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„Femi(ni)zide“: Patriarchale Gewalt und feministische Kämpfe

Frauenmorde werden immer noch viel zu sehr als Einzelschicksale gesehen, findet das Autor*innenkollektiv BIWI KEFEMPOM. Deswegen haben sie ein Buch geschrieben über das breite Spektrum von patriarchaler Gewalt und feministischem Kampf und Protest.

Von Diana Köhler

Schon seit 1981 ist der 25. November kein normaler Tag mehr. Denn da wurde er zu einem Gedenk- und Aktionstag, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.

Dieses Jahr wurden in Österreich bereits 26 Frauenmorde begangen, und es gab 41 Mordversuche. Österreich ist damit in Europa leider ganz vorne dabei: Hier werden mehr Frauen als Männer ermordet. Der Anteil der Frauenmorde im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung ist im Vergleich extrem hoch. Das feministische Kollektiv Claim the Space organisiert seit 2020 jedes Mal eine Demo, wenn eine Frau in Österreich ermordet wird. Damit wollen sie auf patriarchale Gewalt aufmerksam machen und, wie sie sagen, „gemeinsam trauern und wütend sein“. Vier Menschen aus diesem Kollektiv haben jetzt ein Buch mit dem Titel „Femi(ni)zide“ herausgebracht.

„Bis wir keinen Femi(ni)zid mehr politisieren müssen“

Die vier Autor*innen sind Cari Maier, Kyra Schmied, Marcela Torres und Judith Götz, sie haben sich den Namen BIWI KEFEMPOM gegeben. Das ist ein Akronym und bedeutet „Bis wir keinen Femi(ni)zid mehr politisieren müssen“. Der Begriff Femi(ni)zid ist sehr komplex, im Buch wird er aber vor allem als politischer Begriff verwendet und bedeutet Mord an FLINTA-Personen, also Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Menschen.

Mit „politisieren“ meint das Kollektiv, öffentlich über die Morde sprechen, sie zum Thema machen und die Politik und das System kritisieren. Denn immer noch wird viel zu sehr auf einzelne Schicksale geschaut, sagt Marcela Torres Heredia, sie ist ebenfalls Mitautorin des Buches: „Wenn man die Ansicht vertritt, dass Femi(ni)zide nur einzelnen Personen passieren, nur einzelne Schicksale sind, dann hat man sich mit dem Problem nicht genug auseinandergesetzt. Das ist eines der zentralen Elemente des Buches und zugleich eine gewisse Forderung an die Politik und generell an die Gesellschaft: sich mit den Strukturen auseinanderzusetzen, die ermöglichen, dass solche Taten überhaupt stattfinden.“

Buchcover

Verbrecher Verlag

„Femi(ni)zide“ ist beim Verbrecher-Verlag erschienen. Die Mitglieder des Kollektivs BIWI KEFEMPOM sind Cari Maier, Kyra Schmied, Marcela Torres und Judith Götz.

Im Buch „Femi(ni)zide“ hat das Autor*innenkollektiv BIWI KEFEMPOM diese globalen Strukturen herausgearbeitet. Dafür haben sie auch Beiträge von Feminist*innen aus Lateinamerika übersetzt und haben sich mit historischen feministischen Kämpfen auseinandergesetzt. Allianzen über Grenzen und Generationen hinweg sind jetzt besonders wichtig, sagt Judith Götz: „Ich finde, das ist vielleicht auch eine Besonderheit von uns, dass wir in Zeiten, wo es sehr viele feministische Zerwürfnisse gibt und sehr viele Trennungen, wir eher versucht haben, Verbindungen zu knüpfen.“

Über die verschiedenen Strömungen und Generationen im Feminismus wird viel gestritten. Und das ist auch gut, nur so kann sich der Feminismus weiterentwickeln. Manche Zerwürfnisse, die Judith Götz anspricht, aber bleiben und schaden der Bewegung.

Frauenmord, Femizid, Feminizid?

Wozu ein weiterer Begriff? Heißt es nicht Femizid? Oder Frauenmord? Marcela Torres: „Im englischsprachigen Raum war femicide der Ursprungsbegriff, aber feminicide oder feminicidio in Lateinamerika hat sich etabliert und wurde viel behandelt, sowohl theoretisch als auch politisch. Diese unterschiedlichen Kontexte, in denen der Begriff verwendet worden ist, und wie umkämpft dieser Begriff ist, wollen wir sichtbar machen. Natürlich haben auch wir keine endgültige Antwort oder Definition. Aber die Umkämpftheit soll auch in der Form des Schreibens sichtbar sein.“

Mit der Bezeichnung Femi(ni)zid soll also mehr die patriarchale Struktur und patriarchale Gewalt gegen alle FLINTA-Personen hervorgehoben werden. Die einfache Bezeichnung als „Frauenmord“ sei einfach zu verkürzt, schreiben die Autor*innen.

In „Femi(ni)zide“ geht es aber nicht nur um die Beschreibung eines gesellschaftlichen Problems, sondern auch um die Kämpfe dagegen. So wird die Entstehungsgeschichte des feministischen Bündnisses Claim the Space erzählt und über verschiedene Protestformen und feministischen Kampf reflektiert.

„Femi(ni)zide“ ist nicht besonders niederschwellig, man muss sich durchackern. Wenn man es aber schafft, wird man mit einem umfassenden und sehr gründlichen Wissen über die Thematik belohnt. Das Autor*innenkollektiv BIWI KEFEMPOM hat damit ein Werk vorgelegt, das in dieser Form im deutschsprachigen Raum noch gefehlt hat.

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