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Titelscreen aus "The Stillness of the Wind": Der Bauernhof in einer Totalen.

Fellow Traveller Games

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Sie war schon immer hier

Seit Jahrzehnten pflegt eine alte Bäurin ihren kleinen Hof. Sie ist das einzige Mitglied einer ehemaligen Großfamilie, das hiergeblieben ist. Talma ist mit ihrem Alltag zufrieden, doch genügt das für ein ganzes Leben?

Von Robert Glashüttner

Wer dem quirligen Treiben in der Stadt ausgesetzt ist, sehnt sich oft nach Ruhe und einem entspannten Alltag. Wie schön wäre es doch, auf einer kleinen Farm zu leben, sich bloß um ein paar Ziegen und Hühner zu kümmern und einen klar geregelten Tagesablauf zu haben.

Aber natürlich ist dieses erträumte Leben in Wahrheit alles andere als geruhsam. Wer mit Landwirtschaft Erfahrung hat, wird wissen, dass bäuerliche Tätigkeiten nicht einfach sind. Vor allem gibt es bei Tieren und Pflanzen keinen Zeitaufschub – sie wollen und sollen regelmäßig und verlässlich betreut werden. Und das heißt natürlich auch: mit der Natur leben, früh aufstehen und so weiter.

Dennoch ist das bäuerliche Leben etwas, in das manche Menschen nicht nur hineingeboren werden, sondern das sie auch schätzen und bewusst leben wollen. Am Hof aufwachsen und am Hof alt werden, das können sich dennoch nur noch die wenigsten Menschen vorstellen. Trotzdem hat so ein Leben zumindest in der Theorie eine gewisse Romantik. Es strahlt eine Menge Pflichtbewusstsein und Bodenständigkeit aus. Aber tun sich nach all den Jahren und Jahrzehnten nicht auch seelische Abgründe auf?

Diese Frage schwebt ständig über der interaktiven Geschichte „The Stillness of the Wind“. Wir schlüpfen dabei in die Schuhe von Talma, einer alten Bäurin und ehemals Mitglied einer Großfamilie. Doch irgendwann ist auch der letzte Verwandte entweder verstorben oder in die Stadt gezogen. Nur Talma ist geblieben.

Alltagsroutine

„The Stillness of the Wind“, entwickelt vom australischen Team Fellow Traveller Games, ist für Windows, Mac, iOS und Switch erschienen.

Talma hat ihren kleinen Hof inmitten einer weitläufigen, sandigen Landschaft. Es dürfte eine Art Wüste sein, aber so genau erfährt man das nicht. Talma besitzt zwei Ziegen und fünf Hühner, sie verbringt ihre Tage mit dem Melken, der Käseproduktion, dem Einsammeln der Eier und dem Bewässern der Gartenpflanzen. Ihr einziger direkter menschlicher Kontakt ist jener zu einem Verkäufer, der täglich den langen Weg zu Talma antritt, um sie mit dem Nötigsten zu versorgen und ihr auch die Post zu bringen.

Screenshot aus "The Stillness of the Wind": Talma spricht am Gartenzaun mit dem Händler.

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„The Stillness of the Wind“ kennt kein Richtig oder Falsch. Die Tage vergehen und wir können uns entscheiden, ob wir einfach nur herumstehen oder fleißig der Hofarbeit nachgehen. Natürlich will man zuerst einmal besonders eifrig sein. So kümmern wir uns also pflichtbewusst um die Tiere und die Lebensmittel, erkunden die karge Landschaft rund um unser kleines Anwesen und lesen stets den neuen Brief, den wir täglich bekommen. Die Briefe stammen von unterschiedlichen Familienmitgliedern, von unserer Tochter oder unseren Geschwistern. Sie erzählen von ihren Gedanken und Gefühlen, sie erinnern sich an alte Erlebnisse und fragen sich, wie es nun, im Alter, weitergehen soll.

Tagein, tagaus

Je mehr Tage vergehen, desto bedrückender wird die tägliche Routine und die Isolation, der Talma ausgesetzt ist. Die anfänglich heitere Stimmung weicht nach und nach einem beklemmenden Gefühl, zunehmender physischer Schwäche und einer ansteigenden Paranoia. Talma beginnt nun auch seltsam zu träumen, und es kann vorkommen, dass wir Hühner oder Ziegen verlieren, weil sie aus Hunger sterben oder von Raubtieren gerissen werden. Doch der Alltag ändert sich nicht, und letztlich ist es vielleicht auch genau diese Routine, die einen vor dem Absturz bewahrt.

Screenshot aus "The Stillness of the Wind": Talma bei der Käseproduktion.

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Talma bei der Käseproduktion

„The Stillness of the Wind“ ist so ambivalent wie das Leben selbst: Es pendelt zwischen Freude und Trauer, Geborgenheit und Verlust, Rastlosigkeit und Leere. Dadurch hat das circa dreieinhalb Stunden dauernde Spiel stellenweise auch Längen, die zwar Teil der Dramaturgie sind, das Gesamterlebnis dennoch nicht uneingeschränkt empfehlbar macht.

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