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Harrison Ford als Indiana Jones

Lucasfilm/Disney

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„Indiana Jones and the Dial of Destiny” enttäuscht und berührt zugleich

Der finale Teil der Saga um den Abenteurer mit Hut und Peitsche lässt Harrison Ford verloren in der CGI-Künstlichkeit herumhetzen. Sehenswerte Momente gibt es dennoch.

Von Christian Fuchs

Auch auf die Gefahr hin, wie ein hoffnungsloser Nostalgiker zu erscheinen: Indiana Jones wirkt für mich in der Gegenwart der Bits und Pixel nicht besonders gut aufgehoben.

Die ersten drei Teile der Reihe um den akademisch geschulten Schatzjäger, allesamt in den 80er Jahren entstanden, leben von einer gewissen Bodenständigkeit, trotz abgehobener Plots. „Raiders of the Lost Ark“, „Indiana Jones and the Temple of Doom“ und „Indiana Jones and the Last Crusade“ sind vor allem auch moderne Entertainment-Klassiker, weil sie deutlich von dieser vordigitalen Ära geprägt sind. Die handgemachte und perfekt dosierte Action in diesen Filmen strahlt bis zum heutigen Tag Charme und Verwegenheit aus. Die analogen Trickzaubereien gruseln, betören und amüsieren. Ganz abgesehen vom Spitzencasting und der furiosen Kamera.

Beim zurecht vielkritisierten vierten Beitrag zur Saga, dem Comebackversuch „Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“ von anno 2008, erliegt Stammregisseur Steven Spielberg bereits den Verlockungen von der Festplatte, die seinen Kumpel George Lucas irgendwann in die Irre führten. Der Mythos rund um die ikonische Figur des Dr. Jones ist nach diesem Totalabsturz, an dem auch ein uninspirierter Shia LaBeouf und peinliche Aliens Anteil haben, ordentlich angeknackst.

Harrison Ford als Indiana Jones

Lucasfilm/Disney

Bemühte Verbeugung vor Spielberg

Indiana Jones and the Dial of Destiny“ versucht nun Neustart und Abschluss zugleich zu sein. Hollywood-Handwerker James Mangold, dem wir mit „Logan“ einen der radikalsten (Anti-)Helden-Abgesänge aller Zeiten verdanken, bemüht sich im Finale redlich, den Vorgänger vergessen zu machen.

Seine Verbeugung vor dem inszenatorischen Genius von Spielberg, seine Bemühung um einen leinwandgerechten Indy-Abschied, all das ist von der ersten Minute an spürbar. Wir bekommen die Achterbahn-Action und das wohlige Schaudern angesichts bestimmter Insekten und Reptilien, die handgezeichneten Landkarten als Wegweiser, die schnoddrigen Sätze und das Funkeln in den Augen angesichts gesuchter historischer Artefakte, vor allem natürlich die Ambivalenz zwischen Wissenschaft und dem Übernatürlichen, die sich durch alle Indiana-Jones-Spektakel zieht.

Harrison Ford als Indiana Jones

Lucasfilm/Disney

Aber, und da komme ich zum Eingangssatz zurück, dieser peitschenschwingende Oldschool-Abenteurer lässt sich formal nicht so einfach ins Hier und Jetzt transferieren. Und zwar keineswegs, weil der weißhaarige Harrison Ford den Eindruck eines Dinosauriers erweckt.

Der mittlerweile 80-jährige Star versprüht Agilität und die gewohnte Selbstironie, hetzt aber weitgehend verloren durch die CGI-Künstlichkeit des zweieinhalbstündigen Epos. Auch wenn es James Mangold gut meint, er muss den dooferen Regeln des Blockbuster-Kinos 2023 folgen. Dazu gehört ein hektisches Tempo, der weitgehende Verzicht auf Augenblicke des Innehaltens, in denen einst Screwball-Dialogduelle funkelten, vor allem aber der absurd auffrisierte Style, bei dem keine einzige Verfolgungsjagd zu Pferd, Auto, Motorrad oder in Luft den Hauch von Glaubwürdigkeit birgt. Die grauslichen Viecherl in diversen Höhlen sind ebenso deutlich animiert.

Harrison Ford als Indiana Jones

Lucasfilm/Disney

Ein Draufgänger geht in Pension

Fehl am Platz fühlt sich auch der Charakter des Dr. Henry Walton Jones Jr. am Anfang des Films. Im schicksalshaften Jahr 1969, in dem die jugendliche Popkultur explodiert und der Vietnamkrieg tobt, ist von dem energiegeladenen Draufgänger nicht mehr viel übrig. Die geheimnisvollen Funde früherer Forschungsreisen ruhen im Archiv, die ernüchternde New Yorker Wirklichkeit umklammert den mürrischen Doc, der mit Verspätung auch als Uniprofessor in Pension geht.

Zuvor hatten wir, dank seltsam irritierender De-aging-Technologie, noch den jungen Indy in Aktion bewundert. In einer extrem langen Eröffnungssequenz ist er ein letztes Mal im Kampf mit seinen Weltkriegserzfeinden, den Nazitruppen, zu sehen. In der Flower-Power-Zeit erblickt Dr. Jones im Spiegel aber nur einen alten Mann, der müde geworden ist. Es ist die Begegnung mit der forschen Tochter eines Studienfreunds, die ihn aus seiner sanften Depression weckt.

Dank Patenkind Helena Shaw (Phoebe „Fleabag“ Waller-Bridge) und deren Plänen steckt Indiana Jones bald bis zum Hals in einem gefährlichen Abenteuer, zu dem gewohnte Nazischurken (angeführt vom gespenstischen Mads Mikkelsen) ebenso gehören wie die obligatorischen Schlägereien auf dahindonnernden Zugdächern. Und natürlich steht ein mysteriöses Relikt aus der fernen Vergangenheit im Zentrum, das titelgebende Rad des Schicksals, einst vom griechischen Mathematiker Archimedes gebaut.

Mads Mikkelsen

Lucasfilm/Disney

Kitschiger Showdown, melancholischer Schluss

Die Grundidee des Films – ein strahlender Held aus einer unschuldig-naiven Phase des Blockbuster-Kinos fühlt sich selbst wie ein verstaubtes Überbleibsel – hätte durchaus Potenzial. Aber von den heftigen Generationskonflikten der unterschätzten Star-Wars-Sequels, mit Harrison Ford in seiner anderen großen Boomer-Rolle, ist „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ weit weg.

Die Story verstrickt sich in Blödsinnigkeiten, bis hin zu einem Showdown, bei dem man die kitschigen Aliens aus Teil 4 beinahe herbeisehnt. Dass zwischen Phoebe Waller-Bridge und dem Pensionisten mit der Peitsche keinerlei Chemie besteht, macht die Reise nicht kurzweiliger. Selbst wenn Soundtrack-Gott John Williams das legendäre Indy-Thema aufflackern lässt, stellt sich nur kurz Gänsehaut ein.

Wer den ganzen faulen digitalen Zauber durchsteht, wird zumindest ganz am Ende belohnt. Ein tief berührendes Zusammentreffen entschädigt für die mühseligen Momente zuvor. Beinahe versöhnt, voller melancholischer Gefühle, taumle ich nach dem Film ins Freie. Zumindest so einen Abgang hat sich Mr. Indiana Jones redlich verdient.

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#185 FM4 Film Podcast: „Asteroid City“ & „Indiana Jones and the Dial of Destiny“

Wes Anderson begibt sich mit einem gewohnt illustren Ensemble in eine pastellfarbene Wüstenstadt, wo melancholische Familiengeschichten und außerirdische Begegnungen warten. Aliens hat Indiana Jones bereits getroffen, in seinem finalen Abenteuer bekommt es der Oldschool-Actionheld mit Zeitreisen zu tun. Pia Reiser, Christian Fuchs und Jan Hestmann plaudern über zwei sehr unterschiedliche US-Filme, die beide auch von Nostalgie und Wehmut erzählen.

Den FM4 Film Podcast gibt es immer montags ab 22 Uhr auf sound.ORF.at und überall, wo es Podcasts gibt.

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