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Billie Marten und ihr neues Album „Flora Fauna“

Die englische Songwriterin Billie Marten galt als musikalisches Wunderkind. Schon mit zwölf wurde sie bekannt. Nach einzelnen Songs und zwei Minialben veröffentlichte Billie Marten mit siebzehn ihr erstes Album, nach dem zweiten legte sich der Hype und Billie konnte zu sich finden. Mit ihrem neuen Album „Flora Fauna“ kehrt Billie Marten zurück zur Natur.

Von Eva Umbauer

Eine enge Verbindung zur Natur hat Billie Marten - eigentlich Isabella Sophie Tweddle - schon immer gespürt. Sie denkt, diese Verbindung geht darauf zurück, dass ihr Vater sie gleich nach der Geburt in der Kleinstadt Ripon im englischen Nordosten hinausgetragen hat, wie Billie im FM4 Interview erzählt. Sie wurde zu Hause geboren, und die Hebammen schimpften mit ihrem Vater, weil ein Neugeborenes nicht sofort hinaus soll. Billie ist überzeugt, es hat ihr keinesfalls geschadet. Es hat sie geerdet. Am Albumcover zeigt sich Billie Marten, die seit fünf Jahren in London lebt, dann auch mit ins Gesicht geriebener Erde.

Albumcover: Billie Marten lacht und hat Erde im Gesicht

Fiction

„Flora Fauna“ von Billie Marten ist bei Fiction erschienen.

Gras zwischen den Zähnen und Erde auf den Wangen

Billie Marten nennt ihr neues Album „Flora Fauna“. Der vollkommene Garten Eden ist nicht weit. „Garden Of Eden“ heißt der Opener und ist gleich ein Herzstück der Platte. Billie Marten singt: „Look at me, I’m a flower in springtime.“ Das Schlagzeugspiel ist sanft geschwungen und der Bass packend. Die Bassgitarre spielt Billie Marten noch nicht lange. Sie bestimmt jetzt ganz oft den Rhythmus ihrer Songs. Der minimalistische Indie-Folk von früher ist bei Billie Marten insgesamt nun einer komplexeren Klanglandschaft gewichen.

Billie Marten hat die akustische Folkgitarre ihrer bisherigen Songs aber nicht komplett in die Ecke gestellt. Man hört sie etwa bei „Pigeon“. Eine Zeile in diesem Song lautet „another day on modern earth“. Die moderne Welt ist ein großes Thema für Billie Marten und wie die Natur für sie die einzige Konstante in der schnelllebigen Zeit mit all ihren Unvorhersehbarkeiten.

„Liquid Love“ ist eine Bedroom-Pop-Ballade mit einem sanften Drum-Loop und elektronischen Elementen, die vielleicht von der Musik von James Blake inspiriert sind, während der Refrain ein wenig an die US-Musikerin Sharon van Etten erinnert. Im Video zu einer der Singles vom Album, dem herrlich dissonanten „Human Replacement“, fährt Billie Marten auf einem - echten! - Panzer durch London. Der Track mit kreischenden Streichinstrumenten, stakkatoartigen Pianoakkorden, Küchengeschirr-Percussion und einem explosiven Refrain ist ein Alternative-Rock-Song „about the fear of being outside at night as a woman“.

Die Sicherheit der Frauen abends und nachts auf den Straßen der Großstadt als Thema. Der Fall Sarah Everard, einer jungen Londonerin, die im März dieses Jahres in der britischen Hauptstadt (von einem Polizeibeamten) entführt und ermordet wurde, löste in Großbritannien eine größere Debatte über Gewalt gegen Frauen aus. Billie Marten - sie versteht sich eigentlich nicht direkt als politische Songschreiberin - mit einem tollen Sozialkommentar.

In „Creature Of Mine“, einer weiteren Single, geht es wieder um die Natur. „Old mother nature says it’s all getting worse“, singt Billie Marten. Sie beschreibt den Song als „an end of the world, post-apocalyptic scenario. You get to choose one thing, one person to leave it with. It’s a love song to a stranger and a polite request to momentarily leave Earth when it’s all too much“.

Die Welt kurz einmal verlassen, wenn die Dinge zu viel werden. Sich nur ein wenig wegträumen, denn es soll ja keinesfalls ein Exit für immer sein, auch wenn Billie Marten in „Aquarium“ singt: „I feel I lately wanna drown.“ Klaustrophobische Gedanken, die sich dann aber in Luft auflösen beim Schwimmen einer Runde im großen Aquarium. Vielleicht ist ja gar irgendwo ein Seepferdchen. Jenes Tierchen, das Billie Marten gern mit der Hand füttert, im Titel von ihrem letzten Album jedenfalls, „Feeding Seahorses By Hand“.

„Do you wanna go to the aquarium?“, fragt Billie Marten im sparsam instrumentierten und an ihre früheren Songs erinnernden „Aquarium“. Letztlich landen wir aber wieder in Billies Garten: „Would you come down to the garden? Hide away in moonflowers and the moss. They say I’m a greener in my jardin, a place I’m cradled from the chaos.“ Billie Marten verwendet das französische Wort für Garten, „jardin“. Ihre Großeltern leben in Frankreich, und für sie sang sie als Teenager Coverversionen von Songs und stellte sie in das Internet, damit Oma und Opa es sehen konnten. Mit zwölf spielte sie „Middle Of The Bed“ von der englischen Songschreiberin Lucy Rose, eine Interpretation, die innerhalb kurzer Zeit Tausende Male angeklickt wurde.

I was super young and it was crazy

In ihren Teenagerjahren plagten die junge Frau ungesunde Dinge: „I was obsessed with what people thought of me.“ Inzwischen hat sich Billie Marten freigeschwungen von ihrer Vergangenheit, ohne mit dieser zu brechen. Sie lernte also den Bass und hörte den experimentellen deutschen „Krautrock“ der 1970er Jahre, rieb sich Erde in das Gesicht und wälzte sich im Gras.

Das lebhafte und kluge „Flora Fauna“ ist ein reichhaltiges, beeindruckendes Album. So vereint etwa der leicht an Radiohead erinnernde Song „Kill The Clown“ Folk, Jazz, Pop und Rock, und im Text stellt Billie Marten klar: „After all I am not a baby doll, I got bills to pay.“ So ist es.

P.S.: Beim Song „Walnut“ singt Guy Garvey von den englischen Band Elbow mit. Billie Marten arbeitet gern mit anderen Musiker*innen zusammen, so ist sie etwa bei einem Song auf dem letzten Album der Londoner Band Bombay Bicycle Club als Gaststimme zu hören.

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