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Popfest 2023

Radio FM4 / Franz Reiterer

festivalradio

Auf ins Abenteuer

Das Popfest 2023 ist eröffnet, am Donnerstagabend sind unter anderem Das Schottische Prinzip, Donna Savage & Brenk Sinatra, SALÒ und UCHE YARA aufgetreten.

Von Lisa Schneider

Nicht alles ist Pop, aber Pop ist alles, was ist. Habt ihr schon einen Knoten im Kopf vom Programmheftlesen? Macht nichts. Diesem schönen, sperrigen Satz wollen wir nachgehen, heuer, am Popfest 2023. Es findet einmal mehr im Herzen der Stadt und an einem besten Ort der Welt, dem Wiener Karlsplatz und rundherum, statt. Die beste Anna Mabo strahlt von der Seebühne, es ist der Eröffnungsabend, neben ihr ein nicht weniger strahlender Dorian Concept, sie beide haben heuer das Programm kuratiert. „Schaut euch alles an, was ihr kennt, und alles, was ihr nicht kennt, in diesem Sinne: auf ins Abenteuer!“

Dorian Concept und Anna Mabo

Radio FM4 / Franz Reiterer

Außerdem sagt Anna Mabo „Hallo“, ihre neueste Single hat sie auch so genannt, es ist auch gleich nochmal so ein kleines und vielleicht zugänglicheres Motto für die kommenden vier Tage. „Hallo, kennen wir uns schon?“ oder „Hallo, ich würde dich gerne kennenlernen“, oder am besten: „Hallo, ich hab dich eh schon sehr gern, aber ich wüsste gern noch mehr“.

Am Popfest geht’s neben der Musik immer auch sehr viel ums Gemeinsamsein und darum, die Musik und die Menschen, die man sehr bald sehr mag, neu zu entdecken. Hier läufst du Tourst:innen in die Arme, die sich freuen, dass da so viel passiert, und hier läufst du Menschen in die Arme, die du vielleicht nur einmal jährlich genau hier triffst. Frei zugänglicher, öffentlicher Raum war vielleicht noch nie so wichtig wie jetzt gerade, wo viele sich wenig und manche sich einfach auch nichts, schon gar keine Konzerttickets frei nach Stadionpreisen leisten können.

Letztes Jahr schon haben wir uns beim Auftritt von Euroteuro Gedanken gemacht, ob wir nicht doch wieder ins Wald- oder Weinviertel oder wo auch immer eure Eltern wohnen, zurückziehen sollen, Hotel Mamapapa, weil’s dann doch günstiger ist. Und da denken wir auch heuer ein bissi dran, es ist eh Sommer und eh warm und die Gaspreise sekkieren uns eventuell grad nur am Rande. Das Privileg aber, hier ohne finanzielle Gegenleistung Menschen zuzusehen, die ihr Leben einer besten Sache, ach was, der besten Sache der Welt widmen, ist schon sehr, sehr gut.

Vielleicht ist ein Act nur so gut wie seine Fans, es wäre eine mögliche, schönste Auszeichnung. SALÒ hat dabei großes Glück, aber natürlich auch viel dafür getan. Wieso klappt das so gut? „radikalsoft“ nennt er sich auf Instagram, und vielleicht steckt in dieser schönen Wortzusammenklebung auch schon die ganze Idee. Bevor da erste Lieder und ein Album da waren, ging die Kunde, dass seine Liveshows so sind, wie man sie nicht oft erlebt. Es gehört zur musikalischen Mischung aus Räudig- und Liebenswürdigkeit dazu, dass er die Verausgabung auf ein neues Level hebt. Noch am Lido Sounds in Linz hat uns SALÒ erzählt, wieviel Kalorien er bei so einem Auftritt verbrennt, wir haben uns schließlich auf zwei Semmeln ohne Butter oder doch eineinhalb Bier geeinigt. Schweiß und Arbeit und Aufstiegsgeschichten, Prost.

Bühnenfiguren sind so eine Sache, manche haben sie, manche erfinden sie, und manche werden erst so richtig sie selbst, wenn die Lichter da oben angehen. Kantige Sprünge, Verzerrungsmimik und ein Worte-ins-Mikro-Spucken, die Welt ist ein komischer Ort, der aus vielen kleinen, noch komischeren Orten besteht, und SALÒ schreibt seine Lieder über viele davon. Er erzählt von Internetfreund:innen und Supermarktkassierer:innen und denen, die gern Dinge leugnen, setzt dabei die komischen Gegensätzlichkeiten hinein in die Erzählung eines Menschen, der schon ein bisschen was gesehen und erlebt hat von und in der Welt. Wenn Pop etwas ist, dann natürlich auch immer ein Platz für die, die keinen haben, man muss dem schon allem mit ein bisschen Schmäh begegnen, oder man covert Songs der immer noch sehr guten 90ies-Gruppe Echt, wuhu.

„Sie ist dabei, Deutschrap auf den Kopf zu stellen und ihn zu retten“ sagt Dorian Concept auf der Seebühne vorm Auftritt von Donna Savage, und da ist sie, mit einer Gruppe Tänzerinnen, die beim ersten Song gleichmal einfach nur dastehen und gar nichts machen. Starke Statements brauchen gar nicht mehr, und die hat Donna eh zu Hauf, sie hat außerdem ebenfalls viel Liebe und ein bisschen Blödsinn mitgebracht.

„Oh mein Gott schau mich nicht so an, du bist dumm, aber bist mein Crush“ ist vielleicht das schönste Selbsteingeständnis seit Erfindung der Kurzzeitromanze, es muss ja auch nicht immer alles Highspeed oder -class sein. Ein Fling, eine Spielerei, sanfte Bauchkribbelverwirrungen, dazu knallt’s im Hintergrund und auch Brenk Sinatra ist happy. Er steht nicht nur mit auf der Seebühne, er hat auch an den zuletzt veröffentlichten Songs von Donna maßgeblich mitgearbeitet, hier trifft Frische auf Erfahrung und Coolness multipliziert sich mal hundert. Worte sind eine schöne, beschreibende und manchmal sogar auch einigermaßen schirche Sache. Beim Set von Donna Savage denkt man an die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Verben wie „rasieren“ nach, oder, wer ganz arg ist, schreibt hier „ballern“ hin. Es macht halt Spaß.

„Die Trauer ist männlich“ ist ein bester Satz des Abends oder aber dieser hier, der allererste: „Feuer doch die Mächte des Konsums". Geschrieben hat sie die Gruppe „Das Schottische Prinzip“, die Anna Mabo sehr schön treffend als „eine Brecht-Oper meets Hildegard Knef meets Punk meets Girl Band“ beschreibt. Vielmehr muss man gar nicht wissen, außer, dass das alles schon gut am Siedepunkt Übersteuerung, Geschrei und Glücklichsein im Unglück angesiedelt ist. Die Kirchenglocken bimmeln wieder so unpassend wie typisch ins Set hinein (vielleicht wegen des schon wieder guten Satzes: „Zu welchem Gott du betest ist egal“?), das alles kennen wir, das mögen wir ja auch ein bisschen.

Und das hier mögen wir sogar sehr: UCHE YARA ist ein Phantom und UCHE YARA ist vielleicht einer der nächsten homegrown Popstars. Die Legende besagt, dass sie einmal der größte Bilderbuchfan war (und vielleicht noch immer ist), dass die vier sie bei jedem Konzert in der ersten Reihe gesehen und irgendwann mal ins Gespräch verwickelt haben. Nicht die Legende, aber das Leben besagt weiter, dass sie dann nicht nur in der Liveband mit-, sondern Bilderbuch auch als Support begleitet hat und das auch morgen auf der Burg Clam tun wird, dass sie noch sehr jung ist (die 20 ist noch nicht voll) und mittlerweile von Linz nach Berlin gezogen ist.

Wir kennen ein Lied aus dem gelben Radio, es heißt „Tango“, und wir kennen dann ein bisschen mehr, wenn wir UCHE YARA auf TikTok folgen oder uns die Mühe machen, Soundcloud nach ihr abzusuchen. „baby boy“ und „honey, come find me“ sind neben anderen Songs als Live-Versionen hochgeladen, immerhin hat Uche Yara nicht nur schon in Österreich und der Schweiz, sondern auch in der Elbphilharmonie Hamburg gespielt. Sonst gibt’s da nichts: keine Interviews bis jetzt, keine Ankündigungen, keine Albumpläne, wobei das vermutlich schon in dreifacher Ausführung fertig ist.

Popfest- Seebühnen-Headlinershows sind so eine Sache, die man sich ganz weit oben in den Lebenslauf schreibt, wenn man sich auch nur ein bisschen mit den späteren, hier gestarteten Erfolgsgeschichten auseinandergesetzt hat. Da gehört Vertrauen dazu und natürlich Gespür für die Zukunft, und UCHE YARA spielt ihre Musik in genauso einen Ort hinein. Da steckt ganz viel ganz Altes drin (nicht ur alt, nur so 4-Non-Blondes-alt), fast aus einer Zeit, in der sich ganz sanft Funk im straighten Popsong ausgegangen ist. Und dann eben aber auch neu, weil unverbraucht, und wiedermal unfassbar, immer dran denken: Manche Menschen werden mit bestimmten Gaben und Verständnissen für Musik geboren, die man nicht lernen kann.

„Zur Begrüßung biet’ ich dir meine Hand an“ singt Anna Mabo auf „Hallo“, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, ein paar nette Worte, eine Frage zu viel, ein „Das-wollt-ich-dir-eh-schon-immer-sagen“. Nehmt einen guten Menschen und geht da hin, schaut euch viel an oder verpasst alles, weil zu viel reden und wichtige Zeit verbringen, alles gilt, Musik, Gemeisamsein oder Musikgemeinsamsein. Heute noch, und eh bis inklusive Sonntagabend.

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