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kin dread

Nikolaus Ratay

soundpark jahresrückblick 2023

Die beste Musik des Jahres aus Österreich

Die FM4 Soundpark-Redaktion hat 2023 Revue passieren lassen. Was waren die großen Highlights der vergangenen Saison?

Es ist immer ein schöner Moment, wenn sich im Dezember die gesamte Soundpark-Redaktion in ein Studio quetscht, um zu besprechen, was in der heimischen Szene in den letzten Monaten so passiert ist. Die Resultate unseres diesjährigen Treffens (und unsere 70-80 liebsten Songs) hört ihr am Sonntag ab 1 Uhr im Radio. Hier gibt es noch ein paar Worte von unseren Moderator:innen:

Melissa Erhardt

„I think I’m gonna fuck it up in a minute“: Das war vielleicht die beste Songzeile aus dem österreichischen Musikjahr 2023. Für kin dread - Sakura, Anthea & Farce - aus deren Feder diese Worte stammen, hat sie sich aber alles andere als bestätigt. Wir haben eh alle gewusst, dass das gut wird, wenn sich diese drei Menschen zusammentun. Aber so gut? Uff. Noch so ein Dreiergespann, das 2023 seine Spuren hinterlassen hat: Wandl, Kevin Cool und AARON. Das ist frisch, neu und tut gut, was die drei Wiener da machen, immer irgendwie greifbar unter dem R’n’B-Schirm. AARON generell ein Name, den man sich merken kann für 2024. Seine EP „Liebe Lügen“, produziert von Wandl, war eine erste Kostprobe: Kleine Häppchen, die zeigen, welches Gespür, welche Sensibilität die beiden für ästhetische Soundcollagen haben.

Apropos Sensibilität: Die hatte auch der Grazer Musiker Suluka, als er an seinem im Sommer veröffentlichten Debütalbum „313“ geschrieben hat; die wahrscheinlich ehrlichste und wärmste Selbst- und Außenreflexion, die wir 2023 bekommen haben. Selfcare für die Seele einfach.
Und dann sind da noch die, die dieses Jahr sowieso geowned haben: Bex zum Beispiel, die heuer für die mit Abstand schwitzendsten Körper gesorgt hat (Auge, Vestibül); Bibiza, der die „Wiener Schickeria“ basically als neue Kulturepoche etabliert hat; oder Verifiziert, die auf der Frequency-Bühne nicht nur ihr eigenes kleines Festival kuratiert hat, sondern uns auch durchgehend mit der richtigen Portion nostalgischem Y2K-Flair versorgt hat. The list goes on and on, ihr wisst, wie es ist.

Clemens Fantur

Das eigentlich wirklich Schöne an der österreichischen Musiklandschaft ist, dass hier so ziemlich ohne großen Neid und Missgunst agiert wird. Fast das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein: man freut sich für den Erfolg der anderen. Denn alle wissen: wenn man es hierzulande schafft, dann schafft man es überall. In Österreich wird - sehr untypisch österreichisch - kooperiert, supportet, gefeatured, mitproduziert, es werden Kollektive und Labels gegründet, Bands tauschen, teilen, sharen Bandmitglieder, Supergroups entstehen. kin dread, My Ugly Clementine, Swift Circle und so weiter und so fort. Das ist schön zu sehen.

Für ein paar unserer Freund:innen, die wir jetzt schon ein bisschen länger begleiten dürfen, hat sich dieses Jahr der wohlverdiente Erfolg eingestellt. Der gute Bibiza geht zum Beispiel gerade durch die Decke. Und zwar richtig. Da werden große Hallen und Tourneen ausverkauft. Und das nicht nur in Österreich. So soll das sein. „Schick mit Scheck“ ist aber auch der Wahnsinn. Und auch live weiß Bibiza genau, was er tut. Das können nicht viele. Vielleicht noch die Maschine namens Salò, der ist live auch eine Macht. Genauso wie Sharktank, die Anfang des Jahrs ihr zweites Album „Acting Funny“ veröffentlicht haben, und deren Rapper Mile kann anscheinend auch nicht stillsitzen.

Das Schöne an unserer Arbeit hier bei FM4 ist, dass wir neue Musik entdecken dürfen. Und man mag’s ja gar nicht mehr für möglich halten, aber irgendwann waren Der Nino aus Wien, der Voodoo, Soap&Skin, Bilderbuch, Wanda und wie sie alle heißen auch einmal Newcomer. Unsere Aufgabe ist es, nach genau diesen Bands zu suchen. Nicht wenige haben bei uns die ersten Interviews gegeben, sind mit uns mitgewachsen. Klar, nicht alle werden zu Bilderbuch, aber das muss auch nicht sein.
Ich muss zugeben, ich kenne nicht alle Bands, Musikerinnen und Musiker, die meine Kolleginnen und Kollegen in ihrer Best-of-2023-Liste haben. Und ganz ehrlich, ich finde das extrem gut so. Denn es zeigt, wie viel sich da draußen tut, bewegt und regt. Und es gibt nichts ja Geileres, als etwas Neues zu entdecken. Dem Neuentdeckten dann etwas Rückenwind geben zu können ist schönes Gefühl. Bei mir war es heuer eine Band namens Peru Tantan 1. Und ganz ehrlich: ich habe keine Ahnung mehr, wie ich auf die Band gestoßen bin.

“Danke Marco” heißt ihre EP. Und das ist cute. Denn wer mit Marco gemeint sein kann ist klar, nämlich Wiens Super-Pruducer Marco Kleebauer. Peru Tantan 1 haben in ihrem Interview erzählt, dass ihr Song auf einem Beat beruht, den Marco Kleebauer als Sample-Pack auf seiner Seite anbietet. Aber auch ohne dieses nette Detail ist der Song Ruderboot und der Rest der EP von Peru Tantan 1 wirklich fantastisch gelungen. Musikalisch wie lyrisch. Über 100 weitere Songs sollen bereits geschrieben sein.

Und hier noch tolle Songs aus 2023:

Antonia XM - boys like u
Kevin Cool x AARØN x Lex Lugner - Engel
Spilif - irgendetwas das du liebst
Endless Wellness - Hand im Gesicht
MOLLY - Ballerina

2024 and beyond können kommen. FM4 steht bereit.

Andreas Gstettner-Brugger

Den Überblick zu behalten in so einem österreichischen Musikjahr ist eine Herausforderung. Viele Phänomene, Erfolge von etablierten Künstler:innen und up-and-coming Stars finden sich in all den Listen und Texten hier und auf anderen musikjournalistischen Plattformen wieder, manchmal doppelt oder dreifach. Daraus lassen sich Trends und Hypes ableiten.

Supergroups haben dieses Jahr mit dem Debüt „Chapter 1: Growth“ von Bon Jour noch einmal einen Boost erlebt. Musiker:innen von The Makemakes, Mynth, Siamese Elephants, Good Wilson und Amelie Tobien zusammen in einem ego-befreiten Projekt, das schmerzliche und euphorische Lebenserfahrungen in flockig-leichte Soul-Pop-Songs verpackt. Und die schon erwähnten My Ugly Clementine haben uns im Sommer mit ihrem Album „The Good Life“ nähergebracht, was zu einem erfüllten Leben alles dazugehört.

Aber auch auf dem Gebiet Singer/Songwriter hat es 2023 ein Highlight gegeben: Unser FM4 Award Gewinner Oskar Haag hat nach seinem steilen Karriere-Anfang sein Debüt „Teenage Lullabies“ veröffentlicht.

Abseits der virtuellen und journalistischen Echokammer, in der sich eben Trends und Hypes verstärken, hat auch dieses Jahr wunderschöne Werke und Songs hervorgebracht. Mein Favorit: Baswod alias Dominik Linder, der Villacher Singer/Songwriter, der seit einigen Jahren in Hamburg lebt. Er hat nach knapp drei Jahren harter Arbeit mit „Forever Now“ ein Album veröffentlicht, das im Plattenregal gut zwischen internationalen Größen wie Novo Amor, Foreign Fields und Bon Iver stehen kann.

Wild durch die Genres surfend haben wir zu dem Latin-Feelgood-Indie-Pop von David Arcos getanzt, mit Neon Neet und den elektronischen Beats ihres Debüts „post-human“ über Menschlichkeit reflektiert, magische Momente mit Mynths Werk „Four“ erlebt und sind mit meinem Kollegen Florian Wörgötter alias Gashtla und seinem Album „Dive Mode“ in die Tiefe seiner HipHop-Psyche hinabgetaucht. Im Herbst hat Sängerin und Künstlerin R O N I A ihr experimentelles, reduziertes und beeindruckendes zweites Album „String Along“ veröffentlicht und Hans Wagner verabschiedet seine Band Neuschnee (Streicherquartett und Franz Schubert meets Nirvana, so die Grundidee des Projekts) mit dem letzten Album „Der Lärm der Welt“. Es waren viele dieser Blitzlichter österreichischer Musik, die das Jahr bunt und schön gemacht haben. Und 2024 werden sicher wieder viele folgen.

Michaela Pichler

Gute Namen sind in diesem Text schon vorgekommen, gute Musik-und-Gedanken-Teilen-Projekte wie kin dread zum Beispiel. Heuer haben aber nicht nur Kollektive von sich reden gemacht; vor allem auch neue Einzelgängerinnen sind da aufgefallen, mit jungen Ideen und frischem Songwriting. Uche Yara wäre da so ein Name, der eh schon seit letztem Jahr durch die Reihen geht, in internationalen Spotify-Bestenlisten aufscheint und natürlich im Soundpark schon länger gefeiert wird. Mit ihrem Auftritt auf der Seebühne am Wiener Popfest hat sie sich dem ihr vorauseilenden Ruf auch noch ein kleines Denkmal gesetzt und heuer endlich auch zwei offizielle Songs releast. Auf denen skizziert sie ausgezeichnet, wie man 2023 Songs denken kann, wie man Stimmen singen, verzerren, verbiegen kann. In eine ähnliche Musik-Kerbe schlägt auch Viji. Die österreichisch-brasilianische Musikerin lebt in London, vielleicht hört man das sogar ein bisschen in ihrem Sound. Man denke da an Nilüfer Yanya oder beabadoobee, wenn sie gruslig wäre.

Und fürs Auge gibt es hier zum Abschluss noch das beste Musikvideo aus Österreich, das verdanken wir auch einer Newcomerin, die man sich schleunigst wo aufschreiben sollte: Filly hat eine Early-2000s-inspirierte Hymne an das Cowgirl geschrieben. Haben wir das heuer gebraucht? Ja! <3

Alexandra Rodriguez

Das Jahr 2023 war ein Jahr der Konzerte: Überfüllte kleine Venues in Fortgehzonen, bummvolle Wiesen und Ackerflächen vor Festivalbühnen, intime Musikmomente in intimen Musiklocations.

Die schönsten Musikmomente des Jahres waren für mich Konzerte, bei denen Musiker:innen und Crowd verschmolzen sind. Das war zum Beispiel beim Fuzzstock Festival der Fall, wo eine Band spontan eingesprungen ist: Die Band heißt Hase und hat dann komplett das Bierzelt abgerissen. Es war ihr erst sechstes Konzert überhaupt. Das Konzert fühlte sich an, als dürfe man grad bei was ganz besonderem Großen und Neuen dabei sein. Ihr 30-sekündiger Song alle meine entchen (demo) wurde danach mein Sommersong des Jahres. (Beste Zweckentfremdung von Kinderliednamen, meiner Meinung nach.)

Ein weiterer Act, der beim Fuzzstock Festival ebenso das Publikum eingenommen hat, war die sympathischste Band Wiens: Culk. Ihr Konzert vor buntem Wetterleuchten in der sommerlich späten Dämmerung hat mehrere Zeigefinger gen Himmel zeigen lassen – melancholische Köpfe in den Wolken, literally und von der Stimmung her.

Im Jahr 2023 sind auch viele gute Alben erschienen: zum Beispiel „Generation Maximum“ von der schon genannten Band Culk auf Siluh Records. Die Release-Liste von Siluh Records dieses Jahr kann sich generell sehen lassen. Zum Beispiel gibt’s da auch das neue Album „Lightning Trails“ der Band Laundromat Chicks. Die haben nach dem Release ihres Debutalbums letztes Jahr heuer das gefürchtete zweite Album einfach nonchalant nachgeliefert: „Lightning Trails“ präsentiert die Band diesmal von einer dreamy Seite mit sanften Gitarrenparts, zweistimmigen Chorussen und nostalgisch anmutenden Songs wie einem Beach-Boys-Cover: Big Sur ist einer meiner liebsten Tracks auf dem Album.

Neben dem Release der Laundromat Chicks finden sich aber auch noch andere Releases auf Siluh Records. Empfehlungen gibt’s da auf jeden Fall für Bad Weed, Euroteuro und Liz Metta. Aber Siluh ist nicht das einzige Label, auf das man sich im heimischen Musik-Untergrund verlassen kann: Auch das einst-Grazer-jetzt-Wiener Label Numavi hat dieses Jahr wieder ein paar Banger geliefert, wie zum Beispiel das neue selftitled Album von Land of OOO oder das Album „Age of Angst“ der Band Laut Fragen.

Ein Label, das es schafft, die Sparte der Wiener Musikszene einzufangen, die sich einerseits am Wiener Gürtel, andererseits in der Angewandten und an der Akademie der Bildenden Künste tummelt, ist Tender Matter von Tony Wagner (aka Tony Renaissance) und Melissa Antunes de Menezes. Dieses Jahr ist auf dem Label Hyeji Nams Debutalbum „miracles“ erschienen, das sich irgendwo zwischen atmosphärischen Sounds, klassischen Klängen und zarten Gesängen ansiedelt. Ein wundersamer Ausflug in Soundscapes von Art Performance. Besondere Empfehlung: Der Track Morning 765.

Die österreichische Musikszene wächst mit jedem Jahr und mit jedem Jahr kommen neue Acts und neue Fans hinzu - egal ob eher nischigere Bands oder größere Produktionen (hier schnell noch meine drei Lieblingshits des Jahres von Pauls Jets, Sofie Royer und Rahel). Ich freue mich auf jeden Fall schon auf ein von Musik und Konzerten erfülltes Jahr 2024.

Lisa Schneider

Listen schreiben und nochmal Listen schreiben, und schon wieder kommt keine Jahresend-Highlights-Geschichte ohne den Namen Veronika König aus, es ist ein Stehsatz, copy-paste. Gemeinsam mit Anthea und Sakura hat Veronika aka Farce die neue kleine große Band kin dread gegründet, und „fuck it up (in a minute)“ ist nichts weniger als ein Liebes- aber vielmehr noch ein Lebenslied. So klingt Pop im Jahr 2023 - schon wieder ein Stehsatz, schon wieder wahr.

Ein gutes Jahr zum Verliebtsein in die Musik und dann auch drüber nachdenken, wer passend dazu Lieder schreibt: er heißt Apollo Sissi und ist dabei, etwaige Gedankenbarrieren zwischen HipHop und sanfter Popmusik niederzuschmelzen, „Lost“ ist nämlich auch ein Lied aus der Kategorie „entzückend“. Und weil Übergänge super sind, landen wir da auch schon bei Resi Reiner und ihrem ersten, im Frühling veröffentlichten Album, „In der U-Bahn schreit ein Typ „Du Arschloch“ / bin da ich gemeint“, und eigentlich ist das die einzig wahre Art, den ersten eigenen Langspieler zu eröffnen. Resi bleibt bescheiden und beschreibt ihr 2023 als „Durchbruch für Arme“, und das ist der einzige Satz in diesem Absatz, der nicht stimmt.

Bleiben wir da noch kurz bei den Jahresalben aus Österreich: da müssen wir „Generation Maximum“ von CULK, „Wiener Schickeria“ von Bibiza und „Ein fragiles System“ von Bipolar Feminin dazuschreiben, und Vorfreude ist super, weil ein großes Album des kommenden Jahres 2024 dürfte auch schon feststehen: im Februar erscheint „Don’t play with the rich kids“ von Ja, Panik und die erste Single („DREAM 12059“), veröffentlicht eben schon heuer, ist ein In-die-Hände-Klatschen, weil endlich wieder kluge Gitarrensuperlative. Das haben auch Bilderbuch erschnuppert, also eh wie immer, und ihren schönsten schwarzen bodenlangen Shoegaze-Mantel ausgepackt. Knick-knackiges Musikbett und schon wieder mehr als viele andere nach vorn gedacht.

Und ganz vorn, da sind die Newcomer:innen: die erwähnten kin dread sitzen in der ersten Reihe und gleich daneben Anda Morts (er hat uns den sanften Punk zurückgebracht!) und Beaks, weil Understatement ist das neue Cool. Und wie geht das am Schluss? Beste Zeilen zitieren, diesmal geborgt von der Gruppe WYD, die ihr Lied „Schneeball“ zwischen sanftem Winter-Rave und der Zärtlichkeits-Superoffensive angelegt hat. Für immer also gilt: „Lieb‘ mich einfach so lang wie du willst.“

Stefan Trischler

Wenn man das Glück hat, Musiker:innen schon von relativ frühen Stationen ihrer Karriere an zu begleiten, freut man sich über deren Erfolge dann auch umso mehr: weil man genau weiß, wie viele Jahre oder gar Jahrzehnte lang sie schon ihre Kunst und ihr Handwerk schärfen. Weil man auch die gefahrenen Kilometer und die in diesen Aufbau geflossene Energie einschätzen und sich gut vorstellen kann, wie viele Rückschläge und Enttäuschungen schon im Rückspiegel zu sehen sind. Und dann steht man im Oktober in der großen Arena-Halle und sieht dem Monobrother bei seiner Albumpräsentation zu. Nicht nur, dass der Raum voll ist und die letzte Platte noch in der kleinen Halle gegenüber gefeiert wurde. Noch besser: diese vielen Menschen sind sehr textsicher und rappen oder grölen bei den Songs vom neuen Meisterwerk des Wiener Rappers genau die richtigen Textzeilen mit: „Warum redn olle Englisch, es san eigentlich nur Oberösterreicher do!“

Dieses Jahr auch noch bemerkenswert: Die klaren Worte und Missbrauchsvorwürfe von Kitana in Richtung Yung Hurn, die Debut-EP von Donna Savage, stimmungsvolle Beats von Urbs oder Wetter etc. - und „unser“ salute ist in England für den prestigeträchtigen MOBO Award nominiert, und zwar in sehr guter Gesellschaft!

In diesem Sinne: Auf noch mehr Wins und Erfolgsmeldungen im Jahr 2024!

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