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Nicht mehr weit zur Dystopie

Nach seiner erfolgreichen Känguru-Trilogie widmet sich Marc-Uwe Kling in seinem neuen Roman „Quality Land“ einer dystopischen Zukunftsvision

Von Conny Lee

Mit seinen Geschichten über das Zusammenleben mit einem kommunistischen Känguru ist Marc-Uwe Kling bekannt geworden. Die Känguru Chroniken, Das Känguru Manifest und Die Känguru Offenbarung sind als Bücher und Hörbücher erschienen und mit Preisen ausgezeichnet worden. Die Hörbücher sind dabei eine besondere Empfehlung, da der Autor durch seine Stimme dem Känguru noch mehr Ausdruck verleiht.

Zwischendurch hat Marc-Uwe Kling auch ein Kinderbuch gemacht mit dem schönen Titel Prinzessin Popelkopf (Voland & Quist)

Aber seine Fans schätzen an Marc-Uwe Kling nicht nur sein schauspielerisches Talent und seinen Humor, sondern vor allem, wie er mit der feinen (aber scharfen) Klinge Kritik übt an bestehenden Zuständen. Vor allem Turbokapitalismus und Nazis sind häufige Ziele, aber auch die Linke, den Kunst- und Kulturbetrieb sowie die Medien seziert er in seinen episodenhaften Texten.

In seinem neuen Buch Quality Land beschreibt Kling eine dystopische Zukunftsvision. Wo genau sich dieses Quality Land befindet, wird nicht ausgeführt. Doch in dieser - gefühlt nicht allzu entfernten - Zukunft ist das Leben von Digitalisierung und Kapitalismus vollständig durchdrungen. Selbst der Name von Quality Land wurde unter ökonomischen Gesichtspunkten gewählt.

Das schwarze Buchcover von Marc-Uwe Klings "Quality Land"

Ullstein Verlag

Die schwarze Versioin von Marc-Uwe Klings „Quality Land“, erschienen bei Ullstein.

"Die Unternehmensberatung beauftragte die Kreativen von Welt Weite Werbung (WWW), nicht nur einen neuen Namen für das Land zu erarbeiten, sondern auch gleich ein neues Image, neue Helden, eine neue Kultur, kurz gesagt: eine neue Country Identity. Nach einiger Zeit und noch mehr Geld, nach Vorschlägen und Gegenvorschlägen einigten sich alle Beteiligen endlich auf den heute weltbekannten Namen, der sich so vorzüglich dafür eignet, hinter einem „Made in" auf Produkten zu stehen: Quality Land.“

Science Fiction oder bereits Realität?

Vor ein paar Jahrzehnten hätte man bei Quality Land vielleicht von Science Fiction gesprochen. Jetzt muss man sagen, Kling nimmt einfach nur bereits existierende Verhältnisse und denkt sie konsequent weiter. Beziehungen in Quality Land entstehen nur mehr über die Plattform „Quality Partner“. Die Versandplattform TheShop liefert den Kunden mittels Drohnen Dinge, die sie gar nicht bestellt haben, weil der Algoritmus angeblich schon vorher weiß, was jemand wollen wird. Und die Menschen sind in Levels eingestuft, die darüber entscheiden welche Jobs sie bekommen, mit wem sie von Quality Partner gematcht werden oder als wievielter sie am Schalter bedient werden. Man kann zum Beispiel im Level aufsteigen, indem man im Fitnesscenter eincheckt und gesundes Essen bestellt. Dadurch sind die Blasen, innerhalb derer sich die Leute bewegen, noch undurchdringlicher. Aufgrund des Profils einer Person werden sämtliche Lebensbereiche personalisiert: die Werbung die sie bekommt, die Kontaktanzeigen von Quality Partner, die Produkte von TheShop. Passend bietet auch Marc-Uwe Kling sein neues Buch in personalisierter Form an: man kann es in schwarz oder weiß kaufen, und abhängig davon sind die Zwischentexte, die im Buch immer wieder auftauchen, entweder düster oder optimistisch.

Die Einwohner von Quality Land tragen als Nachnamen die Berufsbezeichnungen ihrer Eltern. Die Hauptfigur in „Quality Land“ ist z.B. Peter Arbeitsloser. Er hat ein niedriges Level und betreibt eine Schrottpresse. Im Lauf der Geschichte nimmt seine Unzufriedenheit mit dem System zu und er bricht aus den vorgegebenen Bahnen aus.

Zukunftsthemen auf der Agenda

Marc-Uwe Kling behandelt in seinem neuen Buch viele Themen, die sich seit Jahren in eine besorgniserregende Richtung entwickeln: Datenschutz, Überwachung, der Zwang zur ständigen Selbstoptimierung, aber auch ethische Fragen zu künstlicher Intelligenz. Im Roman schickt eine der großen Regierungsparteien erstmals einen Androiden in den Wahlkampf: John of Us. Er hat ein fehlerloses Gedächtnis, Zugriff auf alle sämtliche Daten und kann aufgrund seiner Programmierung nicht lügen. Mit rationalen Argumenten scheitert er allerdings in den Wahlkampfkonfrontationen gegen seinen menschlichen Gegner der anderen Großpartei, welcher allein auf emotionalisierenden Populismus setzt.

Quality Land ist eine Zuspitzung unserer bereits alltäglichen Realität, und so absurd das Leben in Quality Land geschildert wird, so nah ist es doch eigentlich am aktuellen Status Quo. Vor allem für die Fans der Känguru-Trilogie ist es am Anfang nicht leicht, sich an das Fehlen des Beuteltiers zu gewöhnen (auch wenn Kling mit diversen Referenzen und Anspielungen hier und dort die Känguru-KennerInnen beglückt). Marc-Uwe Kling wirkt in seinem dystopischen Gesellschaftsentwurf noch ein bisschen zynischer als früher, aber mindestens so intelligent und vor allem - die relevanteste Kategorie der Postmoderne - mindestens so witzig.

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