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Zeichen und Wunder

Believe the Hype: Eine Amazonen-Prinzessin bringt dem langweilig gewordenem Superhelden-Genre etwas von seiner ursprünglichen Faszination zurück.

Von Christian Fuchs

Joss Whedon hat es ernsthaft versucht. Viele Jahre arbeitete der spätere „Avengers“-Regisseur an einem „Wonder Woman“ Kinofilm. Ebenso vergeblich wie „Max Max“-Macher George Miller. Auch der exzentrische „Drive“-Regisseur Nicolas Winding Refn war kurz im Gespräch. All diese und andere Männer scheiteren daran, die berühmteste Superheldin aller Zeiten auf die Leinwand zu bringen.

Patty Jenkins beschäftigte sich, laut eigenen Aussagen, auch über acht Jahre mit dem Thema. Vergeblich versuchte die Filmemacherin aus der Indie-Szene („Monster") den Produzenten von Warner Brothers ihre Version von Wonder Woman“ anzupreisen. Doch letztlich hatte Jenkins schließlich Glück.

Wonder Woman

Warner

Camp-Gespür und heiliger Ernst

Als Glücksfall erweist sich die ganze Konstellation, die hinter diesem Film steht. Drehbuchautor Allan Heinberg schrieb zuvor gefeierte Comicbände über die legendäre Figur. Produzent Zack Snyder steht für die unterschätzten DC-Filmadaptionen, die auf die Dauer-Ironie der Marvel-Konkurrenz verzichten und stattdessen dunkles Pathos beschwören. Die israelische Hauptdarstellerin Gal Gadot demonstrierte ihr Charisma bereits im kontroversen Epos „Batman vs Superman: Dawn of Justice“. Mit einem relativ kurzen Auftritt, unterstützt von Hans Zimmers brachialem „Wonder Woman“ Thema, hat sie darin den beiden muskelprotzenden Titelhelden die Schau gestohlen.

Jetzt hat die vor allem in der USA ikonisch verehrte Amazonenprinzessin Diana also ihren eigenen Blockbuster. Anfang der 40er Jahre vom US-Psychologen und Comicautor William Moulton Marston erfunden, verdankt sich die Popularität von „Wonder Woman“ vor allem einer TV-Serie. In den 70ies schlüpfte Lynda Carter in das knappe Kostüm und schwang, im Geiste der trashigen Ära, das goldene Lasso.

Wonder Woman

ABC Television

Kontroversen verfolgen den Film „Wonder Woman“: Vom politischen Boykott im Libanon und Tunesien wegen der Hauptdarstellerin Gal Gadot, die zwei Jahre Wehrdienst in der israelischen Armee ableistete, bis zu Shitstorms in den USA wegen Vorstellungen, zu denen nur Frauen zugelassen wurden. Der Siegeszug des Film, der punkto Popularität in Fanumfragen auch die „Avengers“ und „Guardians Of The Galaxy“ überholt, ist aber nicht aufzuhalten. Patty Jenkins gilt seit den weltweit 198 Millionen Euro, die der Film in seiner ersten Woche einspielte, jedenfalls als erfolgreichste Regisseurin aller Zeiten.

Patty Jenkins beginnt ihren Film mit einer Rückblende in die Kindheit von „Wonder Woman“ und inszeniert die mythische Amazonen-Insel Themyscira mit großem Gespür für Camp und gleichzeitig voller heiligem Ernst. Von Klein auf zur Kriegerin trainiert, wird die junge Diana von Mutter (Connie Nielsen) und Tante (Robin Wright) streng abgeschirmt. Als ein US-Pilot mit seinem Flieger durch ein Dimensionenportal saust und im Meer abstürzt, dringt die Außenwelt in die seltsame Idylle ein.

Steve Trevor (Chris Pine) erzählt der zukünftigen Prinzessin von einem großen Krieg, der draußen die Welt zu zerstören droht. Die aufgewühlte Diana ist überzeugt, der Menschheit helfen zu können und begleitet den Soldaten auf seiner Flucht von der Insel. Die weibliche Sagenfigur wird nicht nur abrupt in die Dekadenz der Metropole London gestoßen, vor allem warten die Greuel des Ersten Weltkriegs auf die zukünftige „Wonder Woman“.

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Warner

Unschuld und Adrenalin

Was sich teils nach absurden Fantasy-Märchen anhört und teils nach Kriegsfilm, erweist sich als Melange aus gloriosem Kitsch und grimmiger Action, abgefedert von einem Humor, der den DC-Adaptionen bisher fehlte. Weniger die abgeklärten Oneliner der Marvelfilme kommen einem aber dabei in den Sinn, als die verschmitzten Witze, die untrennbar zum unvergesslichen Christopher Reeve in den „Superman“-Filmen der späten 70er gehörten.

Überhaupt, und das war für den Schreiber dieser Zeilen die schönste Überraschung bei „Wonder Woman“, steckt eine Unschuld in diesem Spektakel, die man man in Zeiten fashionabel-destruktiver Antihelden kaum mehr kennt. Speisen sich die Kräfte fast aller kostümierten Kämpfer aus Neurosen und Psychosen, ist Prinzessin Diana weder Geek noch Freak. Fast schon erschütternd unverkorkst tritt sie der Außenwelt entgegen, bis ihr Glaube an das Gute auf eine knochenharte Probe gestellt wird. Zu Gal Gadots grandioser Performance passend gibt Chris „Star Trek“ Pine als männlicher Sidekick seine köstlichste Verbeugung vor warmherzigen Schlawiner-Typen wie Captain Kirk.

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Warner

Kann dieser Film akademischer feministischer Kritik standhalten? Darf eine starke weibliche Superheldin in knapper Rüstung viel Haut zeigen? Über diese und andere Fragen soll ruhig diskutiert werden. Unumstößliche Tatsache ist jedenfalls, dass „Wonder Woman“ der beste Comicfilm seit langer Zeit geworden ist. Das langweilig gewordene Bubengenre hat einen Adrenalinstoß bekommen, durch eine Halbgöttin, die auf dem Schlachtfeld des Kriegs für die Liebe kämpft. Iron-Man, Batman & Co., von Wonder Woman könnt ihr verdammt viel lernen.

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