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Szenenbilder-Collage: Barry Seal, Collateral, Magnolia (3 Mal Tom Cruise im Bild)

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FILM

Manie und Machismo: Die anderen Rollen von Tom Cruise

Im neuen Teil der „Mission Impossible“ Reihe gibt er wieder den grinsenden Actionhelden. Wer aber von Tom Cruise mehr will als strahlendes Zahnpasta-Lächeln und riskante Stunts wird auch fündig.

Von Christian Fuchs

Natürlich steht „Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One“ auf meiner aktuellen Watchlist. An der Agentensaga, die sich mit jedem neuen Teil zu toppen versucht, kommt man als Fan des ambitionierten Actionkinos nicht vorbei. Während sich die Tschin-Bumm-Film-Konkurrenz weitgehend auf computeranimierte Verfolgungsjagden und Festplatten-Fights verlässt, setzen die „Mission Impossible“ Thriller bekanntlich auf echte Körperlichkeit.

Womit wir beim Hauptdarsteller sind, an dem die ganze Franchise hängt. Superstar Tom Cruise, mittlerweile 61, verliert scheinbar auch bei gewagtesten Stunts nie die Fassung. Auf fast schon beklemmend souveräne Weise stürzt er sich aus Flugzeugen oder sprintet über rasende Zugdächer. Auch im immens erfolgreichen Fliegerdrama-Sequel „Top Gun: Maverick“ donnerte er im Vorjahr höchstpersönlich durch die Wolken, strahlendes Trademark-Lächeln inklusive.

Tom Cruise in Top Gun: Maverick

Paramount

Irrwitz und Seriosität

Man kann das bewundern oder beklatschen. Bei manchen Filmfreaks die mit Cruise aufgewachsen sind, ob als Hollywood-Leitfigur oder öffentliche Person, dürfte sich jedoch Skepsis in die Begeisterung mischen. Ganz abgesehen von wahnsinnigen Talkshow-Auszuckern oder seinem Einsatz für die Scientology-Sekte: Mr. Cruise personifiziert mit seinem Zahnpasta-Grinsen einfach den amerikanischen Mainstream schlechthin.

Ob als Barkeeper, Yuppie, Navy-Pilot oder Stockcar-Fahrer: Er repräsentiert Konformität und Rebellion gleichermaßen, die beiden Stützen der US-Philosophie. Ein Gegensatzpaar, das man wiederum nur lieben oder verabscheuen kann. Während andere Stars seiner Generation wie Johnny Depp (in früheren Phasen) oder Brad Pitt (etwas später) auf der Leinwand eine Außenseiter-Persona kultivierten – wir reden beispielsweise von „Edward Scissorhands“ oder „Fight Club“ – war Tom Cruise immer auch der übertalentierte, hitzköpfige Schwiegermutter-Liebling von nebenan.

Ausschläge in den Irrwitz, ins todernste Fach oder in das intensive Method-Acting, wie bei den genannten Altersgenossen, gibt es aber auch bei ihm. Dabei funkelt oft gerade in der Künstlichkeit, hinter Masken und Overacting, ein bisschen vom vermeintlich wahren Tom Cruise auf. Eine unglaubliche Getriebenheit, die erschreckend und anziehend zugleich wirkt. Typisch amerikanisch halt.

Der getriebene Halbstarke: “The Outsiders”, 1983

Beim ersten Tipp, auf der Entdeckungsreise zum anderen Tom Cruise, handelt es sich eigentlich um eine Mogelpackung. Schließlich taucht der damals 21-jährige Darsteller nur am Rande im Teenager-Drama von Francis Ford Coppola auf. Als Teil eines umwerfenden Ensembles von Shootingstars – von Matt Dillon und Patrick Swayze über Rob Lowe bis zu Diane Lane – prägen sich seine getriebenen Auftritte aber ein. Der Film, der vom Krieg einer Trailertrash-Gang gegen eine gutbürgerliche Bande erzählt, ist aber generell ein Knaller. Machismo-Rituale und innige Buben-Zärtlichkeit lösen einander ab.

Der fiebrige Spieler: “The Color of Money”, 1986

Keiner der zwingenden Filme des italoamerikanischen Meisterregisseurs. Aber ein Scorsese in eher mittlerer Form steht natürlich immer noch für sehenswertes Kino. Nach den radikalen Tagen des New Hollywood wagt sich der Schöpfer von „Taxi Driver“ hier weit in den Mainstream. Der alte Paul Newman und der junge Tom Cruise treffen als Pool-Billard-Genies aufeinander. Ein Generationsdrama voller nervöser Energie, die der freche Bub in der Hauptrolle auf den Punkt bringt. Iggy Pop läuft übrigens auch einmal durchs Bild.

Der zerrissene Ehemann: „Eyes Wide Shut“, 1999

Betrachtet man den letzten Film von Stanley Kubrick aus dem Blickwinkel aktueller Sexual-Politik, könnte man ihn fast ein bisschen spießig finden. Aber der britische Regiegott wollte eben eine Auseinandersetzung mit Beziehungen im Geiste des seeligen Autors Arthur Schnitzler. Also begibt sich ein von Hormonen verwirrter Tom Cruise in ein (toll aussehendes) Fake-New York und landet auf einer gespenstischen Orgie. Eine Art filmischer Paartherapie, mit faszinierender Nicole Kidman, atemberaubenden Sets und Orgelmusik im Avant-Goth-Style.

Der toxische Pick-Up-Artist: „Magnolia“, 1999

Der dritte Film des superen Paul Thomas Anderson beschert ihm den endgültigen Durchbruch beim Arthouse-Publikum. „Magnolia“, das ist ein atemberaubender 188-Minuten-Reigen aus tragikomischen Vignetten, eine Flut an Themen, geballter Emotionalität und formalen Innovationen. „Magnolia“, das ist eine Liebeserklärung an die Existenz und Tom Cruise besticht in seiner eventuell besten Rolle als schmieriger Sexguru, der mit seinen eigenen Abgründen zu kämpfen hat.

Der Auftragskiller in der Krise: „Collateral“, 2004

In anderen Regiehänden hätte aus diesem kargen Stoff ein Krimi aus der unteren Kategorie werden können. Aber Michael Mann, der Atmosphärenzauberer aus Hollywood, kreiert aus strangen Stimmungsbildern mitreißendes Großstadt-Kino. Regennasse Straßen, flackerndes Neon, hallende Schüsse, dazu die Ästhetik verwackelter Digitalaufnahmen. Ein Weißblond gefärbter Tom Cruise, als Ikone wie als Filmfigur präsent, trifft als Auftragskiller auf der Flucht auf den liebenswürdigen Taxifahrer Jamie Foxx. Kühl und sehenswert.

Der schmierige Hollywood-Mogul: „Tropic Thunder“, 2008

Ein Film als satirischer Anschlag auf politische Korrektheit, der heute nicht mehr entstehen könnte. Ausgedacht und inszeniert von Ben Stiller, einem erklärten Linken, schießt „Tropic Thunder“ mit Platzpatronen auf so viele liberale Reizthemen, dass man es gar nicht glauben kann. In diesem (Anti-) Kriegs-Klamauk brillert aber auch Tom Cruise in der lustigsten (Gast-) Rolle seiner Karriere: Als adipöser Filmproduzent mit Goldketterln und schmieriger Frisur balanciert der Superstar auf dem rasierklingenschmalen Pfad zwischen Humor und Grausligkeit. Und gewinnt.

Der verzweifelte Familienvater: „War Of The Worlds“, 2005

Einen richtigen, handfesten Horrorfilm hat Steven Spielberg nie gedreht, ein Flirt mit Angst und Schrecken zieht sich aber durch Schlüsselwerke des Blockbuster-Miterfinders. Alleine der Anfang dieser Romanverfilmung frei nach H. G. Wells, in dem sich das blanke Grauen manifestiert, repräsentiert Gänsehaut pur. Tom Cruise flüchtet als erschütterter Vater mit seinen Kindern vor den Aliens, die die Erde überfallen. Und kämpft sich, bis zum bisserl kitschigen Ende, durch ein apokalyptisches Horror-Szenario.

Der durchgeknallte Drogenschmuggler: „American Made“, 2017

Der beste Fliegerfilm mit Herrn Cruise lebt von moralischen Grauzonen statt Patriotismus-Gegockel. „American Made“ beruht auf wahren Begebenheiten aus dem Leben des Drogenschmugglers Barry Seal. Regisseur Doug Liman präsentiert eine proletarische Groteske: Voluminöse Bärte und Polyesterhemden lassen ein „Boogie Nights“ Feeling aufkommen, ironisch eingesetzte TV-Ausschnitte gehören seit „The Wolf Of Wall Street“ zur Grundausstattung. Aber trotzdem funktioniert dieses sarkastische Biopic. Nicht nur wegen Tom Cruise, der mühelos eine abgefeimte Gewitzheit mit scheinbarer Naivität verbindet, als Barry Seal aufblüht und nebenbei seine „Top Gun“ Persona parodiert.

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