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Maniac

Netflix

Where is my mind

Die Miniserie „Maniac“ vereint besondere Talente. Während vor der Kamera Emma Stone, Jonah Hill und „Leftovers“-Star Justin Theroux aufeinandertreffen, sitzt Cary „True Detective“ Fukunaga im Regiestuhl.

Von Christian Fuchs

Cary Joiji Fukunaga grinst gut aufgelegt. Wahrscheinlich weiß der US-Regisseur während der Interviews zu seiner neuen Serie „Maniac“ schon über sein nächstes Projekt Bescheid. Die restliche Welt hat erst jetzt erfahren, dass Fukunaga den nächsten James-Bond-Film inszenieren wird. Die ausgesprochen gute Laune des 41-jährigen Kaliforniers kann aber auch mit „Maniac“ zu tun haben. Denn die Serie, für Netflix gedreht, schlägt stellenweise einen durchaus heiteren Tonfall an.

Dabei kennt man Fukunaga bisher als Spezialist für düstere, abgründige Stoffe. Von seinem Debüt „Sin Nombre“, der brutale Banden-Kriminalität verhandelt, über die schwarzromantische Litaturverfilmung „Jane Eyre“ hin zum Kindersoldaten-Drama „Beasts of No Nation“ drehen sich seine Spielfilme um die heftigen Härten des Lebens. Und dann ist da die erste Staffel der Thriller-Serie „True Detective“, bei der Cary Fukunaga für sämtliche Folgen verantwortlich zeichnet. Zurecht feiern Kritiker und Fans ihn danach als Erneuerer des fiebrigen NeoNoir-Genres.

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Tolle Talente vor und hinter der Kamera

Bei „Maniac“, einer stimmungsmäßig sehr konträren Unternehmung, sitzt Fukunaga nun ebenfalls bei allen 10 Folgen im Regiestuhl. Und auch an den Drehbüchern hat das Multitalent mitgearbeitet. Als eigentlichen Schöpfer der schrulligen Serie weist er im Interview aber seinen Gesprächspartner aus, den Autor Patrick Somerville. Dieser wiederum war schreiberisch an einem anderen Fernseh-Meilenstein beteiligt, der dunklen Dystopie „The Leftovers“, die mit irrwitzigen und melancholischen Plots faszinierte.

Die Hauptrolle in der Geschichte um einen mysteriös verschwundenen Teil der Menschheit spielte drei Staffeln lang der charismatische Justin Theroux, zuvor als Drehbuchautor und Comedydarsteller aufgefallen. Der Schauspieler mit dem Rock’N’Roll-Star-Look ist nun auch in „Maniac“ mit von der Partie, als verhuschter Mad Scientist darf er nun Overacting-Exzesse genießen, die bei „The Leftovers“ streng verpönt waren. Es scheint also, dass der Streaming-Gigant Netflix für seine neue Prestige-Miniserie ausgesprochen tolle Talente vor und hinter der Kamera versammelt hat.

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Wahnwitzige (Alb-)Traumwelten

„Maniac“ ist in einer undefinierten Zukunft angesiedelt, die aussieht, als ob die 80er Jahre nie geendet hätten. In dieser retrofuturistischen Welt taumeln zwei verlorene Seelen durch den Alltag. Jonah Hill spielt, abgemagert und mit depressiver Dauermiene, den ins Leere starrenden Owen, ein Rich Kid mit schizophrenen Schüben. Emma Stones Figur Anna leidet wiederum unter einem schweren Trauma, das mit dem Tod ihrer Schwester zu tun hat. Die beiden höchst fragilen Charaktere treffen in einem dubiosen Labor schicksalshaft aufeinander. Wobei der paranoide Owen eher an Verschwörungen als an Zufälle glaubt.

Mit drei unterschiedlichen Psycho-Pillen und mit Hilfe Künstlicher Intelligenz will Justin Theroux als Wissenschaftler alle Patienten, die an seinem Experiment teilnehmen, für immer heilen. Aber, wir ahnen es, der medizinische Versuch misslingt. Schließlich kann man dem verantwortlichen Supercomputer ebenso wenig trauen wie seinem Vorbild aus Stanley Kubricks „2001“. Owen und Anna werden gedanklich in wahnwitzige (Alb-)Traumwelten geschleudert.

Maniac

Netflix

Gedankenreisen als Genre-Persiflage

Bis zum Start des Drogenexperiments vergehen zirka drei Folgen und die Serie, inklusive mancher verschrobener Figuren, erinnert dabei im guten Sinn an eine neurotischere Version eines Wes-Anderson-Films. Mit den Gedankenreisen, die die weiteren Episoden dominieren, ändert sich jedoch die Stilrichtung von „Maniac“. Und sie hört nicht auf sich zu ändern. Einmal spielen Stone und Hill in ihren gemeinsamen Visionen ein White-Trash-Gangsterpärchen, dann landen sie in einem alten Film-Noir und irgendwann in einem Fantasy-Reich zwischen „Herr der Ringe“ und „Game of Thrones“.

Dieser überzeichnete Mindfuck-Mischmasch sorgt für einige herrlich befremdliche Momente, sabotiert aber auch ein wenig die zuvor aufgebaute Stimmung. „Maniac“ ist dann plötzlich nicht mehr ein tragikomisches Indie-Drama in neonfarbenen und stylischen Science-Fiction-Sets, die Serie wird zur sanft verblödelten Faschingsparty. Cary Fukunaga wollte aber genau diesen Unernst und die Unberechenbarkeit, betont er im Gespräch.

Was bleibt von „Maniac“ ist ein wildes Sammelsurium aus großartigen und weniger großartigen Ideen, durchgehend topgecastet und überzeugend gespielt. Vor allem sind die 10 knallbunten Folgen ein ästhetischer Genuss.

Dass bei einer solchen Besetzung und einem Regiemeister wie Fukunaga mehr drinnen gewesen wäre, dass der angedeutete Tiefgang irgendwann hinter der Genre-Persiflage verschwindet und die Kritik an der Psychopharmaka-Gesellschaft verblasst, dieses Gefühl wird man dennoch nicht los. Auf der anderen Seite ist eine Serie, die wirkt als ob Michel Gondry, Terry Gilliam und der Christopher Nolan von „Inception“ in einem bizarren Kostümverleih aufeinandertreffen, schon ziemlich bemerkenswert.

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