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Bomberjacke

STRINGER STRINGER / AFP

Mit der Bomberjacke treten wir an die Stelle von Soldaten

Die Bomberjacke ist aus Mode und Subkultur nicht wegzudenken. Der deutsche Autor Hans-Christian Dany hat alles über Hype und Historie der Bomberjacke zusammengetragen.

Von Gerlinde Lang

Das Massenprodukt Bomberjacke, das die Firma Alpha Industries während des Vietnamkriegs für amerikanische Soldaten hergestellt hat, hat eine große Karriere gemacht. Alles, was man zum Thema Bomberjacke philosophisch, historisch und fashiontechnisch wissen wollen kann, hat der deutsche Autor Hans-Christian Dany in seinem Buch zusammengestellt. Das Buch trägt denselben Titel wie die Seriennummer der Jacke: „MA1 - Mode und Uniform“, erschienen bei Edition Nautilus.

Mit der Bomberjacke wird Soldatenkleidung zivile Kleidung, der Krieg kommt immer mehr in unsere zivilen Leben. Das ist eine der Hauptthesen in Hans-Christian Danys Buch, das sich ganz dem Thema Bomberjacke widmet. Autor Dany war bei uns im FM4 Studio und hat von Hype, Historie und Zukunft der Bomberjacke erzählt:

Hans-Christian Dany mit Bomberjacke

Donnie Londi

Das erstaunliche an dieser Bomberjacken-Mode, die 2012 einsetzt, ist ihr Zeitpunkt: Genau der Moment, in dem der Bomberpilot verschwindet. Das ist ja fast so, als würden nur noch Roboter kochen, und alle fangen an, sich Kochmützen aufzusetzen.

2012 ist das Jahr, in dem die Obama Administration komplett auf Drohnen umschwenkt.

Schon seit dem zweiten Golfkrieg Anfang der 90er, und dann beschleunigt und verstärkt durch den 11. September - findet eine Über-Sicherung des Militärs statt. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an das zentrale Bild des zweiten Golfkriegs: Partisanen oder Guerilla-Armeen in aller Welt, die verzweifelt in den Himmel schießen und versuchen einen Feind zu treffen, der zum Phantom geworden ist. Das beginnt damals mit dem ferngelenkten Angriff auf Bagdad.

Buchcover von "MA1 - Mode und Uniform"

Nautilus Flugschrift

Was dann am 11. September passiert, ist der Gegenschlag eines Teils dieser Armeen, die nur noch gegen unsichtbare, nicht mehr angreifbare, phantomhafte Armeen kämpfen, die mittlerweile in Büros sitzen und ihre Raketen fernlenken beziehungsweise Drohnen schicken: Sie greifen die Zivilbevölkerung an.

Liest man die militärtheoretischen Diskussionen in den USA, ist das die gesamte Zeit miteinbezogen worden. Man ist also von Anfang an davon ausgegangen: Wenn wir unsere Soldaten in dem Maße überschützen/unangreifbar machen, wird sich der Feind einfach irgendwann entscheiden, die Zivilbevölkerung anzugreifen. Diese Risikoauslagerung ist in Kauf genommen worden, und man hat auch nichts daran verändert, eher hat es sich noch mehr zugespitzt.

Das heißt, es kommt zu einer Art Zwangsrekrutierung der Bevölkerung. Und die ist in unserem Lebensgefühl heute drin: Wir wissen, als Teil dieser großen Allianz im Krieg gegen den Terror dienen wir auch als potentielle Ziele, auf dem Weihnachtsmarkt, etc. Ich glaube, dass dieses verstärkte Tragen von Militärkleidung dem Ausdruck verleiht.

Am deutlichsten ist das in einer Bomberjacke geworden, die vor ca. einem Jahr ein ganz großer Erfolg war. Das ist eine orange Jacke von Alpha Industries gewesen. Das nach außen gekehrte orange Innenfutter der Jacke (mit dem der Abgeschossene im Dschungel signalisieren kann: „Hier unten bin ich, rettet mich“) hat einen Aufnäher, den Blood Chit. Dieser Blood Chit ist eine Aufforderung an diejenigen, die die Leiche oder den Schwerverletzten in dieser Jacke abgeschossen finden, ihn nach Hause zu schicken in die USA.
Und diese Jacke kehrt das nach Außen, man trägt den „Bood Chit“ auf dem Rücken wie ein Symbol. Da wird diese Identifikation ganz offensichtlich, „Wir sind an die Stelle (der Soldaten) getreten“.

Bomberjacke umgedreht

Screenshot Dolls Kill

Das passiert natürlich sehr unbewusst. Moden sind ja nichts, wo wahnsinnig lange Konzepte entworfen werden, und alle vorm Regal stehen und denken, „Hm, genau! Wenn wir das jetzt noch durch Deleuze hindurchdenken, sollten wir diese Jacke tragen, als affirmative Strategie von ...“, sondern das passiert ja intuitiv. Und die meisten Leute, die Moden mitmachen, lesen wahrscheinlich nicht Deleuze. Das tut ja kein Mensch, (lacht) das ist ja wirklich sehr uncool.

Was ist unsere Rolle in diesen neuen Kriegen? Die ja auch als so unglaublich selbstverständlich gesetzt werden - es gibt kaum noch Demonstrationen gegen den „Krieg gegen den Terror“. Der wird als so zwangsläufig präsentiert, dass er einfach nur geführt wird. Und wir dem so ausgeliefert sind.

Homebase-Spezialstunde zu Mode und Streetwear

Am 27.2. ab 20:00 steht die FM4 Homebase im Zeichen von Mode und Streetwear. Autor Hans-Christian Dany erzählt über Hype, Historie und Zukunft der Bomberjacke, Bilderbuch Sänger Maurice Ernst spricht über die Funktion von Mode in seinem Leben und verrät, ob er eine Bomberjacke besitzt und Uni-Lektorin und Creative Director Adia Trischler spricht über rassistische Motive in der Mode.

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