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Die Thriller-Serie „Beat“ spielt in der Berliner Techno-Szene

„Beat“ ist die unglaubliche Mischung aus „Tatort“, „Berlin Calling“ und David Finchers „Seven“. Und was noch unglaublicher ist, es funktioniert.

Von Natalie Brunner

Amazon Prime hat eine Thriller-Serie produziert, die in der Berliner Techno-Szene spielt. Es ist die erste deutsche Produktion, die weltweit von Amazon gestreamt werden wird, deshalb ist auch alles am Start, was vermeintlich in der großen, weiten Welt mit Berlin in Verbindung gebracht wird. Techno, Drogen, Schlagermusik, Psychopathen mit Hitlerfrisur.

Ich bin die gesamte Zeit gebannt vor dem Fernseher gesessen, oft fassungslos darüber, wie man so viel Tagesaktuelles und Zeitgeistiges zusammenrühren kann und dabei einen trashigen Cocktail erhält, der dennoch von der ersten bis zur letzten Sekunde unterhält.

Ein Technoclubpromoter, durchgehend auf Koks, MDMA und Keta, rettet syrische Waisenkinder vor der skrupellosen internationalen Organhändlermafia, die sich ein Büro in dem Bunker, den die Hauptfigur managt, eingerichtet hat, weil das Gemäuer abhörsicher ist. Hitler und Aliens kommen zwar nicht vor, dafür ein Schlager hörender Psychopath und von der Clubdecke hängende ausgeweidete Zwillinge.

Jannis Niewöhner und Karoline Herfurth

Amazon Prime

Die Figuren, die den Planeten Techno bevölkern, sind gut gezeichnet und auch die Stylisten haben ganze Arbeit geleistet. Die Hauptfigur mit dem ziemlich blöden Namen Beat ist der Nightmanager eines Nachtclubs, architektonisch eher Watergate und stilistisch eher Berghain. Ja und ich konnte mir das laute Lachen vor dem Fernseher nicht verkneifen, ich persönlich kenne Menschen, die haben den gleichen Job wie er, tragen exakt die gleichen Outfits, haben die gleichen Tätowierungen und sagen auch selten was, wobei mir nie so ganz klar ist, ob ihre Schweigsamkeit von nihilistischer Verachtung herrührt oder daher, dass sie zu paniert zum Reden sind. Was lernen wir daraus: Nicht einmal der undergroundigste Underground Techno Anti Style ist vor der Aneignung durch die Kulturindustrie sicher.

„Beat“ ist ein ganz gutes Szene-Porträt von einem Ort, wo Menschen von Donnerstag bis Montag manchmal ohne Unterbrechung unterwegs sind. Dazu benötigt der/die Raver/in aufputschende Substanzen. Deren Konsum ist zwar in der Serie zu sehen, wird aber nicht problematisiert oder kriminalisiert. Das Böse lauert woanders, in den Chefetagen der schicken Bürotürme.

In der Serie „Beat“ hat man vielleicht keine gute Gesichtsfarbe, wenn man 24/7 auf Koks ist, aber man hat die Sinne noch soweit beisammen, um als Geheimagent einen Organhandelsring in Brandenburg (LOL) auf die Schliche zu kommen.

tanzende Menschen in einem Club

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Die Moral von der Geschichte, die ich mir im Laufe der sieben Folgen von „Beat“ zurechtzimmern konnte, ist folgende: Die Welt ist schon so böse und verrückt, dass die vermeintlich moralisch inkompetenten Bewohnerinnen des hedonistischen Elfenbeinturms die letzten wirklichen Helden sind.

Catchphrase: „Ich scheiß auf das Scheißsystem.“

Am Soundtrack trifft Marcel Dettmann auf Peter Alexander, Moderat auf Conny Froboess. Und über allem strahlt die Nummer „Her Fantasy“ von Matthew Dear, zu der die Hauptfigur durch dunkle Tunnel im Bauch von Berlin taumeln darf. Das hat so viel Atmosphäre, das schwappt locker über logische Schwachstellen im Drehbuch drüber.

„Beat“ hat mich sieben Stunden ganz gut unterhalten, ohne mein Hirn allzu viel benutzen zu müssen.

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