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APA/AFP/NTB/Astrid Pedersen

Wird es immer leichter, sich zu outen?

Wie das persönliche Umfeld mit dem Coming Out umgeht, kann sehr unterschiedlich verlaufen. Während die einen auf Unterstützung stoßen, entgegnet anderen Ablehnung. Auch heutzutage noch gibt es Hürden, sich zu outen - aber immer mehr junge Menschen wagen diesen Schritt.

Von Livia Praun

Eine Umfrage der EU aus 2019 zeigt: Auch heute noch sind viele queere Menschen nicht „out and proud“. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen hat angegeben, dass sie selten bis nie offen darüber sprechen, Teil der LGBTQI+ Community zu sein.

Coming Out: Verschiedenste Reaktionen

Ist es heutzutage nach wie vor sehr schwierig, sich zu outen? Wir haben uns umgehört und junge, queere Leute nach ihren Coming Out-Erfahrungen gefragt. Einige sind bei ihren Coming Outs ausschließlich auf Unterstützung und Solidarität gestoßen. Magdalena zum Beispiel: „Die Personen, die es wissen, haben alle zum Glück super reagiert.“ Oder auch M., die sich vor ihrer Familie als trans geoutet hat: „Die ganze Familie war so: Wir verstehen es zwar vielleicht nicht, aber wir unterstützen dich. Wir wollen dir helfen.“

Andere wurden aber mit Ablehnung und Diskriminierung konfrontiert. Vor allem seitens der Familie. Jonas etwa erzählt davon, dass seine Großeltern ablehnend reagiert haben, als sie von seinem Freund erfahren haben: „Es wird unter den Tisch gekehrt und ignoriert.“ Bei Stephanie haben sich nach ihrem Coming Out sogar Verwandte von ihr abgewandt: „Dass wirklich Menschen, die dir dein Leben lang sagen, sie lieben dich wie du bist, sich dann abwenden, nur weil ich einen Satz sage... Das ist schon schwierig zu realisieren.“

Es herrscht oft Ungewissheit darüber, wie das eigene Umfeld auf das Coming Out reagieren wird. Die Angst davor, wichtige Beziehungen und Menschen zu verlieren, hält viele davon ab, sich zu outen. Diskriminierung spielt aber auch eine Rolle dabei, in welchen Bereichen man sich outet und in welchen nicht. 6 von 10 queeren Menschen vermeiden etwa, in der Öffentlichkeit die Hand von ihren Partner:innen zu halten, und ein Drittel der Befragten gaben an, bestimmte Orte aus Sicherheitsbedenken aktiv zu meiden.

EU-Umfrage: Mehr und mehr junge Leute outen sich

Die bereits zitierte Umfrage der EU zeigt aber, dass heutzutage wesentlich mehr junge Menschen den Schritt wagen und geoutet leben. Ist es heutzutage also trotzdem leichter, sich zu outen als vor - sagen wir - 20, 30 Jahren? Es ist schwer, das pauschal zu sagen, meint Stephanie Wenger von HOSI Salzburg (Homosexuellen Initiative). Aber unabhängig von den individuellen Umständen „gibt es viel mehr Unterstützung, viel mehr Anlaufstellen, viel mehr Peer Groups.“ Wenn also zu Hause oder im Freundeskreis schlecht auf ein Coming Out reagiert wird, gibt es ein soziales Sicherheitsnetz. „Darum werden Coming Outs leichter, weil wenn du jemanden verlierst, hast du trotzdem immer noch Menschen, die dir helfen, dich verstehen und dich sehen, so wie du bist.“

HOSI ist eine Abkürzung für Homosexuelle Initiativen. In Österreich gibt es solche Initiativen in mehreren Städten - in Wien, Linz, Salzburg und auch in Innsbruck. Die getrennt voneinander agierenden Organisationen treten für die Rechte und Interessen der LGBTQI+- Community ein und veranstalten Events, Workshops wie auch Demonstrationen.

Neben solchen Unterstützungsangeboten hilft laut ihr aber auch die zunehmende Sichtbarkeit von queeren Menschen in der Gesellschaft. Stephanie ist auch Sexualpädagogin und hält Workshops in Schulen ab, um Kindern und Jugendlichen queere Lebensrealitäten näher zu bringen: „Es ist was ganz anderes, wenn wer einen Vortrag hält (...) als wenn wirklich zwei queere Menschen reinkommen und von ihrer Lebensrealität erzählen.“ Diese direkte Erfahrung ist laut ihr ausschlaggebend: „Wenn du einen Berührungspunkt zu so etwas hast, beginnst du ganz anders drüber zu denken.“ Jonas Borchmann ist ebenso bei der HOSI Salzburg tätig und erhofft sich von diesen Workshops, „dass die Leute einfach beginnen nachzudenken, und in Frage stellen, was sie von ihren Eltern vielleicht so mitgegeben bekommen.“

Fehlende Repräsentation in der Vergangenheit und am Land

Auch wichtig: Die Repräsentation in den Medien. Das meint Severin. Er ist 30 und hatte letztes Jahr sein Coming Out. „Ich habe vor kurzem ‚Heartstopper‘ und ‚Young Royals‘ (Anmerkung: Zwei queere Coming-Of-Age-Serien) gesehen, und mir im Nachhinein gedacht: Hätte ich so etwas zwischen 10 und 15 gekannt, wäre es mir definitiv einfacher gefallen, dieses Thema für mich früher anzugehen.“

Severin ist am Land groß geworden, in seiner Familie und Umgebung war Homosexualität ein Tabuthema. In der Stadt gibt es mehr Sensibilität für queere Themen, meint er. Jonas Borchmann sieht das ähnlich. Das ist auch ein Grund, warum die HOSI Salzburg zunehmend versucht, auch am Land präsent zu sein. Zum Beispiel mit „queer durchs land“ : „Ich hatte Gespräche mit Schulen auf dem Land und da wurde mir gesagt: Bei uns sind die Leute noch nicht so weit. Da merkt man einfach das Thema ist noch nicht so angekommen.“ Es sei aber sehr wichtig, dass das Thema auch am Land ankommt und Kontaktpunkte zu queeren Personen da sind: „Das macht natürlich was, wenn sie das erste Mal gegebenenfalls eine schwule, lesbische, oder trans-Person sehen. Das ist dann nicht ein abstraktes Konzept, das ist wirklich eine Person.“

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