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„The Creator“: Sinnsuche und Spektakel zugleich

Die KI-Diskussion ist endgültig in Hollywood angekommen. Regisseur Gareth Edwards („Rogue One”) präsentiert einen epischen Sci-Fi-Blockbuster über den Krieg der Menschen gegen die Maschinen.

Von Christian Fuchs

2023 war bis jetzt ein gutes Jahr für große, kommerzielle Filme mit künstlerischer Ambition. Neben den üblichen berechenbaren Franchise-Produkten strahlten zwei Sterne hoch am Blockbuster-Himmel. Christopher Nolan gelang es mit „Oppenheimer“ eine hochkomplexe Auseinandersetzung mit Physik und Politik einem Massenpublikum zu verkaufen. Greta Gerwigs „Barbie“ schaffte locker den Spagat zwischen pinkem Popcorn-Kino und Indie-Satire. Zwei extrem unterschiedliche Erfolgsfilme, die dennoch mehr wollen als aalglatte Unterhaltung.

Der in Los Angeles lebende Brite Gareth Edwards gehört jetzt zu dieser Riege von Filmemacher:innen, die im Multiplex-Dschungel nach tieferen Wahrheiten forschen. Sein aufwändiger, neuer Film „The Creator“ ist einer dieser selten gewordenen Blockbuster, der frische Ideen präsentiert, ohne auf bewährte Vorlagen zurückzugreifen. Kein Sequel, kein Prequel, keine Comic- oder Literaturverfilmung. Das alleine macht schon neugierig.

Und dann der Name des Regisseurs. Ein kurzes Interview lang durfte ich Gareth Edwards einmal gegenübersitzen, ein höflicher und zurückhaltender Typ, dessen Augen dennoch funkeln, wenn es um Genre-Obsessionen geht. Mit seinem Debüt „Monsters“ demonstrierte er 2010, dass spektakuläre digitale Effekte auch mit einem Mini-Budget machbar sind. Zentral sind aber in dieser Urzeitmonster-Apokalypse die Figuren, deren Emotionen und Gedanken.

Szene aus Creator

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Sieben Jahre Wartezeit

Beim teuren Dreh von „Godzilla“ anno 2014 durfte Gareth Edwards wieder mit Riesensauriern spielen. Ihm gelang das Unmögliche: Stilvoll verbeugt sich das Spektakel vor den japanischen Roots der Titelkreatur, gleichzeitig holt er Gojira überzeugend in die Gegenwart der computergenerierten Effekte. Es menschelt abermals gewaltig in dem Film, die Protagonist:innen haben weitaus mehr Screentime als das Monster.

Mit „Rogue One“ lieferte Edwards für viele Star-Wars-Ultras einen der essenziellen Filme abseits der Originaltrilogie. Der Brite brachte eine Rauheit in den Look der Reihe zurück, die man seit der späten 70ern nicht mehr gesehen hatte. Tragischer als dieses Prequel zu Episode IV endet auch kein Beitrag zur Sternenkriegsaga.

Einen leider unguten Nachgeschmack hinterließ die Arbeit an „Rogue One“ für Gareth Edwards. Zu sehr lastete ihm die Einmischung von Seiten der strengen Star-Wars-Produzent:innen im Magen. Deshalb dauerte es ganze sieben Jahre, bis der vom System enttäuschte Regisseur nun ein neues Projekt vorstellt. Die Wartezeit hat sich aber gelohnt. „The Creator“ ist endlich mal wieder ein hochwertiger Beitrag zum Science-Fiction-Genre, ein visuelles Spektakel mit künstlerischer Ambition.

Szene aus Creator

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Emotionaler und epischer Film

Ein Soldat, der in der nahen Zukunft in einem Krieg der Menschen gegen die Maschinen kämpft, irrt mit einem kleinen Mädchen durch dystopische Landschaften. Im Körper des Kindes steckt eine hochentwickelte KI, die das Potential hat, den Planeten auszulöschen. Der von Depressionen geplagte Spezialagent Joshua hat den Auftrag, die Künstliche Intelligenz auszulöschen, bringt es aber nicht übers Herz, sich der liebenswerten Alphie zu nähern.

Der Gefühlskonflikt, den diese kurze Inhaltsangabe skizziert, steht im Zentrum von „The Creator“. Gareth Edwards, der auch das Drehbuch geschrieben hat, wollte einen „emotionalen und epischen“ Film machen, betont er und lässt uns im Multiplex-Kino an einer Sinnsuche teilhaben.

Der tolle John David Washington, für mich einer der charismatischsten Darsteller seiner Generation, spielt Joshua als sehnsüchtigen, getriebenen Mann mit melancholischem Blick. Die Newcomerin Madeleine Yuna Voyles fasziniert in ihrer Rolle der undurchschaubaren KI mit sanfter Trotzigkeit. Trotz der Fantastik der Geschichte flackert auch bei Nebenfiguren kein Comicbook-Acting auf, in Interviews erzählt Washington, dass er sich am Set oft wie bei einer avancierten Indie-Produktion vorgekommen sei.

Szene aus Creator

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Mix aus Naturpoesie und Sci-Fi-Ästhetik

Als Gareth Edwards zum ersten Mal über den Plot von „The Creator“ nachdachte, rang er vor allem mit filmischen Vorbildern. Vom Bordcomputer HAL in Stanley Kubricks „2001 – A Space Odysee“ über das mächtige Netzwerk Skynet in James Camerons „Terminator“, vom Androiden Ava im verstörenden „Ex Machina“ bis zur weltbedrohenden Entity im jüngsten Teil von „Mission Impossible“: Hollywood warnt gerne vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz.

Um sich von diesen und anderen Filmen abzuheben, dachte sich Edwards ungewöhnliche Ansätze aus. Er verzichtete großteils auf Greenscreen, kombinierte reale Bilder und digitale Effekte ganz anders als die Blockbuster-Konkurrenz. Mit einem winzigen Kamerateam und wenigen Akteuren bereiste der Regisseur Indonesien, Nepal, Japan, Vietnam oder Thailand, filmte Landschaften und Menschen, die später am Computer verändert wurden. Der Mix aus Naturpoesie und Sci-Fi-Ästhetik berauscht, betört und fasziniert, rutscht aber nie ins Esoterische.

Während sich Gareth Edwards vorab auf Style und Substanz bei dem Projekt konzentrierte und einige Jahre an den Ideen feilte, überholte ihn die politische Wirklichkeit. Plötzlich durchzog die KI als apokalyptisches Thema tägliche Diskussionen, ob in Klatschform oder mit entsprechendem Bildungshintergrund. „The Creator“ liefert, gar nicht so gewollt, natürlich weiteren Stoff für (derzeit noch) utopische Szenarien.

Szene aus Creator

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Vor allem ist dieser Film aber ein strahlender Lichtblick am Firmament des Genres. Nicht das xte Sequel, Prequel, keine Comic- oder Literaturverfilmung, auch kein infantiler Weltallkitsch, sondern ein sehr irdisches und ernsthaftes Psychodrama, eine wehmütige Liebesgeschichte, eine berührende Antiheldenreise, eingehüllt in schimmerndes Sci-Fi-Zuckerlpapier.

Der idealistische Mr. Edwards versuchte sich beim Budget einzuschränken, um maximale Freiheiten zu genießen, ein mehr als gelungenes Vorhaben. „The Creator“ sieht trotzdem gigantisch aus, ich empfehle die größtmögliche Leinwand.

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