein Stück weit so, dass er halt gibt und den anderen gibt. Und im Beruf ist man entweder mehr oder weniger Dienstleister. Aber die meisten von uns stehen auf irgendeine Art unter Druck, sei es eben von oben der Druck oder ein Druck, den man sich selber auferlegt. Und deswegen glaube ich auch, dass sich eigentlich wirklich praktisch jeder mit einem Seifenspender identifizieren kann.“

Daily Soap Comics mit einem Seifenspender als Protagonisten

Pascale Oberwalder

Seifenspender mit Gefühlen

Die gezeichneten Seifenspender schauen resigniert, verliebt oder erwartungsvoll. Ganz schön schwierig, haben die ja kein Gesicht. Dennoch findet Pascale Osterwalder „Der schaut jetzt zu arrogant oder zu naiv.“ Mitunter zeichnet sie einen Spender dann 50 Mal.

Die Seifenspender haben teilweise Beziehungen - zu einer Tube, oder einem Putzschwamm, sie sehnen sich nach dem Leben draußen, wagen Fluchtversuche oder harren im Supermarkt ihrem Dasein.

Daily Soap Comics mit einem Seifenspender als Protagonisten

Pascale Oberwalder

Corona-Push

Ihre Seifenspender zeigte Pascale Osterwalder in dem Heft „Express yourself“, aber auch in kleinen Ausstellungen. Das Buch „Daily Soap“ hat sie schon seit einigen Jahren in Arbeit. Allerdings fand sich kein Verlag für die Nische der depressiven Seifenspenderwelt.

Buchcover von Pascale Oberwalders "Daily Soap"

Pascale Oberwalder / Luftschacht Verlag

Pascale Osterwalder: Daily Soap. Aus dem Leben eines Seifenspenders. Luftschacht Verlag 2021

Durch Corona wurde der Seifenspender plötzlich ein begehrtes Produkt. Im Freundeskreis freute man sich für Pascale Osterwalder. Aber die war erst mal gelähmt. „Für mich war der Seifenspender so diese vergessene Randexistenz und plötzlich wurde er eben so gebraucht und ich konnte damit am Anfang überhaupt nicht umgehen. Zudem war die Situation einfach auch so unsicher und auch traurig und ernst.“

Dann aber wollte die Wochenzeitschrift „Der Falter“ ihre Illustrationen. „Während des ersten Lockdowns hab ich mir gedacht ’Ja, das wird jetzt vielleicht so vier, fünf Wochen dauern und dann ist hoffentlich auch die Pandemie vorbei. Und jetzt ist die Serie noch drin und die Pandemie ist auch immer noch da."
Seit einem Jahr zeichnet sie dafür wöchentlich eine Situation. Beim Schweizer Verlag Everyedition erscheint bald der Band "all i ever had went down the drain“ und der Luftschacht Verlag hat schnell reagiert. Dort ist jetzt die „Daily Soap“ erschienen.

Klar ist jedenfalls, dass man nach dem Lesen von „Daily Soap“ Seifenspender anders betrachtet. Und klar ist für Pascale Osterwalder auch: „Meine Liebe zu Seifenspendern wird wahrscheinlich mein Leben lang halten. Ich weiß nicht, wie aktiv ich sie ausleben werde, also wie lange noch. Aber jetzt muss ich es auch genießen und einmal die Früchte ein bisschen einsammeln von diesem jahrelangen Kampf mit der inneren Leere.“

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