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The Go! Team beim Waves

Niko Ostermann / Waves Vienna

festivalradio

Bleibt alles besser

Rund um das Wiener Wuk hat das achte Waves Vienna Festival eröffnet. Wenig überraschend überragend dabei: Pauls Jets und The Go! Team

Von Katharina Seidler

Man läuft Gefahr, sich zu wiederholen: Das Beste, was dem Waves Vienna Festival passiert ist, war sein Umzug in den neunten Bezirk vor zwei Jahren. Während früher die einzelnen Bühnen weit über die Stadt verstreut waren, kommt auf den nunmehr kompakt in und rund ums Wuk gruppierten Stages Showcase-Stimmung auf, wie sie sein soll. Man lässt sich treiben, bleibt im Hof auf einen kurzen Plausch stehen, zieht vom Beisl zur hinter dem Gebäude liegenden Schule und zurück und erlebt zwischen festgesetzten Programmpunkten (die Waves-App ist deine Freundin) auch Zufalls-Konzerte. In seinem dritten Jahr am Alsergrund ist beim Waves auch wieder deutlich mehr los als früher.

Der slowakische Musiker und Produzent Stroon vertritt sein Heimatland, auf dem gemeinsam mit Portugal im Programm des diesjährigen Waves Festivals ein besonderer Fokus liegt. Das Alleinstellungsmerkmal von Stroon ist sein Vibraphon, auf dem er mit flinken Fingern Melodiemotive spielt. Die Beats aus dem Laptop passen dazu. So elegant das Vibraphon auch klirrt, in der Kombination aus versiertem Musikertum und komplexer Beatfricklerei hat man in der Stadt von Dorian Concept & Co schon Atemberaubenderes gehört, leider. „Ich möchte es so gern mögen“ denkt man angesichts der Überfülle an Acts im Lineup manchmal im Lauf eines so überbordenden wie anstrengenden Showcase-Wochenendes. Überforderung.

FM4 Boombox beim Waves Vienna

Patrick Münnich / Waves Vienna

Sehr leicht zu lieben sind jedenfalls Pauls Jets, die die große Wuk-Halle schon am frühen Abend gut füllen können. Auch die ZIB ist da. Die ausgezeichnet gekleidete Band Pauls Jets (unter seinem tollen Hemd trägt er noch ein tolles Hemd) hat ausschließlich Hits im Programm, kluge Verweigerungsgedichte gegen die Eintönigkeit, Herzensangebote für den verbündeten Widerstand. Paul Buschnegg schafft es, dass man sich in die Schönheit von einzelnen Wörtern verliebt, und sei es einfach nur der Klang von Zahlenkombinationen und seiner spezifische Art, sie auszusprechen: fünfhundert Millionen und FünfSechsSiebenAcht. Er ist außerdem sehr witzig. Hier steht es: Pauls Jets sind die einzige Band, die das unendliche Erbe von Ja, Panik antreten kann, und sie sind natürlich auch viel mehr als das, sie werden ewig sein.

Wo stehst du mit deiner Kunst, Baby? Der britische Musiker Jamie Isaac beantwortet diese Frage mit einer ungleich verteilten Mischmenge aus drei anderen Jamies, namentlich Woon, Cullum und XX. Eine Information, die man gern zu Jamie Isaac, Geburtsjahr 1994, dazugesagt bekommt ist die, dass er einst mit Archy Marshall, seines Zeichens König King Krule, die Wohnung teilte. Wo King Krule sein Jazz-Verständnis aber in die dunkelsten Ecken der Nacht treibt, unerbittlich, wie besessen, entscheidet sich Isaac für den Weg in Richtung „Easy Listening“. Mit der Lupe findet man vielleicht noch allerletzte Restspuren von Dubstep irgendwo unter drei Matratzenlagen Lounge-Jazz und gepflegten Anzugträger-Hip Hop. „Couch Baby“ heißt wohl nicht zufällig ein Album von Jamie Isaac, auch gibt es in dieser Waves-Nacht leider an mehreren Orten offenbar gravierende Soundprobleme.

Thirsty Eyes Waves Vienna

Patrick Münnich / Waves VIenna

Spitzenband Thirsty Eyes

Man will an diesem vielleicht vorletzten warmen Abend des Jahres aber sowieso auch ausgiebig draußen herumstehen, rauchen und whatsappen und netzwerken oder sich vor den Netzwerkern verstecken, je nachdem. Die Waves-App meldet sich einstweilen unerbittlich, schon wieder startet in 15 Minuten irgendwo etwas, auf der sogenannten Ottakringer Stage im Festsaal der Schule zum Beispiel trifft die sehr gelungen zusammenkuratierte Konstellation „Thirsty Eyes“ und „Warmduscher“ aufeinander. Die Begeisterung der beiden Bands ist gegenseitig, völlig zu Recht, und von niemandem möchte man sich beim diesjährigen Waves Festival lieber eine Bierdusche abholen als von den österreichischen Wüstencountry-Punks Thirsty Eyes einerseits und der britischen Rüpel-Postpunk-Bande Warmduscher aus den Resten ähnlich gepolter Freigeister wie der Fat White Family, andererseits.

The Go! Team beim Waves

Niko Ostermann / Waves Vienna

Dance Off mit The Go! Team

In der Wuk-Halle laden zeitgleich die britischen Pop-Zauberwesen The Go!Team zum Dance-Off. Sie würden meist zur Mittagszeit auf eine Festival-Mainstage gebucht, erzählt Go! Team-Urgestein Ian Parton vor der Show im FM4 Interview, dabei sei ihnen ein Slot in einem verschwitzten Saal um Mitternacht viel lieber. Das Waves Team hat ihnen diesen Wunsch von den Lippen abgelesen, und so verwandelten sich die ersten Reihen im Saal unter der Anleitung der hypercharismatischen Go! Team-Sängerin und Haupt-Springinkerl Ninja in eine wilde Dance-Party, während sich hinten im Publikum bereits erste Müdigkeitserscheinungen bemerkbar machen. Was in Österreich nie so gut funktioniert: Mitsing-Chöre, choreografiertes Winken, Wechselgesänge.

The Go! Teams und ihre überschäumende, maximalistische Popmusik schaffen es aber doch beinahe, einem die verkrustete Seele aufzukratzen. Auf ihrem aktuellen Album „Semicircle“ haben sie immerhin eine Marching Band an Bord, dazu Trompeten, Trommeln, Xylophone, Offbeat-Geklatsche, eine Steel Drum und einen Detroiter Teenager-Chor, der Songs wie den „Semicircle Song“ in die Höhen von Soul-Pop-Göttern wie Jackson 5 hebt. Einträge im Notizzettel des Lebens: Einmal im Leben etwas Ähnliches wie „Semicircle Song“ schreiben. Auf der Bühne immer eine Trompete mit dabei haben.

Dramas beim Waves

Patrick Münnich / Waves Vienna

In ihren dramatischsten Momenten sehr gut: Dramas. Featuring Piano, Trompeten, schwerste Bässe, Radiohead-Rhythmen.

Heute nicht verpassen: Pressyes, Wwwater, Mile Me Deaf, Dena, Žen. In der fantastischen Club Disco Palme ist nach den Konzerten außerdem FM4 Party mit Dalia Ahmed und Sebastian Schlachter, hierfür bitte riesige cremefarbene Sommersakkos überziehen.

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