FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Szene aus Dune - Part Two

Warner

FILM

Gedämpfte Euphorie: Gedanken zu „Dune 2“

Kann die Fortsetzung der Sci-Fi-Saga rund um einen Wüstenplaneten die hohen Erwartungen erfüllen? Zielt Regisseur Denis Villeneuve auf Fan-Service oder die breiten Massen ab? Muss man sich den Film alleine wegen der atemberaubenden Besetzung anschauen? Fragen über Fragen.

Von Christian Fuchs

fm4filmpodcast

Radio FM4

#222 FM4 Film Podcast: The Zone of Interest & Dune: Part Two

Zwei neue Filme, die unterschiedlicher nicht sein könnten stehen im Mittelpunkt dieses Episode. „Dune: Part Two“, Denis Villeneuves gigantomanisches Sequel zur Wüstenplanet-Saga, setzt auf spektakuläre Schauwerte. Jonathan Glazers ungewöhnliche Holocaust-Reflexion „The Zone of Interest“ beschränkt Schauplätze und Blickwinkel, um Verstörung zu erzeugen. Pia Reiser und Christian Fuchs finden in ihrer Besprechung doch eine Gemeinsamkeit: Die Auseinandersetzung mit Faschismus aus verschiedenen filmischen Perspektiven.

Mit Literaturverfilmungen ist das bekanntlich so eine Sache. Die Fan-Community der Bücher kommentiert äußerst kritisch jede kleine drehbuchtechnische Veränderung. Im liebsten würde Lese-Nerds ihre Roman-Favoriten eins zu eins auf die Leinwand übertragen sehen. Und da ist der Bildschirm oftmals der bessere Rahmen, weil Serien viel mehr Platz für buchgerechte Adaptionen bieten.

Film ist aber eine Kunstform, bestenfalls auch in der kommerziellen Variante, die nach eigenen Regeln funktioniert. Film basiert zwar auf Traditionen aus Theater und Literatur, emanzipierte sich aber irgendwann von diesen Einflüssen. Einige der besten Roman-Adaptionen benutzen die Vorlagen bestenfalls als vage Inspirationen.

„The Shining“, nach dem Horrorthriller von Stephen King, ist immer noch das beste Beispiel. Der Autor hasst die filmische Umsetzung bis heute. Weil er nicht anerkennen will, dass Ausnahme-Regisseur Stanley Kubrick die gruselige Pulp-Novel in ein Stück Ultrakunst für die Ewigkeit verwandelte.

Im Fall der „Dune“-Bücher des amerikanischen Science-Fiction-Titanen Frank Herbert kommt hinzu: Sowohl der erste Roman als auch die etlichen Sequels und Prequels gelten theoretisch als unverfilmbar. Zu episch sind die Erzählstränge angelegt, zu bombastisch oder auch karg wirken die Settings, die Menge der Figuren sprengt jeden filmischen Rahmen.

Szene aus Dune - Part Two

Warner

Boxoffice und brennende Palmen

Über die geplanten und tatsächlichen Verfilmungen der extrem einflussreichen Saga, die in den 1960er Jahren die Sci-Fi-Szene revolutionierte, könnte man dennoch eigene Bücher schreiben.

Alejandro Jodorowsky, einer der wenigen lebenden Menschen, die das Prädikat „Kultregisseur“ wirklich verdienen, ist an einer surrealistischen Adaption in den 70ern gescheitert. Der ebenso exzentrische David Lynch veröffentlichte 1984 seine traumwandlerische Variante, die unter schwierigsten Umständen entstand, an den Kinokassen floppte – und die der Regisseur nach eigenen Worten verdrängt hat.

2021 erfüllt Denis Villeneuve dann allerdings die Erwartungen mit einer Art ultimativen Umsetzung, die von der Kritik, dem Publikum und Hardcore-Buchfreaks gelobt und geliebt wird. Als „Dune“ in der Covid-Ära für Boxoffice-Rekorde sorgt, hat das auch mit der Gier der isolierten Zuseher:innen nach spektakulären Schauwerten zu tun. Und Villeneuve, neben seinem Kollegen Christopher Nolan der große seriöse Erneuerer des Blockbuster-Kinos, der liefert. Motive von brennenden Palmen, gigantischen Dünenlandschaften und nächtlichen Schlachten brennen sich in die Netzhaut ein. Dazu kommen fantastische Kostüme, tolle Stars und ein düsterer Abgrund unter der sonnenverbrannten Oberfläche.

Szene aus Dune - Part Two

Warner

Grünes Licht für ein Sequel

Danach beginnt, wenn man Interviews mit vielen Beteiligten glauben darf, die große Zitterpartie. Wird der Film, der Unsummen verschlungen hat, seine Produktionskosten so toppen, dass es grünes Licht für ein Sequel gibt? Das „Dune“ Team hat Glück, die Warner Company winkt eine Fortsetzung durch, die Denis Villeneuve ohnehin schon minutiös plante. Weder die Pandemie noch der Hollywood-Streik im letzten Jahr können den manischen Filmemacher aufhalten.

Komponist Hans Zimmer hat ohnehin nie aufgehört, an Musik für das „Dune“ Universum zu arbeiten, heißt es. Irgendwann nach den Feierlichkeiten rund um Teil 1 beschickt er Villeneuve bereits mit akustischen Inspirationen für die Fortsetzung. Hier ein Leitthema für diese neue Figur, dort ein dumpfes synthetisches Dröhnen, vermischt mit arabischen Instrumenten.

Hans Zimmer ist wie Denis Villeneuve ein Hardcore-Fan, kennt angeblich jede Zeile aus dem sandigen Kosmos von Frank Herbert. Der Schreiber dieser Zeilen wiederum muss gestehen: Noch nie einen Satz von dem US-Sci-Fi-Papst gelesen. Aber, siehe den Anfang, ein Film muss für sich selbst stehen. Fast ein bisschen Herzklopfen habe ich, als in der Pressevorführung die Lichter ausgehen. Villeneuve, dass ist der hochsympathische Filmsüchtige, der den Kunstanspruch in den IMAX-Saal holt.

Szene aus Dune - Part Two

Warner

Eigenwillige Dramaturgie, charismatisches Ensemble

Dann passiert etwas Seltsames. Ich musste bisher nach einem Film von Denis Villeneuve nie grübeln. Manchmal, etwa nach „Arrival“, verstaute ich verweinte Taschentücher. Dann war ich schlichtweg aufgeregt wegen der Überwältigung durch Bild und Ton, wie beim ersten Teil von „Dune“.

Bei „Dune: Part Two“ fühlte es sich ein bisschen anders an. Ich habe danach viel nachgedacht, gelesen und über die Dreharbeiten und den Originalroman recherchiert. Wahrscheinlich weil ich im Kino zuvor eher wohlwollend nickte, überwältigt im Sessel tiefer gerutscht bin ich nur bei einigen Passagen während der drei Stunden Laufzeit.

Klingt da jetzt sowas wie gedämpfte Euphorie durch oder gar ernsthafte Kritik? Ja, aber natürlich auf sehr hohem Niveau, von einem prinzipiellen Villeneuve-Verehrer vorgetragen. Es ist vor allem die eigenwillige Dramaturgie des Films, die irriert. Weil uns das vielversprechende, erweiterte und fast schon unschlagbar charismatische Ensemble von „Dune 2“ zunächst vorenthalten wird.

Etwa eine Stunde lang sind wir nur bei Paul (Timothée Chalamet), Chani (Zendaya) und deren Fremen-Clan in der Wüste, die magnetische „Euphoria“-Hauptdarstellerin bekommt endlich die Screentime, die ihr im ersten Film noch vorenthalten wurde. Eine erwartungsgemäße Liebesgeschichte entwickelt sich, während aus dem verwirrten Wuschelkopf Paul Atreides immer mehr ein Anführer im Krieg gegen die feindliche Harkonnen-Armee wird.

Szene aus Dune - Part Two

Warner

Halb-Gut gegen Diabolisch-Böse

Danach tauchen wir erst Schritt für Schritt in andere Welten ein. Und lernen die Top-Besetzung kennen. Die wirkt wirklich wie aus einem cinephilen Fiebertraum, mit Florence Pugh und Leá Seydoux sind zwei der mutigsten Darstellerinnen der Gegenwart anwesend, Christopher Walken hat etwas von einer sedierten Legende, aber das reicht völlig, Austin Butler mutiert von Elvis zum außerirdischen Fascho-Psychopathen (und reißt damit Teile des Films an sich).

Und das sind nur die Neuzugänge, auch Rebecca Ferguson, Josh Brolin oder Stellan Skarsgard haben Gänsehaut-Auftritte. Timothée Chalamet bekommt die Gelegenheit das Finstere („Bones and All“) und Putzige („Wonka“) aus seinen Vorgängerstreifen zu einer zwiespältigen Führerfigur zu verbinden. Jeder Grauton verblasst aber gegen die halbstündige Visite im Harkonnen-Reich. In kontrastvollem Schwarzweiß zeigt uns Denis Villeneuve ein totalitäres Glatzen-Imperium in Lack und Leder. Bei dem kanadischen Regie-Humanisten scheint diese Ästhetik jedenfalls besser aufgehoben als bei deutschen Bands mit rollendem R.

Szene aus Dune - Part Two

Warner

Top-Cast also, Top-Kamera, Top-Look. Ein paar Längen muss man diesmal halt überstehen, ein paar käsige Dialoge, beides wohl der Buchvorlage geschuldet. Moderne Anspielungen auf reale Konfliktherde verschwimmen ein wenig in der flirrenden heißen Luft, esoterische und politische Momente kollidieren. Im letzten Drittel wird man dann für jeden emotionalen Stau entschädigt, da trifft Shakespeare-Schicksalshaftigkeit auf „Game-of-Thrones“ Brachialität.

„Gut gegen Böse“ schreibt ein deutscher Kritiker-Kollege auf Facebook, „am Ende hauen sich zwei Deppen aufs Maul. Das war’s.“ Ich muss ergänzen: „Halb-Gut gegen Diabolisch Böse.“ In jedem Fall hat „Star Wars“ im Vergleich etwas von einem süßen Kindermärchen.

mehr Film:

Aktuell: