FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Dino-Rekonstruktion, davor ein Mensch

yuka HAYASHI

buch

Roarrr! Oder doch nicht? Kult-Tiere und wir

Dinosaurier faszinieren, aber menschheitsgeschichtlich kennen wir sie noch gar nicht so lange und noch lange nicht gut. Zwei Neuerscheinungen trumpfen mit Fakten und Lesevernügen rund um ausgestorbene und vom Aussterben bedrohte Tiere auf.

Von Maria Motter

Titelbild: Foto yuka HAYASHI | Oritente | CC BY 2.0

Zwischen 50 Zentimeter kleinen Tyrannosauriern in China und uns Menschen liegen 125 Millionen Jahre. Doch die Faszination hält an, nicht nur bei Jan Böhmermann und seinem Plastikdino am Schreibtisch. Zwei Bücher - „Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte“ von Elena Passarello und „Ausgestorben, um zu bleiben“ von Bernhard Kegel - erkunden die bizarre Welt von Kult-Tieren, die einen sind schon ausgestorben, die anderen stehen, wie zum Beispiel die Nashörner, kurz davor. Beide erzählen viel Neues und vor allem erklären sie einiges über das Verhältnis der Menschen zu den Tieren.

Nicht einmal das Roarrr ist belegt!

Wie auch? Aus den Funden von Knochen (nur in Glücksfällen fand man fast vollständige Skelette wie jenes des Giraffatitan brancai, zu sehen im Berliner Museum für Naturkunde) können Dinosaurier-Forschende wenig bis nichts über das Verhalten der Lebewesen ablesen und schon gar nichts über die Laute, die diese Tiere möglicherweise machten. Der Autor Bernhard Kegel räumt in seinem Sachbuch „Ausgestorben, um zu bleiben“ mit allen Klischeevorstellungen von Dinosauriern auf. Dabei klammert er die imaginierten Saurier nicht aus, sondern schließt die Kunst, die Kultur und den Kult um die vermeintlichen Giganten mit ein.

Denn nicht alle Dinosaurier waren Riesen; Maler und dann die Popkultur haben ihr Bild geprägt. Aber wo, wenn nicht bei mysteriösen, fossilen Funden, die zu keiner Anatomie einer lebenden Tierart passen, darf die Fantasie durchgehen?

Buch-Cover mit Dinosaurier

Dumont Verlag

„Ausgestorben, um zu bleiben“ von Bernhard Kegel ist 2018 im Verlag Dumont erschienen.

Die Abbildungen im Buch „Ausgestorben, um zu bleiben“ zeigen von Menschenhand erschaffene Dinos und auch die ersten Dino-Wissenschaftler wie den Briten Richard Owen, der 1841 den Begriff „Dinosaurier“ in die Welt setzte und der neben einem Saurierskelett posiert. Owen war aber kein netter Kerl, er machte einem anderen Mann das Leben schwer: dem Arzt Gideon Mantelli, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere der ersten Publikationen über Saurier schrieb und besessen war von den faszinierenden Knochenfunden. Es ging an die Existenz des Mannes.

Auch der erste Mensch, der je einen Saurier beschrieb, ein gewisser William Buckland, der die Geologie mitbegründen sollte, war ein Fall für sich. Er aß alles, was ihm über den Weg lief, tischte auch seinen Gästen alles Mögliche auf, während er sich einige Wildtiere als Haustiere hielt. „Ein Besucher schilderte, wie er, auf dem Sofa sitzend, sich und seine Füße vor einem durch die Räume stromernden Schakal in Sicherheit zu bringen versucht habe. Irgendwann habe er unverkennbare Kaugeräusche gehört.“ Die ebenfalls frei herumwuselnde Gruppe von Meerschweinchen zählte ein Mitglied weniger.

„Ausgestorben, um zu bleiben“ ist ein sehr amüsantes Panoptikum grandios skurriler Anekdoten. Fakten werden stets in Relation gesetzt: Wer weiß schon, dass 50 Zentimeter kleine Tyrannosaurier im Osten Chinas herum hüpften? Dass „Triceratops mit seinen Hörnern und dem gewaltigen Halsschild und Tyrannosaurus rex in Wirklichkeit alles andere als Welteneroberer, sondern nur lokale Größen“ waren? Und dass es zwar allerlei weitere Skelettfunde von Tieren von beeindruckender Körpergröße gab und gibt, aber diese niemals mehr Saurier werden können? Weil die Dinosaurier „ausschließlich an Land“ lebten. Comicbilder niedlicher badender Saurier? Vergiss es.

Auch die Vorstellung von schöner, glatter Haut trifft nicht länger zu. Neben Schuppen waren es gar Federn, die Dinos trugen. Und mit einem Huhn haben die Dinosaurier mehr gemein als mit beispielsweise einem Elefanten. Vögel sind die nächsten Verwandten der Dinosaurier. Wie das vor sich gegangen ist, erklären die anatomischen Ausführungen, die knapp an die Grenze zur Übersprunghandlung Seite-Skippen führen.

Viele Dinosaurier, darunter die langhalsigen Sauropoden, teilen sich das Baumodell pneumatisches Skelett. „Die vermeintlich massiven Knochen entpuppten sich nämlich als hohl.“ Der Sachbuchautor Bernhard Kegel stellt die Erkenntnisgeschichte dar. Es gelingt ihm, dass man sich kurzzeitig für Oberschenkelknochen interessiert und kapiert, warum die Dino-Mania ein sehr junges Phänomen ist. Wie geht sich die Schöpfungsgeschichte mit dem Leben von Geschöpfen aus, die 65 Millionen Jahre vor unserer Zeit ausgestorben sind? Die entweder auf fette Fleischbeute oder auf ganze Wälder als Nahrungsgrundlage angewiesen waren? Nicht so gut. Darum hat es bis ins 19. Jahrhundert gedauert, bis Menschen ihren Überbleibseln auf den Grund gehen wollten. Auch wäre die Anerkennung einer einstigen Existenz derartiger Lebewesen auch mit religiösen Vorstellungen früherer Jahrhunderte kollidiert, argumentiert Bernhard Kegel. Mit Glaubensvorstellungen ihrer Mitbürger hatten auch die ersten Dinoforscher zu kämpfen.

Das Buch durchläuft einige Zwischenstationen rund um den Erdball, bis wir beim Sinosauropteryx innehalten: Der Kerl (Geschlechtsunterscheidungen von Sauriern geben noch Rätsel auf) war „nur 1,25 Meter groß, ein kleiner, schlanker Raubsaurier“. Nach wie vor werden neue Arten entdeckt, aber die Forschungsinstitute weltweit haben nicht ein vergleichbares Budget, wie es in die Produktion von „Jurassic Park“ gesteckt wurde. In einem alten Flussbett in der chinesischen Provinz Liaoning stießen Bauern auf den spektakulären Sinosauroteryx: Zu Lebzeiten war das Tier „von feinen, 3,5 Zentimetern langen daunenartigen Federn bedeckt“. Wenn Ende dieser Woche „Jurassic World 2“ in den österreichischen Kinos startet, muss kein Saurier Federn lassen.

Weiter in der bizarren Welt der Tiere!

Dinosaurier sind keineswegs ausgestorben, behauptet der Biologe Bernhard Kegel. Die Dinosaurier leben weiter: Denn alle Vögel sind ihre direkten Nachfahren. Kegel hat mit „Ausgestorben, um zu bleiben“ das ultimative Saurier-Buch für erwachsene Dino-Fans geschrieben, voller wunderbarer Entdeckungen und Fakten.

Buch-Cover mit Illustration von Tieren

Hanser Berlin

„Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte“ von Elena Passarello ist bei Hanser Berlin 2018, aus dem Englischen übersetzt von Beatrice Faßbender, erschienen.

So verhält es sich auch mit den „Berühmten Tieren der Menschheitsgeschichte“. Unerwartete Persönlichkeiten tauchen da auf, die menschliche Neugier, Forschung und Kunst beflügelten. Albrecht Dürers Nashorn und das Gorillaweibchen Koko etwa. Koko hat einen ganzen Text verfasst - mit Nachhilfe der Autorin: Koko beherrschte die Gebärdensprache und hatte einen Wortschatz von über 1.000 Wörtern. Aus dokumentierten Äußerungen hat Elena Passarello ihr „Koko“-Essay zusammengesetzt. Die anderen Kapitel erschließen sich wesentlich schneller. Auch die hier Versammelten sind schon tot, aber ihre Arten leben - noch.

Die Amerikanerin Elena Passarello schreibt vor allem Essays. In der Sammlung „Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte“ widmet sie sich erstaunlich anderen Berühmtheiten, als man annehmen würde. Der Band ist keines dieser Bücher, die man schnell von einem Buchladentisch als Geschenk für Bekannte kauft. Es lohnt sich für alle, die sich für Tiere interessieren und dabei auf Instagramfilter verzichten können. Das Buch nimmt die Form eines Bestiariums an. Im Original heißt es „Animals Strike Curious Poses“ und die BetrachterInnen sind wir.

Die Perspektiven, die Passarello einnimmt, variieren. Man muss sich zu Beginn jeden Essays, die alle Tiernamen als Titel tragen, darauf einstellen. Es ist eine kurze Herausforderung. Im Kapitel „Cecil“ etwa wird die Pressekonferenz jenes Mannes zitiert, der den Löwen Cecil erschossen hat. Die Autorin Elena Passarello vermittelt zoologisches und anthropologisches Wissen in kurzen literarischen Abhandlungen. Die Geschichten sind von Neugier getrieben und mitunter sehr bizarr. Ob es sich dabei um den All-Ausflug der Kreuzspinne Arabella, Charles Darwins Lieblingsschildkröte oder den von Zoobesitzern erhängten Elefantenteenager handelt, der rebellierte - jede Woche zwei Essays sind ein schöner Sommerkurs in Zoologie.

mehr Maria Motter:

Aktuell: