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LEBERG

OG Keemo - der Chartstürmer ohne Hit-Ambitionen

OG Keemo hat sich mit seinem Anfang Jänner veröffentlichten Mixtape „Fieber“ den Spaß am Rap zurückgeholt und ist jetzt damit auf Platz 1 der deutschen Albumcharts gelandet. Raue Punchlines und Beats ohne kommerzielle Anbiederung.

Von Alex „DJ Phekt“ Hertel

Es gibt heute gefühlt fast so viele deutschsprachige Rapper wie staubige Schallplatten, die in Second Hand-Läden auf neue Kundschaft warten. Wöchentlich werden wesentlich mehr neue Singles ins Netz geladen als man als Hörer:in konsumieren kann. Alle wollen erfolgreich sein, Geld verdienen und ihr Hobby zum Beruf machen. Nur wenigen gelingt das tatsächlich. OG Keemo hat es geschafft.

Spätestens Ende 2019 waren sich alle Rap-Auskenner einig: dieser Typ aus Mannheim und sein Produzent Funkvater Frank sind etwas Besonderes. Düstere Beats, die wie eine zeitgemäße Version von Mobb Deep geklungen haben. Dazu intime Stories von OG Keemo über Rassismus-Erfahrungen als junger Mann mit afro-deutschem Background, Kleinkriminalität, Überlebensstrategien in der Hochhaussiedlung, Träume... eindringlich gerappt in einer Sprache und mit einer Stimme, die dem Deutsch-Rap-Genre ein neues Farbspektrum hinzugefügt hat.

2022 wurde dann alles getoppt. Mit ihrem komplexen, in bildhafter Sprache gerappten Konzeptalbum „Mann Beisst Hund“ haben OG Keemo & Funkvater Frank eines der besten deutschsprachigen Rap-Alben der letzten Jahre veröffentlicht. Ganz ohne Hit-Singles, Pop-Appeal oder künstlerischer Anbiederung ist die Platte auf Platz 3 der deutschen Albumcharts gelandet.

Zurück zu den Wurzeln

Ich erinnere mich noch gut an den Nachmittag, als ich OG Keemo & Funkvater Frank im Rahmen eines ausverkauften Konzerts im September 2022 im Wiener Flex zum Interview getroffen habe. Beide wirkten zufrieden. Und gleichzeitig sehr müde. Im ausführlichen Gespräch über die Entstehung ihres verkopften Meisterwerks waren sie sich einig, während der Produktionsphase teilweise die persönlichen Grenzen überschritten zu haben. Nichts war an „Mann Beisst Hund“ zufällig: jede Sekunde, jeder Satz, jedes Wort und jeder Soundeffekt wurden unter höchster Konzentration auf die künstlerische Waagschale gelegt. Manchmal brauchten die beiden sogar eine Pause voneinander, um wieder Motivation und Energie zu finden, um das Album abzuschließen. Der kreative Aufwand hat sich rückblickend mehr als gelohnt. Und trotzdem war schon damals bei unserem Gespräch im Flex klar, dass das nächste Projekt ganz anders entstehen würde.

OG Keemos Mixtape Cover "Fieber" (fetter Schriftzug auf schwarzem Hintergrund)

OG Keemo

Mixtape statt Album

Mit „Fieber“ haben OG Keemo und Funkvater Frank Anfang Jänner 2024 nun kein klassisches Album, sondern ein Mixtape veröffentlicht. Nicht im Sinne eines nahtlos ineinander übergehenden DJ-Mixes. Aber in der guten alten Rap-Tradition des lockeren Releases, der weniger verkopft angegangen wird als ein offizielles Album.

Das Ziel war, sich den Spaß am Rap und die unverkrampfte Lockerheit der Anfangstage wieder zurückzuholen. Einfach drauf losrappen, harte Punchlines spitten, lyrisch prahlen, den Erfolg und eigenen Status zelebrieren, nicht jedes Wort analysieren und hinterfragen.

Haufenweise lila Scheine, blaue Augen, Frauen in Luxushotels... OG Keemo zelebriert auf „Fieber“ ziemlich alle Rap-Klischees. Man nimmt ihm jede Zeile ab. Untermalt von souligen Samples, die auf modern-klingende Beats treffen. Gleich am Anfang des Albums hören wir zum Beispiel den Track „Fiesling“, der auf einem Loop von „What more can i say“ von The Notations basiert. Ein zeitlos schönes Stück von 1973, von dem sich schon Anderson Paak & Knxledge auf ihrem grandiosen Album „Yes Lawd!“ inspirieren haben lassen.

Levin Liam, RIN & PS Hitsquad

Auch wenn OG Keemo eindeutig im Zentrum von „Fieber“ steht, war es eine gute Idee, diverse Gäste auf das Mixtape zu holen. Zum Beispiel die britische PS Hitsquad beim Song „Guten Tag“.

Mit RIN ist auf „99 Grad“ ein alter Bekannter zu hören. Immerhin hat der OG Keemo vor Jahren als Support-Act auf eine große Tournee mitgenommen und ihm so dabei geholfen, die eigene Fanbase zu erweitern.

Der Kollabo-Track mit Levin Liam „Bee Gees“ schreit laut das Wort „HIT!“. Ein wunderschöner Ohrwurm mit runter gepitchtem Nina Chuba-Zitat, crazy Rap-Flows und einem zeitgeistigen Vibe, der absolut nach 2024 klingt.

Die im Vorfeld ausgekoppelte Single „Tórshaven“ ist auch so ein Song, den man gleich nochmal hören möchte. Zwischen den Zeilen findet man bei OG Keemo wie immer witzige Wortspiele, Vergleiche und Punchlines.

„Man könnte mein’n, ich klon’ Gucci Mane, wie ich Guap vermehre.
Mein Sohn kann Spanisch und sein Vater kann nicht spar’n, ich schwöre.“
(OG Keemo, „Tórshaven“)

Platz 1 der deutschen Albumcharts

„Fieber“ ist ein bewusst rohes Mixtape bei dem man keine Ambition hört, irgendwas anderes zu wollen als authentische Rap-Musik auf höchstem Level zu veröffentlichen. Das ist gelungen. Gegenwärtige Trends und Hypes wurden nicht berücksichtigt, OG Keemo & Funkvater Frank machen einfach das, worauf sie grad Bock haben. Und setzen damit offensichtlich neue Trends. Denn seit dieser Woche ist ihr Mixtape auf Platz 1 der deutschen Albumcharts gelandet. Die Vinyl-Edition musste aufgrund der hohen Nachfrage bereits mehrmals nachgepresst werden.

Wenn man das Album so hört, wie es entstanden ist - nämlich nicht verkopft, locker und ohne jedes Wort auf die Waagschale zu legen, kann man „Fieber“ von der ersten Sekunde weg feiern und genießen. OG Keemo ist einfach einer der spannendsten & authentischsten Rapper im deutschsprachigen Raum.

Bei aller Sympathie für ungeschliffene Rap-Musik konnte ich den textverarbeitenden, kritischen Teil meines Gehirns trotzdem nicht komplett ausschalten. Obwohl ich es als Rap-Hörer durchaus gewohnt bin, die ein oder andere problematische Braggadocio-Zeile bei Songs locker zu nehmen oder als „entertainment“ wie bei einem Film zu interpretieren, sind mir auf „Fieber“ letztendlich doch etwas zu viele sexistische Lines, die ich nicht einfach weglächeln möchte. Ich weiß, OG Keemo ist zu schlau, um das nicht auch mit bedacht zu haben (in einigen Zeilen auf „Fieber“ adressiert er sogar zukünftige Kritik auf ebendiese Lines). Verstehen tu ich es als Fan trotzdem nicht ganz. Vielleicht erklärt er es mir bei unserem nächsten FM4-Interview.

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