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Bilder aus "Monarch: Legacy of Monsters" und "Godzilla Minus One": Eine junge Frau im Regen sieht besorgt in den Himmel. Daneben: Godzilla

Apple TV+ | Toho

FILM

Riesenungeheuer überall: Es ist eine gute Zeit für Godzilla-Fans

Während auf der großen Leinwand der Urgigant wieder einmal Tokio angreift, widmet sich eine Streamingserie den Menschen hinter der Zerstörung. Notizen zu „Monarch: Legacy of Monsters“ und „Godzilla Minus One“.

Von Christian Fuchs

Alles im Leben ist bekanntlich eine Frage der Erwartungshaltung. Das gilt besonders für die Popkultur. Godzilla-Fans, zum Beispiel, erwarten sich von einem Monstermovie möglichst viele gigantomanische Monsterszenen. Das menschliche Personal in diesen Filmen ist Beiwerk, Staffage, austauschbar, im zynischsten Fall collateral damage.

In den knallbunten Sixties, als eine erfolgreiche Monsterwelle das Godzilla-Ursprungsland Japan überrollte, gab es zwar eine kleine Riege an Darsteller:innen mit gewisser Prominenz. Und in den aktuellen Hollywood-Blockbustern aus dem Hause Legendary sind immerhin Stars wie Brie Larson, Bryan Cranston, Millie Bobby Brown oder Alexander Skarsgård mit dabei. Trotzdem: Niemand schaut sich einen Godzilla-Film wegen der Menschen an.

Filmstill aus Godzilla vs. Kong

Warner

„Godzilla vs. Kong“

Das weiß auch die erwähnte amerikanische Produktionsfirma, die hinter dem Monsterverse made in USA steht. „Godzilla vs. Kong“ wurde während der Pandemie mit einer Mischung aus Streaming und eingeschränktem Kinoeinsatz zum globalen Phänomen. Weil der Film, inszeniert von Adam Wingard, voll abliefert: Sensationelle Monsterfights durchziehen das Effektspektakel, vom Anfang bis zum Showdown vor urbaner Neon-Kulisse.

Ohne Worldbuilding geht nichts mehr

Der Horrorprofi Wingard holte mit den Schauwerten sowohl die Oldschool-Godzilla-Community wie auch das Multiplex-Laufpublikum ab. Die überaus bizarre Story, rund um ein Monster-Rückzugsgebiet im Inneren der Erde, kokettierte charmant mit bizarren Kaiju-Klassikern aus der Vergangenheit.

Dass hier, auf den mittlerweile eher unsäglich gewordenen Spuren der Multiversums-Maschinerie Marvel, schon wieder eine hermetisch geschlossene Welt geschaffen wurde, ist natürlich eine andere Sache. Ohne pingeliges Worldbuilding geht anscheinend nichts mehr im Bereich der Unterhaltungsmedien. Durch den Flirt mit überzogenen Absurditäten konnte man „Godzilla vs. Kong“ aber auch in diesem Punkt nicht böse sein.

Bild aus "Monarch: Legacy of Monsters": Godzilla reißt das Maul auf.

Apple TV+

„Monarch: Legacy of Monsters“

Eine ganz andere Facette des Monsterverse zeigt jetzt eine aktuelle Serie des Streaminganbieters Apple TV+. „Monarch: Legacy of Monsters“ bricht bewusst mit den eingangs beschriebenen Fan-Forderungen. Wir folgen einer Reihe von höchst menschelnden Charakteren auf ihrer Suche nach MUTOs - Massive Unidentified Terrestrial Organisms - letztere sind bis zur Staffelhälfte nur in Kurzauftritten zu sehen.

Von überzogenen Absurditäten zu seriösem Tonfall

In einer Kaiju-Serie statt stampfender Urzeitviecherln lieber Forscher:innen, Armeeleute, strauchelnde Familienmitglieder in den Mittelpunkt zu stellen, darf als gewagtes Konzept bezeichnet werden. Die enormen Kosten für halbwegs glaubwürdige Monsteranimationen dürften dabei keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Egal, die Idee, ein bisschen Mysteryflair à la „Lost“ mit sparsam eingesetzter creature action zu verbinden, sie funktioniert ziemlich gut. Über weite Strecken zumindest.

Auch der Tonfall unterscheidet sich von den letzten comichaften Kinoblockbustern mit Godzilla, Kong & Co.: Die „Monarch“-Serie, betitelt nach der geheimen, staatlichen Untergrundorganisation, wirkt zumindest anfänglich fast seriös. Dabei erinnert die Stimmung in der Serie noch am ehesten an „Godzilla“, das intensive Hollywood-Comeback der Riesenechse anno 2014, damals dem Monstergeek Gareth Edwards zu verdanken.

Tatsächlich ist der Hauptteil der Story ein Jahr nach den katastrophalen Verwüstungen angesiedelt, die der G-Day in San Francisco hinterlassen hat. Cate (Anna Sawai), die Enkelin von Monarch-Expeditionsleiter Bill Randa (John Goodman in „Kong: Skull Island“), hat die Attacke auf die Stadt knapp überlebt. Traumatisiert kehrt sie nach Japan zurück, um ihre Mutter zu treffen.

Digitale Riesensaurier vom Hochleistungscomputer

Mit der Godzilla-Metropole Tokio ändert sich auch der Stil etwas, die „Monarch“-Macher:innen orientieren sich da eindeutig an poppigen japanischen Film- und Serienvorbildern. Aber noch weitere Handlungsstränge kollidieren in dem Plot, der zwischen den 50er Jahren und 2014 hin- und herspringt. Dabei lernen wir auch den toughen US-Ltd. Shaw kennen, der als Spezialist in Sachen Monstersuche gilt. Kurt „Die Klapperschlange“ Russell gibt etwas augenzwinkend den Militärmann, sein jüngeres Ich wird in Rückblenden von dessen Sohn Wyatt verkörpert.

Bild aus "Monarch: Legacy of Monsters": Kurt Russell

Apple TV+

Kurt Russell in „Monarch: Legacy of Monsters“

„Monarch: Legacy of Monsters“ fesselt zu Beginn, mäandert dann etwas dahin, zum Finale im Jänner erwarte ich mir dann doch einen zünftigen CGI-Monsterfight, der die Rechenkapazitäten diverser Hochleistungscomputer herausfordert.

Digital in Szene gesetzt (und zwar perfekt) ist auch der apokalyptische Riesensaurier, der in „Godzilla Minus One“ wieder einmal Japan heimsucht. Seit „Shin Gojira“ 2016 haben sich sogar die FX-Trickser in den Toho-Studios von men in suits verabschiedet, also Darstellern, die in Gummikostümen durch Modellbaukulissen trampeln. In anderer Hinsicht positionieren sich die Godzilla-Schöpfer:innen aber konträr zum Monsterverse. Die eskapistischen Kindereien, mit denen das japanische Genrekino lange Zeit begeisterte, überlässt man jetzt Hollywood. Toho bringt sein berühmtes Monster zu den düsteren Ursprüngen zurück.

"Godzilla Minus One"

Toho

„Godzilla Minus One“

Doom & Gloom in Tokio

1954 legte der radioaktive Riesensaurier erstmals die japanische Hauptstadt in Schutt und Asche. In Ishiro Hondas ikonischem Schwarzweißdrama „Gojira“ ist das gezackte Biest noch kein Wrestlingpartner anderer Monster, geschweige denn ein Kinderidol wie in späteren Kaiju-Komödien, sondern eine furchtbare Bedrohung und ein Symbol für das nationale Atombombentrauma.

An diese Mischung aus Finsternis und Melancholie schließt nun, beinahe 70 Jahre später, „Godzilla Minus One“ an. Und mit welcher visuellen Brachialität. Der Titel bezieht sich direkt auf die verheerende Befindlichkeit in Japan nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die wirtschaftliche Lage ist auf den Nullpunkt gesunken, als Godzilla wie ein Dämon aus dem Meer taucht und das Land in einen negativen Zustand stürzt.

Die Geschichte rund um einen desertierten Kamikaze-Piloten (Ryunosuke Kamiki), der in Tokio 1945 nur Ruinen und Verzweiflung vorfindet, setzt zwar auf Angst, Tränen und gewaltiges Pathos. Wieder regieren Doom & Gloom in Tokio, in martialischen Gänsehautmomenten untermalt vom berühmten Godzilla-Thema von Akira Ifukube.

"Godzilla Minus One": Godzilla beißt in einen Zugwaggon

Toho

„Godzilla Minus One“

Aber letztlich unterwandert Regisseur, Autor und Visual-Effects-Zauberer Takashi Yamazaki auf erfrischend fortschrittliche Weise die militärische Ideologie des Selbstopfers, die in unzähligen japanischen Filmen herrscht. Nicht nur US-Kollege Gareth Edwards feiert „Godzilla Minus One“ als besten Film der Franchise seit Ewigkeiten, die weltweite Kaiju-Community jubelt.

Der Schreiber dieser Zeilen kann es wiederum nicht glauben, dass ein japanischer Godzi-Film auf österreichischen Leinwänden zu sehen ist, das gab es schon ewig nicht mehr. Die „Monarch“-Abenteuer sind schon okay, aber das hier ist the real thing.

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