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3 Body Problem

Netflix

Was kann die Netflix-Serie „3 Body Problem“?

Die Netflix-Version der Trisolaris-Trilogie versucht an den Buch-Hype anzuknüpfen. Ob das gelingt, ist nach der ersten Staffel noch nicht entschieden. Wir machen einen Faktencheck mit Dr. Florian Freistetter von den Science Busters.

Von Paul Pant

Die Science-Fiction-Serie „3 Body Problem“ ist als das neue „Game of Thrones“ angekündigt worden. 20 Millionen Dollar soll jede Folge der ersten Staffel gekostet haben. Zwei GoT-Drehbuchautoren und zwei Hauptdarsteller (Liam Cunningham und John Bradley-West) sind ins Produktions-Raumschiff eingestiegen. Die ersten Reaktionen und Kritiken schwanken zwischen Jubel und Skepsis.

In den hauseigenen Streaming-Charts von Netflix ist „3 Body Problem“ jedenfalls Nummer eins. Das war zu erwarten, ist doch die Buch-Serie eine der wichtigsten und erfolgreichsten Science-Fiction Trilogien der jüngeren Zeit. Der chinesische Kult-Autor Cixin Liu hat nicht nur chinesische Science Fiction international bekannt gemacht, sondern auch dem westlich geprägten (und dominierten) Genre neues Leben mit asiatischer Philosophie eingehaucht.

Erwartungshaltung vs. TV-Realitäten

Leider kommt diese asiatisch/chinesische Perspektive in der TV-Serie in der ersten Staffel noch zu kurz. Das mag dem europäisch-amerikanischen Netflix-Publikum geschuldet sein und auch der banal klingenden Erkenntnis von Marshal McLuhan – die natürlich alles andere als banal ist – „Das Medium ist die Massage.“ Hier tatsächlich als „Massage“ und nicht als Botschaft gemeint (wie in McLuhans Buch: „The Medium is the Massage: An Inventory of Effects“). Dass jedes Medium das menschliche Sensorium unterschiedlich massiert oder beeinflusst.

Warum viele Fans der Trisolaris-Bücher die TV-Adaption trotzdem feiern, ist den Umständen geschuldet, dass der ursprünglichen Storyline gefolgt wird und versucht wird die Ideen und die Stimmung der Bücher mitzunehmen. Hat man diese gelesen, ist man natürlich voreingenommen. In vielen Kritiken zeigt sich genau an diesem Punkt eine Diskrepanz, dass Unkundige manche Plot-Twists ohne umfassenden Hintergrund hinterfragen, oder als platt empfinden. Hier schafft es also die TV-Serie noch nicht die galaktischen Hirnwindungen und Emotionen überzeugend zu massieren.

Eine gelungene Annäherung an das philosophische Ideengebäude von „3 Body Problem“ findet sich in der Kritik von Star-Trek-Experten Reinhard Prahl auf Serienjunkies.

Florian Freistetter

Franzi Schädel

Science Buster und Astronom Dr. Florian Freistetter ist nicht nur Sci-Fi-Fan, sondern auch Experte für die Bewegung von Himmelskörpern.

Was fasziniert an Trisolaris?

Ich habe mir eine zweite befangene Meinung eingeholt von Science Buster Florian Freistetter. Der deutschsprachige Astronomie-Number-One-Podcaster ist nicht nur Experte, sondern ebenfalls ein Fan der Trisolaris-Serie. In seiner Dissertation an der Universität Wien beschäftigte er sich mit den „Kollisionswahrscheinlichkeiten erdnaher Asteroiden mit Planeten des inneren Sonnensystems“.

Freistetter sagt, dass ihn die drei Bücher besonders gefallen haben, weil sie eigentlich als Überbau auch noch eine Reise durch unterschiedliche Science-Fiction-Genres machen. Das erste Buch ist stark verankert in der chinesischen Kultur und Philosophie und spielt zum großen Teil in der Vergangenheit. Der zweite Teil ist klassische Science-Fiction. Und der dritte Teil driftet gekonnt und spannend ins Space-Opera-Genre hinein.

Vorsicht Spoiler! Die Erklärungen zur Physik im Trisolaris-Universum geben Hinweise zu Plot-Twists aus der TV-Serie und den Büchern.

Faktencheck mit Florian Freistetter

Florian Freistetter faszinieren die Ideen mit denen Cixin Liu aus Wissenschaft die fantastische Fiction in seinen Büchern entwickelt. Diese Träumereien, die auf echten Fakten basieren, habe ich mit Florian Freisetter auseinander genommen. In geraffter Form hier ein paar Antworten:

Was ist das Drei-Körper-Problem?

Als Dreikörperproblem bezeichnet man die Unberechenbarkeit der Bewegung von drei Objekten, die sich jeweils gegenseitig durch ihre gravitative Anziehung beeinflussen. Das kann jeder Himmelskörper sein, drei Sterne, drei Asteroiden, etc. Der französische Mathematiker Henri Poincaré hat Ende des 19. Jahrhundert bewiesen, dass es keine mathematische Lösung für dieses Problem gibt.

3 Body Problem

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Gibt es einen bekannten Planeten, der sich um oder zwischen drei Sonnen bewegt?

Die Trisolaris-Serie spielt im nächstgelegenen Sternensystem Alpha Centauri, das 4,34 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Tatsächlich existiert dort ein hierarchisches Dreifachsternsystem. Allerdings umkreisen dort die zwei größeren Sterne einander (der gelbe Stern Alpha Centauri A und der orangefarbenen Alpha Centauri B), und diese wiederum werden vom wesentlich kleineren Roten Zwerg Proxima Centauri in großer Entfernung umkreist.

„Es ist also ein Doppelsternsystem, wo weit entfernt außen rundherum Proxima Centauri kreist.“, erklärt Florian Freistetter. Bewiesen ist mittlerweile, dass es dort Exoplaneten gibt, die stabil die Doppelsterne, als auch Proxima Centauri umkreisen. „Wenn das halbwegs räumlich getrennt, oder durch die Massebereiche getrennt ist, dann kann es da stabile Planeten geben.“, erklärt der Astronom.

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Warum ist das Drei-Körper-Problem eigentlich ein Vier-Körper-Problem?

In der Science-Fiction-Serie „3 Body Problem“ wird von Trisolaris als Heimatplanet der San-Ti gesprochen (三体人, sāntǐrén, bedeutet auf Chinesisch Drei-Körper-Menschen). Dort sorgt die Gravitation der drei Sonnen für eine chaotische Umlaufbahn des Planeten. Leben ist so nur in kurzen Perioden möglich und unvorhersehbar. In so einem Fall hätten wir es eigentlich mit einem Vierkörperproblem zu tun, wendet Florian Freistetter ein. Der englische Titel „3 Body Problem“ ist dann eigentlich die falsche Bezeichnung.

So eine Konstellation könne auch nicht sehr lange existieren, erklärt Freistetter. Denn entweder kollidiert der Planet bzw. die Sterne miteinander oder sie werden aus dem Sonnensystem hinausgeworfen. Das hieße aber nicht, dass Systeme mit mehr als zwei Körpern nicht auch für lange Zeit stabil bleiben können. Entscheidend sind die Massen der Körper.

Warum ist das Sonnensystem der Erde stabil?

In unserem Sonnensystem haben wir mindestens ein Achtkörperproblem, führt Freistetter aus: „Erde, Mond, Sonne, Jupiter, Saturn, Mars, usw. haben alle eine Gravitationskraft, alle beeinflussen sich gegenseitig.“ Theoretisch wäre das Problem die Bewegung vorherzusagen nicht lösbar, wenn alle gleich groß wären. Der entscheidende Unterschied und große Vorteil in unserem Sonnensystem sei jedoch, dass die Sonne so viel mehr Masse hat als alle anderen Himmelskörper.

Die Sonne dominiert das System, beeinflusst zwar die Erde, aber die Erde quasi nicht die Sonne. So bleibt die Umlaufbahn stabil. Das nennt sich dann eingeschränktes Dreikörperproblem und dafür gibt es auch mathematische Lösungen zum Berechnen.

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Kann die Sonne als Superantenne genutzt werden?

In der Trisolaris-Serie wird ein Radiosignal auf einem bestimmten Punkt auf der Sonne gesendet, und von dort vielfach verstärkt nach Alpha Centauri geschickt. So erfahren die Aliens von der Existenz der Erde. Florian Freistetter meint auch hier stecke wieder echte Science in der Fantasie des Autors drinnen, obwohl es so nicht funktionieren kann.

Wenn man den Gedanken aber aufgreift und sich überlegt, wie so was vielleicht doch funktionieren könnte, müsse man das Problem anders lösen, erklärt Freistetter: „Die Sonne selbst als Verstärker von Radiowellen würde nicht funktionieren, aber die Sonne mit ihrer Masse krümmt den Raum, das hat uns Albert Einstein gezeigt.“ Jede elektromagnetische Welle folgt bei ihrer Bewegung dieser Krümmung des Raumes. Das bedeutet, es gibt einen Punkt, der ist ungefähr 550 Mal weiter entfernt von der Sonne, als die Erde, wo sozusagen der Fokuspunkt der Sonnenlinse liegt.

Signalverstärkung durch Raumkrümmung?

Florian Freistetter sagt, es gibt Ideen genau an diesem Punkt eine große Antenne oder ein Teleskop hinzustellen. Denn: Radiowellen oder auch Lichtstrahlen, die in der Nähe der Sonne vorbeigehen, werden abgelenkt und weit weg von der überstrahlenden Sonne fokussiert. „Dann könnten wir Radiosignale von der Erde schicken in Richtung Sonne, die werden von der Sonne dann quasi gekrümmt, auf diesen Punkt fokussiert, 550 mal weiter weg, und kommen dann dort sehr viel stärker an, als sie dort normal angekommen wären.“

Und von dort aus könnte das Signal nochmal in Richtung Alpha Centauri weitergeleitet werden. Ob es stark genug wäre bis ins nächste Sternensystem sei aber unwahrscheinlich, sagt der Astronom. Das Problem wäre nämlich: dann müsste Alpha Centauri auch so eine Verstärkeranlage in der Umgebung ihres Sterns gebaut haben, dass sie das empfangen können. Mit heutiger Technik ist interstellare Kommunikation also nicht möglich.

Es gäbe aber Überlegungen die Raumkrümmung der Sonne für Teleskope zu nutzen, führt Freistetter weiter aus. Am erwähnten Fokuspunkt der Sonnenlinse hätte man die Möglichkeit, sehr viel schärfere Bilder von anderen Himmelskörpern zu bekommen. „Wenn wir Science Fiction-mäßig die Oberfläche von Planeten bei anderen Sternen sehen wollen, dann ginge das theoretisch mit einem Teleskop dort.“ Quasi eine riesige Lupe, die ins All hineinsieht und auf Alpha Centauri nachsehen könnte, ob irgendwo Trisolarier:innen herumlaufen.

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Was hat es mit den elf Dimensionen auf sich?

Es gibt wissenschaftliche, physikalische Hypothesen, die besagen, dass unser Universum vielleicht mehr Raumdimensionen hat, als wir wahrnehmen können. Also, dass es neben den unseren Sinnen bekannten drei Dimensionen noch viel mehr geben könnte. Zum Beispiel wenn diese Dimensionen sehr klein wären, dann könnten wir sie mit unseren normalen Sinnen übersehen. In den Trisolaris-Büchern wird diese Theorie mit einer Ameise als Stilelement erklärt. Dass Ameisen über Grabsteine laufen und dann Dinge wahrnehmen, die wir vielleicht nicht wahrnehmen können.

Als Beispiel nennt Florian Freistetter das Laufen über ein Seil. Wir können auf dem Seil vor und nach hinten laufen. Aber wir können nicht einmal um das Seil rundherumlaufen, wie die Ameise. Wir hätten also nur zwei mögliche Bewegungen, aus Sicht der kleinen Ameise gibt es aber drei. „Wenn wir viel, viel kleiner schrumpfen könnten, kleiner als das kleinste vorstellbare Teilchen, dann würden vielleicht plötzlich neue Richtungen auftauchen.“

Unmittelbare Kommunikation über Lichtjahre hinweg?

Der Stern Alpha Centauri ist mehr als vier Lichtjahre von der Erde weit weg. Das heißt, jedes Radio- oder auch Lichtsignal bräuchte mehr als vier Jahre bis es dort wäre. Es gibt nichts im Universum, dass sich schneller ausbreiten kann als das Licht.

Der österreichische Physiker und Nobelpreisträger Anton Zeilinger hätte allerdings eine andere Möglichkeit im theoretischen Rahmen anzubieten: die Quantenverschränkung. Das heißt, dass ein quanten-mechanisches Objekt mit einem anderen verbunden wird. Vereinfacht besagt das Konzept, dass „die Eigenschaften eines Teilchens nicht mehr unabhängig von dem anderen Teilchen existieren können“, erklärt Freistetter. Wenn sich bei dem einem Teilchen etwas verändert, hat das zwingend Auswirkungen auf das andere Teilchen. Mit der Quantenverschränkung wäre es also zumindest theoretisch möglich über große Distanzen Informationen auszutauschen.

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