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Splash! Festival

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Rap, Moshpits & Staub

Das beschauliche Gräfenhainichen im Osten Deutschlands wurde am Wochenende wieder zum Treffpunkt für die internationale Hip-Hop-Gemeinde. Stars und Newcomer des Genres haben ordentlich viel Staub aufgewirbelt. Und RIN hat Festival-Geschichte geschrieben.

Von Phekt

Meine größte Sorge vor dem Abflug am Freitag Richtung Berlin war schlechtes Wetter. Konzerte im Regen und Schlamm bis zu den Knöcheln sind so gar nicht mein Ding. Für das Lineup beim diesjährigen Splash! Festival am Ferropolis-Gelände, circa 2 Stunden von Berlin, wo früher Kohle abgebaut wurde, hätte ich aber auch nasse Füße in Kauf genommen. Drei Tage Sonnenschein und warme Temperaturen haben meine Sorgen zum Glück in Luft aufgelöst. In sehr staubige Luft.

Zum 21. Mal haben die Splash!-Veranstalter etablierte bzw. vielversprechende Acts aus dem In- und Ausland eingeladen. Eine gute Gelegenheit für einen „Szene-Reality-Check“. Wer überzeugt live? Wer enttäuscht die hohen Erwartungen? Auf welchen Sound reagieren Hip-Hop-Fans heuer besonders?

Splash! Festival

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Letztes Jahr hab ich hier über die Selbstverständlichkeit von Autotune, gefeierte Playback-Shows, Moshpits im Rap und ein tendenziell sehr junges Publikum geschrieben. Das hat sich grundsätzlich auch heuer nicht geändert, es sind allerdings sowohl im Publikum wie auch auf Artist-Seite jede Menge Gesichts-Tattoos dazugekommen. Und der Look/Style der Menschen hat sich auch irgendwie verändert: umgeschnallte oder über die Schulter getragene Bauchtaschen/Hipbags sind plötzlich omnipräsent. Wird man in Zukunft die Rap-Generation 2018 als „Hipbag-Rap“ bezeichnen? So wie 90er Jahre Rap als „Backpack Rap“ bezeichnet wurde?

Der Drogendealer-Chic - umgehängtes Gucci-Hipbag in Kombination mit Jogginghose und teueren Sneakern - den man aus französischen Banlieus kennt, ist auf jeden Fall in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Splash! Festival

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070 Shake

Trettmann, Skepta & 070 Shake

Meine Ankunft am Freitag gegen Mittag im Hotel in Dessau ist geprägt von einem wütenden GZUZ, der an der Rezeption neben mir steht und sich über braunes Wasser aus der Leitung beklagt. In der typisch tiefen und aggressiv-lauten GZUZ-Stimme. Die eingeschüchterte Angestellte kann ihm nicht helfen, denn das Gebrechen hat mit den Wasserwerken von Dessau zu tun und nichts mit dem Hotel. Der Hamburger Rapper fordert Kaffee als Entschädigung. Kaffee? Vor dem Eingang steht eine kleine Gruppe Fans, die auf Mitglieder der 187 Straßenbande warten. Die haben am Tag davor bei der so genannten Pre-Party des Splash! mit RAF Camora, UFO361 und einigen anderen performt und schlafen noch in ihren Hotelzimmern.

Splash! Festival

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Ich checke ein, werde beim Händewaschen ebenfalls mit der braunen Suppe konfrontiert und mach mich mit dem offiziellen Bus-Shuttle auf den Weg zum Festival-Gelände. Im Bus höre ich wieder die vom letzten Jahr vertrauten „Digga, Alta, Junge, Stay High!“-Floskeln.

Der Weg zur Hauptbühne führt entlang eines malerischen Baggersees über eine Zeltstadt, wo schon aus Bierbongs getrunken wird, Männer in Hasenkostümen schlafend in der Sonne liegen und die Soundkulisse aus gefühlt 1.000 Bluetooth-Boxen besteht.

Joey Bargeld & Soufian sind die ersten beiden Acts auf der splash!Mag Stage bei meiner Ankunft. Gefolgt von Zugezogen Maskulin, die für erste Euphorie-Schübe sorgen, und einem Konzert der Antilopen Gang. Karate Andi, Nimo und Haftbefehl spielen währenddessen auf der „Mainstage“.

Programm auf 6 Bühnen

Es gibt insgesamt 6 Bühnen beim Splash! Festival. Von ganz groß im Hauptareal zu mittelgroß (Playground, Backyard) zu ganz klein (Greenstage, The Corner) im Wald versteckt. Das Programm ist so konzipiert, dass man eigentlich immer irgendwo jemanden sehen oder hören kann. Vorausgesetzt, man nimmt die Fußwege in Kauf. Die Highlights sind nicht immer automatisch auf der Mainstage zu finden. Es lohnt sich, auf Entdeckungsreise zu gehen. Gerade die kleinen Bühnen sorgen oft für Überraschungen. Für den Sound bei The Corner im Dickicht der Bäume ist übrigens der Wahlwiener DJ Ra-B Groovebuz verantwortlich, der dort seit Jahren ein nettes DJ-Lineup kuratiert und selbst auflegt.

Splash! Festival

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Mein persönliches Highlight am ersten Tag ist das Konzert von 070Shake, einer jungen Künstlerin aus New Jersey, die durch ihre Features auf dem aktuellen Kanye-West-Album „Ye“ meine volle Aufmerksamkeit hat. Ihre „Glitter“-EP kann ich auch empfehlen. Obwohl ihr Slot schon um 17.40 Uhr beginnt, füllt sich der „Backyard“. 070Shake brüllt ins Mikrofon, wirbelt über die Bühne, springt ins Publikum (so als wäre es Mitternacht), zelebriert einen Song des verstorbenen Rappers XXXTentation und kreiert mit dieser Energie eine unfassbare Stimmung. Moshpits, aufgewirbelter Staub, Euphorie. Sie beendet ihr Set mit „Ghost Town“, einem Track vom neuen Kanye-West-Album und singt ihren Part acappella:

I put my hand on a stove, to see if I still bleed, yeah
And nothing hurts anymore, I feel kinda free
We’re still the kids we used to be, yeah, yeah
I put my hand on a stove, to see if I still bleed, yeah
And nothing hurts anymore, I feel kinda free

Lil Pump in Unterhosen

Das Konzert von Prinz Pi versäume ich, dafür sehe ich Lil Pump. Ein gehypter junger Rapper aus Florida, der sich auszieht und einen Großteil seiner Show in Unterhose spielt. Schaut irgendwie albern aus. Während der Show springt er mit seiner Entourage von der Bühne, um im angrenzenden See baden zu gehen, danach rappt er in nassen Unterhosen weiter. Ich bin erstaunt, dass er zwei Stunden später während der Show von Ski Mask The Slump God auf einer ganz anderen Bühne wieder in Unterhose auftaucht.

Mein erstes Dilemma beim diesjährigen Splash! sind die parallel geplanten Slots der Konzerte von Trettmann und Skepta. „DIY“ war letztes Jahr mein Lieblingsalbum, den UK-Grime-Star will ich aber auch sehen. Ich entscheide mich zuerst für Tretti, der wieder einmal alles richtig macht. Souveräne Performance, schöne Visuals im Hintergrund („Grauer Beton“ etc.) und die Überraschungsgäste RAF Camora & Bonez MC, die mit ihm „Gott Sei Dank“ performen.

Splash! Festival

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Das Publikum liebt Trettmann und singt alle Zeilen seiner Songs lautstark im Chor mit. Ich höre an dem Abend öfter das Wort „Held“, wenn es um ihn geht. Als Kind der DDR, der in einem Plattenbau in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) aufgewachsen ist, ist das Splash! Festival ein Heimspiel für ihn.

Verzaubert von dem Vibe bei Trettmann vergesse ich die Zeit. Von der Skepta-Show sehe ich leider nur noch zwei Songs. Wirkt alles solide, das Publikum ist auch zufrieden. Der britische MC ist immerhin einer der Lieblingsrapper von Drake. Danach kommen als Headliner von Tag 1 Sido & Kool Savas, deren Show ich nur ganz kurz sehe.

Boom Bap und Trap

Der Samstag startet mit einer Absage, die leider nicht die einzige bleiben wird.

Splash! Festival

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Capital Bra kommt nicht. Action Bronson, einer der Headliner des Tages, muss aufgrund einer Meniskus-Verletzung ebenfalls alle Europa-Termine absagen. Dafür übernimmt den Slot von Capital Bra am Nachmittag das Verbale Style Kollektiv. Ein Projekt, hinter dem die Jungs von K.I.Z. stecken. Ihre Show ist die Antithese zum allgegenwärtigen Autotune-Trap-Cloud-Rap und eine humorvolle Hommage an die Boom-Bap-Ära im Hip Hop.

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Das Konzert von A$AP Twelvyy aus New York ist gut besucht, er spielt viele Tunes seines Albums „12“ und beendet das Set mit dem Self-empowerment-Song „L.Y.B.B. (Last year being broke)“.

Auf der kleinen Backyard-Stage spielt parallel dazu Dexter.

Ohrwürmer von Yung Hurn

Der Wiener Yung Hurn ist in Deutschland wahrscheinlich populärer als in Österreich. Vor seinem Konzert auf der splash!Mag Stage versammeln sich Tausende Menschen, teilweise mit selbst bemalten Transparenten.

Am Tag davor war er noch beim Frauenfeld-Open Air in der Schweiz. Zum Splash! reist er mit großer Entourage an, unter anderem mit seinem kleinen Bruder, dem Rapper Jonny5 und DJ Stickle.

Yung Hurn hat ein unheimliches Gespür für Hooklines, die im Ohr hängen bleiben. Die gesamte Crowd singt mit, wenn er Songs seines aktuellen Albums wie „GGGut“, „Bist du alleine“ oder „Was sie will“ anstimmt. Sein Hit „OK Cool“ wird dann komplett von der Crowd mitgebrüllt.

Alle deine Freunde hassen alle meine Freunde
Aber alle meine Freunde kennen deine Freunde nicht.

In einem Gespräch erzählt er mir später fast demütig, dass er eigentlich sprachlos ist und unendlich dankbar für die Tatsache, dass so viele Menschen seine Musik hören.

RIN schreibt Splash!Geschichte

Das Konzert von RIN geht aufgrund des euphorischen Feedbacks in die Geschichte des Festivals ein. Der gesamte Platz und die hinteren Ränge vor der Mainstage sind mit Menschen gefüllt. RIN hat schon letztes Jahr für energetische Moshpits gesorgt, was heuer passiert ist, hab ich so noch nie gesehen.

Während seiner Show zähle ich durchgängig mindestens 6 bis 8 große Moshpits. Die Menschenmasse gleicht einem Meer mit wildem Wellengang, das kollektiv zu Hits wie „Blackout“ oder „Monica Bellucci“ mitschwingt.

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Für „Bianco“ holt RIN dann seinen Wiener Freund Yung Hurn auf die Bühne. In diesem Video seht ihr, was dann passiert ist.

Marteria & Casper präsentieren Album

Offiziell ist Casper der Headliner am Samstag. Am Nachmittag gibt es als Überraschung für die Fans eine Autogrammstunde bzw. Foto-Möglichkeit mit ihm und Marteria vor einem türkisen Monstertruck mit der Aufschrift „1982“.

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Ein Teaser auf das gemeinsame Album der Beiden, das Ende August erscheinen wird. Während seiner Show holt Casper dann wenig überraschend Marteria für mehrere Songs auf die Bühne. Ihre neue Single „Champion Sound“ wird schon mitgegröhlt, außerdem präsentieren sie exklusiv noch einen weiteren neuen Song. Volle Hallen sind dem Rap-Dreamteam in naher Zukunft garantiert.

Splash! Festival

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J.Cole, Tyler The Creator & Cro am Sonntag

Das Lineup von Tag 3 lässt keine Zeit für Verschnaufpausen. Der dritte Act aus Österreich nach RAF Camora und Yung Hurn am diesjährigen Splash! heißt am Sonntag Dame, der unterstützt von DJ BUZZ von den Waxolutionists die Mainstage eröffnet. Gefolgt von einer wirklich guten Show von Chefket, der meiner Meinung nach einer der besten Live-MCs in Deutschland ist.

Afrob & die Tribes of Jizu spielen unterstützt von vielen Live-Musikern alte und neue Songs aus dem Werk des Rappers und streifen dabei Reggae- und Dancehall-Gefilde. Dann kommt Dendemann, der ja heuer auch noch ein neues Album präsentieren wird. Sein Konzert wird leider von einem technischen Gebrechen (Stromausfall) gestört, der Hamburger Rap-Veteran löst das aber sehr charmant und souverän. Ich bin gespannt auf seine neue Platte.

Said aus Berlin, Goldlink, 6lack & Vince Staples spielen währenddessen auf der splash!Mag Stage, wo um 22 Uhr Headliner Tyler The Creator aus Los Angeles die Bühne stürmt. Die teils sperrigen Instrumentals des ehemaligen Odd Future Masterminds sind eine Herausforderung für das Publikum.

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Cro

Auf der Hauptbühne steht parallel zu Tyler der Stuttgarter Pandamasken-Rapper Cro auf der Bühne. Von dessen Show sehe ich nur die ersten 10 Minuten.

J.Cole ist der letzte Act auf der Hauptbühne. Seine Show dauert fast 1 1/2 Stunden, ist geprägt von sympathischen Zwischenansagen und Songs seiner gesamten Diskografie.

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J.Cole

Mit dem traditionellen Feuerwerk geht dann das 21. Splash! Festival zu Ende. Ich sehe es nur noch aus der Distanz, weil ich zu dem Zeitpunkt schon im Shuttle-Bus Richtung Hotel sitze. Mit gefühlter Staublunge, dröhnenden Ohren und einem breiten Grinsen im Gesicht.

Folgende Acts, die angeblich sehr gut waren, hab ich leider versäumt (falls ihr euch wundert, warum sie in dieser Story nicht vorkommen): A Boogie wit a Hoodie, Bas, Rejjie Snow, Token, Denzel Curry, Playboi Carti, MC Bomber, Stereo Luchs und noch viele mehr. Es ist unmöglich, alle interessanten Acts beim Splash! zu sehen.

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