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Warum wir Community brauchen

Einsamkeit kann auf lange Sicht psychisch und physisch krank machen. In Österreich vereinsamen Menschen laut Studien zunehmend. Umso wichtiger ist es also, Zugang zu zwischenmenschlicher Connection und Gemeinschaft herzustellen.

Von Aischa Sane

Coverbild: JAAPO, eine Interessenvertretung für Women of Color unterschiedlicher Nationalitäten, Konfessionen und ohne heteronormativen Anspruch

Es ist Black History Month. Und Schwarze Geschichte ist im Wesentlichen ein Plädoyer für die Notwendigkeit von Community. Seit Beginn der Zeit sichern Menschen ihr Überleben und organisieren ihren Alltag in Gruppen oder Netzwerken. Über alle Landesgrenzen und sozialen Gegebenheiten hinweg ist das unumstritten. Ob nomadisch oder sesshaft, lebensnotwendige Aufgaben und Funktionen teilen zu können, war für das Fortbestehen der menschlichen Rasse entscheidend. Sich in einer Gemeinschaft mit anderen Menschen zu befinden - wie auch immer diese Konstellationen aussehen mögen - bedeutet, sich auf gemeinsame Ziele, Werte und Überzeugungen zu berufen. Zu verstehen und vermitteln, wo es Uneinigkeiten gibt.

„Ich finde, dass mittlerweile viele Leute sehr individualistisch sind. Aber Menschen sind eigentlich keine Alleingänger. - Biftu, Journalistin und Studentin

Während Menschen zu jedem Zeitpunkt der menschlichen Geschichte Diskriminierung, Ausgrenzung und ökonomischem Prekariat ausgesetzt waren und sind, nimmt Gemeinschaft einen besonderen Stellenwert ein. Einander Trost und Trotz leisten, sich gemeinsam widerspenstigen Lebensverhältnissen stellen, Ressourcen teilen und Solidarität leben – das funktioniert wohl nirgendwo so gut wie im Fortbestand des Kollektivs. Das ist ein Jahrhunderte altes Rezept.

Tanaka Graz

Ella Börner

Tanaka, eine Initiative der jungen, Grazer POC Community

It Takes A Village

Eine der wichtigsten Funktionen von Community: Sie ist ein Zufluchtsort. Gemeinschaft ist niemals nur ein Ort für Trauer und Trauma – sie haben dort Platz und formen soziale Dynamiken, sicher. Aber sie diktieren nicht die Agenda. Wenn Menschen sich zusammenfinden, weil sie im Alltag als Projektionsfläche herhalten müssen, dann ist Community der Ort diese Zuschreibungen abzulegen. In erster Linie als Mensch in seiner Ganzheitlichkeit gesehen und gehört zu werden. Community darf carefree sein, Spaß machen, klingen wie ein lautes Lachen. Diese Form der politisch entschärften menschlichen Interaktion bleibt in ihrer Essenz höchst politisch.

„Das Schönste an Community: Man weiß, man ist nicht allein mit den Struggles, die man vielleicht als Schwarze Person in Österreich hat.“ – Emmeraude, Aktivist und Student

Safer Spaces sind also politisch umkämpfte Orte. Sie verheißen das Reclaimen der eigenen Freude – Stichwort Black Joy – sowie ein Bestärken der Gleichzeitigkeiten, die alle Menschen in sich tragen und die allen von uns zuerkannt werden sollten. Deine Community sagt dir: Es ist okay und erwünscht, dass du laut lachst, grölst, streitest, weinst, nichts sagst oder wütend wirst. Auch wenn die Welt da draußen dir dafür keinen Platz einräumt. Das ist es, was die Beständigkeit Schwarzen Lebens auf diesem Planeten auszeichnet. Die meisten Schwarzen Menschen werden schon in eine Community geboren, die einander und sich erhält. Es ist etwas wie eine über Generationen fortgereichte Praxis, ein Erbe. Anders geht es auch gar nicht.

ADOE

Gracia Ndona

ADOE - Afrikanische Diaspora Österreich Community for People of African Descent in Austria

Gegen den Ich-Kult

Social Media gilt vielleicht als die Hochburg der schamlosen Selbstinszenierung, aber Instagram, Twitter, Discord und Co bieten auch Wege aus der Isolation und der nie enden wollenden Selbstbestätigung. Sogar, wenn geographische und soziale Rahmenbedingungen manchen den Zugang zu ihrer Community erschweren. In den Nischen des Internets gibt es sie noch: die Kollektivität. Natürlich darf nicht verkannt werden, dass dort auch ein Gefahrenpotenzial lauert, das Risiko der Radikalisierung online allumfassend ist – aber es gibt doch unzählige Kanäle, die wholesome sind und Menschen Gesellschaft bieten. Wo User Interessen teilen, connecten und sogar Kompromisse eingehen können. Das ist unglaublich wertvoll.

In Gemeinschaft - also in Community, zu sein - setzt in einem gewissen Ausmaß die Abkehr vom Kult des Individualismus voraus. Vor allem, wenn die Gemeinschaft sich von einem digitalen auf einen realen Space überträgt. Es verheißt Gutes und stiftet Sinn, sich nicht nur für sich selbst durchzuboxen. Und Community beginnt natürlich da, wo eine Art Familie ist. Hier gibt es keine andere Wahl als gegebenenfalls die Klappe zu halten, zuzuhören, die Bedürfnisse anderer zu verstehen versuchen und zu achten. Sich uneinig und trotzdem füreinander da zu sein. Wie auch immer das „Da Sein“ in der Praxis aussehen mag. Ehrlicherweise ist das ebenso ein Lernprozess. Aber gemeinsam.

“We live in an open-minded, globalised world. Jeder hat eine Meinung und das Konfliktpotenzial ist relativ hoch in Communities.“ - Khalil, Student

Und oft gelingt doch die Gemeinschaft, ohne zu allen Fragen denselben detaillierten Standpunkt entwickeln zu müssen. Vielleicht ist das eine Kunst, die wiederentdeckt und geübt gehört: Die ehrlichsten, aber auch alltäglichsten Communities können diskutieren, streiten und letztendlich doch zueinander finden. Möglicherweise gilt, die Kunst der Gemeinschaft und des Zusammenkommens ohne einen allzu perfektionistischen Anspruch zu praktizieren. Die Nachbarn doch noch mal zu grüßen, auch wenn sie letzte Woche nervig waren.

FM4 Auf Laut trägt am Dienstag, 20. Februar, ab 21 Uhr Community in dein Radio. Unsere Nummer ins Studio: 0800 226 996

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