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The Iron Claw

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„The Iron Claw“ ist eine antike Tragödie im Wrestling-Milieu

Bei den Oscars leider übersehen, jetzt kurz in ausgewählten Programmkinos: Zac Efron brilliert in der wahren Geschichte einer amerikanischen Wrestler-Dynastie.

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#225 FM4 Filmpodcast: The Iron Claw & The Royal Hotel

Menschliche und männliche Abgründe stehen im Mittelpunkt dieser Episode. Im Thriller „The Royal Hotel“ der australischen Regisseurin Kitty Green werden zwei Rucksack-Touristinnen von betrunkenen Bargästen bedrängt. Ihr US-Kollege Sean Durkin erzählt im Sportdrama „The Iron Claw“ von einem Wrestling-Manager, der seine Söhne unerbittlich zum Sieg drillt. Pia Reiser und Christian Fuchs tauchen tief in die beiden spannenden und ambitionierten Filme ein.

Von Christian Fuchs

Gibt es sowas wie Zuviel des Guten? Aber ja. Bei den Oscars heuer waren so viele großartige Filme wie schon lange nicht mehr im Rennen. Andere, ebenso fantastische Werke, wurden dabei sträflich übersehen. Wie das Sportler-Drama „The Iron Claw“, ein Film, der im Laufe von 132 Minuten so eine emotionale Wucht entwickelt, dass ihn die Academy in früheren Jahren gefeiert hätte.

Dabei beginnt das Herzrausreißer-Stück relativ harmlos, wie eine nostalgische Verbeugung vor dem American Dream und dem plakativen Spektakel des Wrestling, in warme Farbtöne getaucht, von fetzigen Rock’n’Roll-Tunes untermalen. Der Kalender zeigt das Jahr 1979. Die amerikanische Wrestler-Szene wird von einer Familie dominiert.

Fritz von Erich, natürlich nur ein martialisch-deutsches Pseudonym für einen gebürtigen Texaner, gehörte einst zu den Profi-Wrestling-Stars. Jetzt regiert er mit seiner Firma den körperlich an die Grenzen gehenden Show-Sport. Seine vier Söhne drillt Fritz mit eisener Faust, das passt zum Trademark-Move der Von Erichs, Iron Claw genannt, mit dem die Gegner beim Kampf zu Boden gedrückt und festgehalten werden.

The Iron Claw

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Wahre Geschichte voller brutaler Schicksalsschläge

Sohn Nummer Fünf ist als Kind bei einem Unfall verstorben, der Ursprung des sogenannten Von-Erich-Fluchs. Wer, wie der Schreiber dieser Zeilen, keine Ahnung von der Wrestling-Geschichte hat, sollte die wahre Geschichte der Familie erst nach dem Film nachlesen – und sich eventuell ein Taschentuch bereitlegen.

Das Schicksal attackiert die Sportler-Dynastie jedenfalls mit einer Reihe von brutalen Schlägen, bei näherem Hinblicken ist es Vater Fritz von Erich, der den Großteil der Schuld auf seinen bulligen Schultern trägt. Rücksichtslos opfert der Geschäftsmann seine hart trainierenden Kinder auf dem Altar des Big Business. Bis „The Iron Claw“ vollends zu einer antiken Tragödie im Retro-80ies-Style wird, die einen fassungslos hinterlässt.

The Iron Claw

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Das letzte Mal, dass sich das künstlerische Kino dem Massenphänomen Wrestling näherte, liegt eine Weile zurück. Darren Aronofsky schickte 2008 einen malträtierten Mickey Rourke in den Ring. „The Wrestler“, vielleicht der beste Film des unberechenbaren Regisseurs, schockiert als Charakterstudie aus der verschwitzten US-Entertainment-Hölle. Den kontrovers diskutierten Sport nimmt Aronofsky, bei aller Kritik, dabei sehr ernst.

Sein Regiekollege Sean Durkin schließt sich diesbezüglich nahtlos an. „The Iron Claw“ zelebriert Wrestling und seine Regeln in etlichen langen Einstellungen, in denen es brachial zur Sache geht, ohne vertuschendes Schnitt-Gewitter. Trotz allem Respekt für die aufgepumpten Showmen sucht man Durchhalte-Pathos in der Tradition von „Rocky“ aber vergeblich.

The Iron Claw

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Zac Efron als muskelbepacktes Zentrum der Geschichte

Mit Filmen wie „Martha Marcy May Marlene“ und zuletzt „The Nest“ hat sich Sean Durkin einen ganz speziellen Ruf im amerikanischen Gegenwartskino erarbeitet. Der Regisseur, Autor und Produzent steht für intensive und langsam inszenierte Gesellschaftsdramen voller sozialer und persönlicher Abgründe.

Um ein paar Superlative ins Spiel zu bringen: „The Iron Claw“ erinnert etwas an den frühen Martin Scorsese, wirkt wie ein roher, realistischer New Hollywood Film. Auch an „Boogie Nights“ oder „Licorice Pizza“ von Paul Thomas Anderson muss man stellenweise denken, was die authentische Annäherung an vergangene Epochen betrifft. Jedenfalls: Wrestling goes Arthouse.

Die Besetzung ist ziemlich gigantisch. Holt McCallany, bekannt aus der beklemmenden True-Crime-Serie „Mindhunter“, verkörpert den Patriarchen Fritz Von Erich mit toxischer Energie. Jeremy Allen White (prominent durch die Serie„The Bear”), Harris Dickinson (“Triangle of Sadness”) und die fabelhafte Lily James (“Pam & Tommy“) brillieren allesamt.

The Iron Claw

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Aber ganz vorne im Ring steht das einstige Teenidol Zac Efron alias Kevin Von Erich als muskelbepacktes Zentrum der Geschichte, der Körper übermächtig, das Gesicht von Melancholie gezeichnet.

Überraschte Efron seine Fans bereits als diabolischer Serienkiller Ted Bundy („Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“) liefert der Schauspieler und Sänger nun eine atemlos machende Performance zwischen Steroid-Overkill und feinsten traurigen Nuancen. Eine Oscar-reife Leistung, aber wie gesagt, heuer war die Konkurrenz riesig. Den sehr guten Film „The Iron Claw“ sollte man sich jedoch in keinem Fall entgehen lassen.

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