„Dreamscaper“: Der Traum, ein Leben

Das Rogue-lite „Dreamscaper“ verbindet solide Action mit sensibler Rahmenhandlung - ein überraschend gelungener Spagat.

Von Rainer Sigl

Kaum berührt mein Kopf das Kissen, versinke ich in die Welt meiner Träume. Die ist fremdartig und seltsam vertraut zugleich, voller halb erinnerter Gebäude, Situationen und Momente aus meiner Vergangenheit. Da ist der alte Spielplatz meiner Kindheit, dort der Garten hinter meinem Elternhaus, die einsamen Straßen der Großstadt, in die ich gezogen bin.

In dieser seltsamen Welt aus Erinnerungsfetzen und unheimlich leeren Orten bin ich aber nicht allein. Immer wieder stellen sich mir hier Monster in den Weg, von kleinen, lästigen Geistern bis hin zu riesigen Ungetümen, die direkt aus meinem Unterbewusstsein auftauchen und mich zu verschlingen drohen. Wenn sie zu übermächtig werden, reißt es mich aus dem Schlaf - und ich erwache in der realen Welt.

Lonely in the streets, fighting in the sheets

Im Videospiel „Dreamscaper“ führe ich in der Rolle der jungen Frau Cassidy ein Doppelleben zwischen Traum und Realität. In der banalen Wirklichkeit bin ich eine schüchterne, sozial isolierte junge Frau, die sich nur langsam die Orte einer Großstadt aneignet und nach Freunden sucht. In meinen Träumen trete ich aber wieder und wieder mutig gegen meine inneren Dämonen an.

Diese jede Nacht wiederkehrenden Abenteuer führen mich immer tiefer in meine Psyche: Von fast idyllischen Kindheitsorten geht es hin zu dunklen Kapiteln meiner Biografie. In diesen Teilen des Spiels kämpfe ich mich wie in den Genrekollegen „Hades“ oder „The Binding of Isaac“ actionreich durch ein jedes Mal neu generiertes Labyrinth, muss mich taktisch geschickt auf Zufallsfunde und Monster einstellen und mit Waffen und Magie hantieren. Untertags wird „Dreamscaper“ zu so etwas wie einer simplen Sozialsimulation: Hier mache ich mich auf die Suche nach Freunden, meditiere im Park und bereite mich mit den im Traum erspielten Ressourcen besser für die Abenteuer der nächsten Nacht vor.

Gelungener Mix

„Dreamscaper“ sieht in seiner stilisierten, stimmungsvollen Grafik wunderhübsch aus und spielt sich angenehm herausfordernd. Was es besonders macht, ist die Art, wie es seine Geschichte erzählt: Nacht für Nacht kämpfe ich gegen meine inneren Dämonen, je nach Erfolg in der Welt der Träume verändert sich dadurch auch die reale Welt untertags. Und das nicht nur zum Guten: Cassidy wird auch immer wieder von Selbstzweifeln und Depressionen geplagt, und die echte Welt hat durchaus ihre furchterregenden und dunklen Seiten.

„Dreamscaper“ erzählt sensibel und originell von Einsamkeit, psychischen Problemen und dem Kampf um ein gutes Leben; dass es außerdem auch noch ein rasantes Actionspiel mit viel Abwechslung ist, ist ein Kunststück, das man auch noch nicht oft gesehen hat.