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Patrick Münnich

Traum eines Kindes von sich selbst als junger Erwachsener

Anlässlich des 25. Geburtstags ihres Debütalbums „Moon Safari“ spielen Air derzeit eine Tour, bei der sie in ausgewählten Locations und Theatern einkehren. Vor ihrem Auftritt im Wiener Konzerthaus am Dienstag hat sich Nicolas Godin mit FM4 getroffen und über die Entstehungsgeschichte des Debütalbums „Moon Safari“ und die Besonderheiten der aktuellen Tour gesprochen.

Von Natalie Brunner

„Moon Safari“ bezeichnet Nicolas Godin als den retrofuturistischen Traum eines Kindes, das sich in seinem Kinderzimmer in den späten 70er Jahren ausmalt, wie im Jahr 2000 alle Probleme der Menschheit gelöst sein werden, und wir in von Luft und Liebe betriebenen Raketen zum Mond fliegen und uns die Erde von oben ansehen, einfach, weil es so schön ist.

In diesem Album, diesem Traum eines Kindes von sich selbst als junger Erwachsener, vertont liegt eine Fragilität, die nicht einfach live umzusetzen ist. Deshalb haben Air, wie sie sagen, erst jetzt, nach 25 Jahren, beschlossen das Album zur Gänze zu spielen.

Das Gespräch auf sound.ORF.at im FM4 Interview Podcast

Radio FM4: Willkommen in Wien. Ich hoffe, dir gefällt es hier, hast du schon den Konzertsaal gesehen?

Nicolas Godin: Wien ist eine meiner Lieblingsstädte in Europa. Ich war im Oktober hier und hatte eine tolle Zeit. Es gibt viele Orte, die ich in Wien immer wieder besuche, gestern war ich in der Stadt unterwegs und ich war hier, um ein klassisches Konzerte zu sehen. Also kenne ich den Ort, an dem wir heute spielen. Ich kann es kaum erwarten, auf der Bühne zu stehen und aufzutreten. Es ist mir eine große Ehre, hier zu spielen.

Radio FM4: Was sind deine Lieblingsorte in Wien?

Nicolas Godin: Ich liebe die ganze Stadt, ich mag ihre spezifische Urbanität und ich liebe all diese kleinen Straßen und Gassen. Es ist sehr charmant und typisch, aber was ich in Österreich am meisten schätze, ist die Natur, das ist es, was ich wirklich in meinem Leben im Moment brauche. Ich möchte mehr in Kontakt mit der Natur sein, und ich bin weniger und weniger ein Stadtmensch.

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Air alias Jean-Benoît Dunckel und Nicolas Godin wurden bei ihrem Auftritt im Wiener Konzerthaus von dem Schlagzeuger Brian Reitzell begleitet. Es war ein Sitzkonzert, die Band ganz in Weiß gekleidet, Akzente wurden durch die Bühnenbeleuchtung und den über die Bühne fließenden Nebel gesetzt.

Radio FM4: Das Album „Moon Safari“ hat eine gewisse Zärtlichkeit, eine gewisse Fragilität. Ich denke, es ist eine sehr delikate Operation, das Album als Ganzes aufzuführen. Also würde ich gerne wissen, wie ihr diese Aufgabe angegangen seid.

Nicolas Godin: Es war sehr kompliziert, weil, wenn man auf so einer feinen Linie balanciert, ist es sehr schwer, das Gleichgewicht zu finden. Besonders wenn man live spielt, dann ist diese Zärtlichkeit sehr schwer zu halten, weil, wenn man live spielt, wird alles dick und groß und das passt nicht zu „Moon Safari“. Es ist, wie wenn man gewohnt ist, Haute Couture zu tragen und plötzlich zu Jeans wechselt, das ist nicht leicht.

Radio FM4: Das Album „Moon Safari“, führt uns, wie der Name schon sagt, auf eine Reise. Es ist auch die Schaffung einer Klangwelt. Ich denke, in den letzten 25 Jahren hat sich nicht nur meine Vorstellung von Science-Fiction, sondern die Vorstellung der ganzen Welt von Science-Fiction verändert, weil wir uns in eine Welt tiefgreifender, kultureller Dystopie verschoben haben. Die Leichtigkeit ist aus den Science-Fiction-Konzepten verschwunden. Wie siehst du „Moon Safari“ im Zusammenhang mit diesem kulturellen Wandel?

Nicolas Godin: „Moon Safari“ ist die Vision eines Kindes, das in den 1970er Jahren aufgewachsen ist. All die Werbung, die Popkultur, die Filme, die ich als Kind gesehen habe, haben mir eine optimistische Vision des Jahres 2000 verkauft, und ich dachte, dass das Jahr 2000 friedlich und positiv sein würde, und wir in Raumschiffen wären. Nichts davon ist passiert.

„Moon Safari“ ist wie eine Zeitkapsel, um sich daran zu erinnern, was die Popkultur damals war.

Nach meiner Geburt hörten die Leute auf, auf den Mond zu fliegen, nach den Sternen zu greifen, und jetzt bleiben alle zu Hause oder im Internet. Also ist das Gegenteil dieser Utopie eingetroffen, die Menschen bleiben hinter dem Bildschirm in ihren Wohnung. Wir besuchen nicht neue Welten, und diese naive und positive Vision der Zukunft wurde durch etwas sehr Angstvolles und sehr Dunkles ersetzt. So ist „Moon Safari“ wie eine Zeitkapsel, um sich daran zu erinnern, was die Popkultur damals war. Moon Safari ist retrofuturistisch. Es ist die Vision der Vergangenheit, wie die Zukunft in der Vergangenheit war.

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Radio FM4: Was waren die Filme, die Comics, die Geräusche, die Sie als Kind beeinflusst haben? Ich bin nicht sehr der Star-Trek-Typ, aber das Geräusch des Beamens oder die Geräusche, die die Tribbles gemacht haben, das wird mir immer im Gedächtnis bleiben bleiben.

Nicolas Godin: Wir haben viele Geräusche aus Science-Fiction-Filmen und Science-Fiction-Effekte gesampelt, ich kenne nur die französischen Namen der TV-Shows. Eine hieß Cosmos 1999 mit Martin Landau. Sie rennen in Pyjamas herum und ihre Waffen sind bemalte Griffe. Es ist sehr bizarr. Es ist sehr cool. Die Musik war cool.

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Radio FM4: Wie stehen Air dazu, Musik für Filme oder Serien zu lizensieren? Also keine Musik für Filme zu schreiben, sondern Songs von „Moon Safari“ für Filme und Fernsehsendungen freizugeben, keine Kontrolle darüber haben, in welchem Kontext es gespielt wird?

Nicolas Godin: Ich denke, das ist sehr wichtig, weil ich so viele Lieder als Kind auf diese Weise entdeckt habe. Jetzt mit dem Internet ist es einfacher. Aber, als ich jünger war, war es sehr schwer, an die Information zu kommen, was das für ein Song ist. Ich erinnere mich, eines Tages bin ich ins Kino gegangen, um „Zurück in die Zukunft“ zu sehen, und da gab es einen Werbespot für eine Wollmarke. Da waren Schafe in Schottland, das Lied war „Everybody’s got to learn sometime“ von den Korgis. Und ich sagte, was ist das für ein Lied? So schön.

All diese Werbespots und all diese Filme sind wichtig, damit die Musik reisen kann.

Ich erinnere mich auch, als ich als Kind zu Hause war, gab es einen TV-Werbespot wo „Je t’aime moi non plus“ von Serge Gainsbourg zu hören war, und ich sagte, wow, das ist großartig, was ist das? Meine Mutter sagte zu mir: Oh, der Typ sieht dreckig aus. Und mein Bruder sagte: Ja, aber er schreibt tolle Melodien. Also denke ich, all diese Werbespots und all diese Filme sind wichtig, damit die Musik reisen kann.

Radio FM4: Ich war als Kind auch ein großer Fan von Fernsehwerbespots, weil es einige gab, die wie Miniaturkunstwerke waren. Es gab so viel Kreativität darin, und ich denke, das hat sich später auf Musikvideos verschoben.

Nicolas Godin: Ja, meine musikalische Sozialisation war das Fernsehen. Dann, als ich Teenager war, begann ich Platten zu kaufen, aber davor habe ich mir Trickfilme angesehen, Cowboyfilme und Fernsehsendungen wie Starsky und Hutch, ich kenne alle Grooves von Starsky und Hutch. Ich bin Generation TV, und meine Mutter hatte kein Problem damit, mich die ganze Zeit fernsehen zu lassen. Als ich begonnen habe, Musik zu machen, Musik zu studieren, war das Soundtrack-Element sehr wichtig. Ich wurde mit Filmmusik und TV-Soundtracks und TV-Show-Soundtracks aufgezogen, und das ist das, was ich in meiner Musik hören möchte, nicht Rock.

Ich bin Franzose und habe nichts mit Rock zu tun. Es war ein Fehler zu versuchen, Rock als Franzose zu imitieren. Es ist nicht unsere Natur. Auch meine englischen Freunde, wenn sie anfangen, Klavier zu spielen oder Gitarre zu spielen, das Erste, was sie tun, sie versuchen, einen Song zu machen. Ich mache das nicht, wenn ich Klavier spiele oder Gitarre spiele. Ich höre Musik und ich versuche, meinen Kopf zu leeren und zu sehen, wohin mich die Musik führt. Es geht nicht unbedingt um einen Song, es wird etwas anderes sein. Ich denke, man darf nicht in einem bestimmten Stil verharren. Ich denke, die Popkultur zwingt einen in einen bestimmten Stil. Zumindest, als ich in der Musik anfing, war das so.

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Radio FM4: „Moon Safari“ ist ein Album, auf das sich viele Menschen mit unterschiedlichen Geschmäckern und aus verschiedenen Subkulturen einigen können. Ich denke, das hängt auch mit den, wie du gerade gesagt hast, Soundtrack-Qualitäten des Albums zusammen.

Nicolas Godin: Ich habe nicht an das Publikum gedacht, als ich es gemacht habe. Ich habe an mich und mein Leben gedacht, und ich habe versucht, zurück zu meiner Jugend zu reisen. Schön, wenn das Publikum es mag. Sie waren sehr willkommen. Ich denke, man weiß nie, was den Leuten gefällt. Es ist also ein Fehler, für das Publikum zu schreiben, aber es ist schön, wenn Leute sich verbunden fühlen. Damals war das eine Überraschung für uns. Wir haben diese persönlichen Entscheidungen getroffen, dass „Moon Safari“ so klingt, wie es klingt, und es war eine Art Belohnung für uns, dass sich so viele Menschen damit verbunden fühlten.

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Air spielen am 23. Juli ein weiteres Konzert in Wien, bei den METAStadt Open Airs 2024.

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