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"Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes, Buchcover mit kleinem Lämmchen

Muhassad Al-Ani

Toxische Pommes jetzt auch als Buch

Sie ist Juristin, Social-Media-Star, Kabarettistin und mit dem Roman „Ein schönes Ausländerkind“ nun auch Neo-Autorin.

Von Martina Bauer

Ein Buch, schmunzelt Irina aka Toxische Pommes irgendwann im Interview, weil ich wollte mal ein unkonventionelles Medium probieren.
Seit geraumer Zeit unterhält uns die Comedian ja mit lakonisch-satirischen Netz-Videos - hat so 2022 und ’23 bei den FM4 Hörer*innen auch einmal Gold, einmal Bronze als „Influencerin des Jahres“ abgeräumt. Es gibt Irina, die ihren Nachnamen bewusst aus der Öffentlichkeit hält, zudem live auf der Kabarettbühne. Ihr Roman aber schlägt gewissermaßen neue, andere Töne an.

Der Gedanke, dass Toxische Pommes in Buchform vor allem lustig ist, scheint natürlich naheliegend, und eine ähnliche Erwartungshaltung hatte übrigens selbst die Neo-Autorin zunächst im Kopf. Bis sie beim Konzipieren gemerkt hat, dass funny weder mit dem Thema noch der Form einhergeht. Stilistisch wie auch in verschiedenen beschriebenen Szenarien bleibt im Roman eine Art Toxischer-Pommes-Style zwar erhalten, „Ein schönes Ausländerkind“ erzählt aber vor allem eine ernste, mitunter heavy Geschichte.

Buchtour Am Dienstag, den 19.3.24, ist Toxische Pommes im Literaturhaus Salzburg zu Gast, anschließend geht es nach Deutschland, auch zur Buchmesse Leipzig. Im April gibt es dann Lesungen in Klagenfurt, Innsbruck, Baden, St.Pölten, Graz und Wien, im Mai zudem in Schlierbach oder Steyr. Parallel läuft auch ihr Kabrettprogramm „Ketchup, Mayo und Ajvar“ weiter. Hier die Termine im Detail.

Verschränkungen

Die Ich-Erzählerin schildert das Ankommen, die Anfänge und ersten Jahre einer dreiköpfigen Familie in Österreich, wohin diese mit bzw. nach Ausbruch des Jugoslawienkrieges auswandert. Es geht um ganz allgemeine und bürokratische Struggles, Erfahrungen mit österreichischen Mentalitäten, ein mehr wie andererseits weniger Hineinwachsen in die neue Heimat und was all das mit der Familie macht. Verwoben mit Erzählungen und Backgroundstories des Landes, das verlassen wurde. Autofiktional ist ihr Roman, meint Toxische Pommes im Gespräch, „es sind Elemente drinnen, die natürlich stark an meine persönliche Geschichte, meine Erinnerungen angelehnt sind.“ Sie wollte ihr Material aber nur als Ausgangspunkt nehmen, um ein Portrait einer Person zu zeichnen, „die Migrationserfahrung hat und in Österreich nicht integriert ist.“ Die Geschichte einer gescheiterten Integration also.

Das passiert anhand der zentralen Vaterfigur sowie seiner Beziehung zur Tochter. Er, der nie eine Arbeitserlaubnis erhalten wird, sich in der neuen Sprache nicht zurechtfindet und gleichsam in einen Außenkontakt-armen Hausmann inklusive starker Reinigungsneigung (der Wohnung wie sich selbst) zerfällt. Sie, die Tochter wiederum, entwickelt sich schnell zur ehrgeizigen Einser-Schülerin, arbeitet gewissermaßen für zwei. Ein Verhältnis geprägt und belastet von einer Umkehr der Verantwortlichkeiten, Realitätsflucht, Hilflosigkeiten, Schuld. In Irinas Worten: zwei Extreme, nicht integriert versus überintegriert.

Nun weiß ich nicht, ob es mehr wehtut, aus seinen Wurzeln gerissen zu werden oder niemals Wurzeln geschlagen zu haben.

Mosaik

Das Thema der Zugehörigkeit, der Frage wie der Suche danach, zieht sich ebenso durch den Roman wie in verschiedenster Hinsicht Politisches. Und auch für Vorurteile bleibt, ironisch gesagt, noch genügend Platz - der Titel „Ein schönes Ausländerkind“ stimmt da ja bereits ein Timbre an. Wir lesen außerdem über (Verlust-)Ängste der Tochter oder eine vielfach abwesende, weil arbeitende Mutter.

Ein ernster Grundton eben, wie Toxische Pommes sagt, die ganz kurze Passagen bzw. Dialoge ihres Romans zweisprachig gehalten - und natürlich auch den Spaß mitgedacht hat.

"Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes, Buchcover mit kleinem Lämmchen

Zsolnay

Eine Leseprobe des Romans „Ein schönes Ausländerkind“ von Toxische Pommes, der im Zsolnay Verlag erschienen ist.

Großen Unterhaltungswert bergen etwa - nicht nur, aber auch - die in Serbien und Montenegro verbrachten Sommerferien samt Vorbereitungen, den Voreinkäufen dafür sowie dem Grenzübertritt. Ebenso ein Kosmos für sich ist die österreichische quasi Gastfamilie, bei der zu Beginn Unterkunft bezogen wird. Ob deren Nachname „Hell“, deutsch oder doch besser englisch ausgesprochen werden sollte, sei dahingestellt. Beheimatet sind die Hells übrigens in Wiener Neustadt, was den Ausgewanderten eigentlich als eine Art schönere, bessere Version von Wien vorschwebte, weil die ebenfalls migrierte Cousine übersetzt stets von „Wiener neue Stadt“ sprach.

Für Toxische Pommes war dieses Buch-Schreiben ein emotionaler Prozess, weil selbstverständlich Gefühle, Situationen von einst wieder hochgekommen sind; gleichzeitig beschreibt sie ihre Auseinandersetzung aber auch als reinigend, kathartisch. Denn, meint sie im Interview, diese Veränderung, Fiktionalisierung der eigenen Geschichte hat ihr gleichzeitig auch Kontrolle über einstige Situationen gegeben, die sie damals so nicht hatte.

PS: Der Plan wäre, dass „Ein schönes Ausländerkind“ nicht Irinas letztes Buch gewesen sein soll.

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