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GloRilla beim splash Festival 2023

MICHAELBOMKE

United Colors Of Rap

Dieses Wochenende hat das Splash! zum bereits 25. Mal stattgefunden. Eindrücke von Deutschlands größtem HipHop-Festival, das sich musikalisch sehr offen gezeigt hat - und so viele österreichische Acts wie noch nie auf die Bühnen stellte!

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Zugegeben, zwischenzeitlich gab es Zweifel. Eine komplizierte Anreise mit ausgedehnten Aufenthalten an Unorten wie dem regionalen Bahnhof Jüterbog, überlange Warteschlangen und nicht zuletzt die starre Festival-Hierarchie der verschiedenen Bändchen-Farbtöne können so etwas auslösen. Aber der erste Anblick der Riesenkräne am Festivalgelände Ferropolis, dieser gigantischen Mahnmale an eine fossile Vergangenheit, hat etwas seltsam Erbauliches. Und wenn dann noch gute Musik läuft, sind die Strapazen schnell vergessen.

Und dafür war an diesen drei Tagen wahrlich gesorgt: Das Splash! hat sich und den 30.000 Besucher*innen zum runden Jubiläum mit Kendrick Lamar, Lil Uzi Vert und Latto sowie der Crème de la Crème des deutschen Rap ein hochkarätiges Line-Up geschenkt. Und auch eine nie dagewesene Anzahl von Rapperinnen und Rappern, Sängerinnen und DJs aus Wien waren dieses Jahr dabei!

Auf dem Weg zum Festivalgelände habe ich zwei junge Rap-Fans aus Dortmund getroffen. Sie waren mit Peter Fox als überraschendem Co-Headliner des ersten Abends nicht einverstanden und hätten an seiner Stelle lieber jüngere internationale Rapper auf der Hauptbühne gesehen. Die von ihnen vorgeschlagenen Alternativen, Ski Mask the Slump God und Aitch, haben mit ihren Konzerten auf der Beach Stage tatsächlich viel Wirbel gemacht. Der Rapper aus Florida tat dies mit ordentlich Punk-Attitüde aber auch mit ergreifenden Tributen an seine verstorbenen Freunde XXXTentacion und Juice WRLD. Aitch aus Manchester hatte wiederum brilliante Rap-Technik aber auch eine gute Portion Pop in seinen Songs.

Kendrick Lamar beim splash Festival 2023

TimmyTY

Peter Fox hat dann aber auf der größten Bühne auch eine formatfüllende Show abgeliefert. Mit mehreren Dutzend Tänzerinnen und Akteure zusätzlich zur großen Band spielte der selbstbetitelte „Onkel Fox“ die neuen Love Songs, aber auch den einen oder anderen Klassiker.

Die Show von Kendrick Lamar danach war von der Inszenierung her ein Kontrast: Der Westcoast-Rapper stand ganz in Grün gekleidet weitgehend allein vor großformatigen Gemälden auf der Bühne - nur dann und wann von mehreren Doubles umringt. Und das, obwohl die Songs etwas rockiger und nach Live-Band geklungen haben. Mit großer Rap-Kunst und vielen Hits aus allen seinen Alben hat Kendrick Lamar den ersten Tag am Splash zu einem sehr atmosphärischen Abschluss gebracht.

Der hatte aber noch einige andere Highlights, etwa den Auftritt der US-Rapperin des Moments, GloRilla aus Memphis. Sie hat auf der Bühne einen Twerk-Contest veranstaltet. Sehr präsent war natürlich die deutsche Szene, etwa mit Dante YN aus Wolfsburg, bei dessen Show es regelmäßige Moshpits gab. Etwas früher hatten schon Eli Preiss und Kitana aus Wien fast zeitgleich verschiedene Bühnen am Festival eröffnet. Für Kitana ist damit ein kleiner Traum wahrgeworden, sie hatte nämlich als großer Rap-Fan das Splash! schon seit Jahren verfolgt. Mit ihrem ersten Festivalbesuch hat sie aber gewartet, bis das Booking kam.

HAIYTI beim splash Festival 2023

MICHAELBOMKE

Am Freitag hat es Haiyti aus Hamburg zum Einstand schon am späten Nachmittag auf der Hauptbühne krachen lassen. Danach waren parallel gleich drei Acts aus Wien auf der Bühne: Etwa die junge Rap-Crew 3310 (die sich im Interview selbst vorgestellt haben) oder Gola Gianni, der fast bei jedem Song die hier obligatorischen Moshpit-Kreise eröffnet hat. Zur selben Zeit hat auch Bibiza gespielt, als einziger an dem Abend mit voller Band und leider auch mit einem Gips. „Der hat mich nicht so eingeschränkt - wegen dem Adrenalin hab ich die Schmerzen kaum gespürt!“, hat er später im Interview erzählt. Die Energie hat auf jeden Fall mehr als gepasst, und die Festivalbesucher*innen waren bei den Songs vom neuen Album Wiener Schickeria schon sehr textsicher.

Dass der frühere Rapper aus Wien jetzt mit seiner New Wave-Platte am HipHop-Festival auf der Bühne steht, war dabei nicht das geringste Problem. Bei vielen Konzerten waren ruhige Gitarren, Punk-Sounds oder gerne auch Techno-Beats zu hören. Case in point: Deutschrap-Durchstarter Ski Aggu, der kurz danach auf der Hauptbühne sein Antreten bei der nächsten Bundestagswahl angekündigt hat, aber auch den wahrscheinlich ikonischsten Moment des Festivaltages verbuchen konnte: Für seinen aktuellen Charthit Friesenjung hat Aggu nämlich den großen Otto Waalkes mit auf die Bühne geholt, der ja mit seinem Sting-Cover die Sample-Vorlage geliefert hat. Otto hat dann nicht nur mitgesungen, sondern auf der Bühne auch Ottifanten gemalt. Wholesome!

Apropos hochkarätige Gäste: Straßenrap-Legende Haftbefehl hat Shirin David auf die Bühne geholt und wurde ebenso bejubelt wie Trettmann, der dem Splash-Festival schon seit seinen frühen Jahren verbunden ist. Er hatte bei der sonst sehr reduzierten Show etwa Megaloh, Paula Hartmann oder Levin Liam dabei und hat die Rückkehr auf die große Bühne sichtlich genossen. Weitere Highlights waren Denzel Curry (der am 11. im Wu Tang-Vorprogramm in Wien zu sehen ist) und die Berliner Rapperinnen Bounty & Cocoa. Auf der Hauptbühne war Lil Uzi Vert (der an dem Tag mit dem Pink Tape als erster Rapper 2023 an die Spitze der US-Albumcharts gehen sollte), dann mehr mit dem Management von dutzenden riesigen Moshpits beschäftigt als mit dem Rappen – aber das hat kaum jemanden gestört.

Ein entstehender Moshpit für der Hauptbühne des splash Festival 2023

Photospokus

Am Samstag steckten den meisten Besucherinnen die letzten zwei Tage schon merkbar in den Knochen. Ohne Rücksicht haben aber Donvtello & Tightill gleich sehr energiegeladen losgelegt. Danach gab es zum wiederholten Mal mehrere Österreicherinnen zur Auswahl: Hier Donna Savage mit harten Raps, dort Verifiziert oder Esther Graf mit ruhigeren und poppigen Tönen. Eine absolute Entdeckung war Ilhan44 aus Neukölln mit teilweise sehr politischen Texten. Und etwas später hat dann auch die Atlanta-Rapperin Latto mit viel Körpereinsatz dem Regen vor der Bühne getrotzt. Gegen die zunehmende Erschöpfung waren die Gastro-Meile und der ruhige Strand recht effektiv, bevor man sich für die Shows von etwa Sheck Wes, Yeat, Ufo361 und Kwam.E noch ein letztes Mal in die Moshpits werfen konnte. Und wer dann noch stand, durfte zu den Beats von DJ Schinkensuppe aus Wien krochan.

Für jemanden, der schon vor 22 Jahren beim Splash! am Stausee in Chemnitz campte, war die Szenerie dieses Jahr sehr erfrischend zu sehen. Gab es damals noch sehr strenge Codes, wie man sich als HipHopper zu kleiden und wie man zu klingen hat, ist das Motto heute: Alles kann, nichts muss! Komplexe Goth-Outfits mit rosa/blauen Haaren oder Fußballtrikots mit passender Frisur des Italia90-Weltmeisters Rudi Völler. Und musikalisch eben wehmütige Autotune-Balladen, Gabber-Beats, Punk-Gitarren oder natürlich auch technisch ausgereifte Raps. Das mag zeitweise messy und chaotisch klingen, ist aber in seiner Gesamtheit vor allem eines: Wunderschön.

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