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Lizzo Plattencover "Cuz I Love You"

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US-Star Lizzo findet starke Worte zum Weltfrauentag

„Die Besten haben zufällig Vaginas.“ Der Shooting-Star des US-Rap und R’n‘B beantwortet im FM4-Interview einige Fragen zu den Themen Body-Positivity und Feminismus im Pop.

Von Christian Lehner

Mit ihrer Body-Positivity-Hymne „Juice“ hat die US-Rapperin und Sängerin Lizzo nicht nur bei Jimmy Fallon und Ellen DeGeneres mächtig Eindruck hinterlassen. Die in Los Angeles lebende Melissa Jefferson schickt sich an, mit ihrem neuen Album „Cuz I Love You“ (Veröffentlichungstermin 19. April) die Streamingportale und Charts dieser Welt zu knacken. Verzeiht den schmierigen PR-Sprech gerade, aber wer es wagt, den berühmten Anchorman Ron Burgundy zum Jazz-Querflöten-Duell herauszufordern, hat all den Fame dieser Welt verdient.

In Lizzos Texten geht es um Kilos, die man nicht hassen muss, weil man sich selbst nicht hassen sollte, um Feminismus und um eine weltumarmende Message von LOVE, der man sich nur schwer entziehen kann. Wir haben Lizzo einige Tage vor dem Weltfrauentag in Berlin zum Interview getroffen und einige knackige Antworten erhalten.

Frauentag auf FM4

Unter dem Motto „The Future Is Feminist“ liefert FM4 die Playlist zum Weltfrauentag 2019. Von 6 bis 19 Uhr begleiten uns Musikerinnen aus den letzten 50 Jahren Popgeschichte – von A wie Anna Calvi, B wie Beyoncé bis zu Z wie Zola Jesus.

Redaktionell widmen wir uns am Frauentag den österreichischen Bürgermeisterinnen, der ersten weiblichen Marvel-Filmheldin „Captain Marvel“, der neuen Platte von Amanda Palmer, dem neuen Roman „Mutterschaft“ von Sheila Heti - und US-Shootingstar Lizzo beantwortet uns Fragen zu Body-Positivity und Feminismus im Pop. Außerdem besucht uns unser FM4 Artist of the Week Yasmo, um über ihre eigenen Heldinnen zu sprechen.

Christian Lehner: Hallo Lizzo, how are you?

Lizzo: Mir geht es mighty! Ich habe gerade einen Kaffee getrunken und mein Arsch schwitzt.

Äh, magst du Kaffee?

Nein, ich hasse Kaffee, aber ich brauche etwas, um wach zu bleiben bei den Interviews! Weißt du, beim letzten Gespräch bin ich tatsächlich eingeschlafen. Ich habe von den Fernsehnachrichten geträumt. Dann bin ich plötzlich aufgewacht: „Hey, sorry, was war die Frage?“ Die Journalistin: „Du hast sie eben beantwortet!“ Seltsam, Hahaha!

Verstehe, der Jet-Lag, dann immer dieselben Fragen, ich werde mich bemühen …

Wir machen das so: Bei jeder Frage, die ich schon mal gehört habe, mache ich einfach *Tröööööööööt*!

Okay, ich bin vorgewarnt. Wusstest du, dass Berlin den Weltfrauentag zum offiziellen Feiertag erklärt hat?

Was sagst du da? Fuck! Wirklich? Du bist der erste Dude, der mich heute interviewt und ausgerechnet du sagst mir das? Wow! Der Fortschritt lauert an der Ecke. So sollte ein Feiertag sein! Fuck irgendwelche Playlists oder Kalendersprüche auf Twitter. Lass es uns politisch machen, lass uns über Frauenthemen sprechen, lass die Menschen darüber nachdenken, lass es auch eine Angelegenheit des Staates werden.

Das wäre im derzeitigen politischen Klima der USA wohl kaum denkbar?

Es wäre sick, wenn wir das auf den Black History Month umlegen könnten, denn dann hätten wir einen ganzen Monat frei, hahaha! Ich denke, in den USA reden wir zu viel und machen zu wenig. Ich nehme mich davon nicht aus. Twitter ist nicht genug. Ich frage mich oft, warum ich so passiv bin bei vielen Themen. Die Welt benötigt derzeit definitiv einen Tritt in den Arsch.

Man kennt dich nicht nur wegen deiner Musik, sondern auch wegen deiner Body-Positivity und überhaupt positiven Attitüde. Ich denke, es war kein leichter Weg für dich?

*Tröööööt!* Hahaha, nein im Ernst, ich bin das natürlich oft gefragt worden bei den Interviews, aber je mehr ich darüber spreche, desto mehr realisiere ich, wie schwierig es tatsächlich war, der Mensch zu werden, der ich heute bin.

Lizzo

Jabari Jacobs

Und wie hast du es geschafft?

Es gibt diesen speziellen Punkt, wo es reicht. Dieser Tiefpunkt ist entscheidend dafür, wie es weiter geht. Manche werden depressiv, andere tun sich leider etwas an. Ich habe in den Spiegel geschaut und mich durchgerungen, die Person zu akzeptieren, die ich darin sehe. Das hört sich großartig an, war aber alles andere als easy, denn natürlich wusste ich, dass es noch sehr lange dauern wird, bis ich das tatsächlich kann. Aber es war ein Anfang. Es dauerte fast meine ganzen 20er, bis ich wieder Wurzeln in den Boden bekam. Das waren harte Jahre mit viel Selbstbetrug und Schmerz. Heute ist es fast umgekehrt, ich stehe vor dem Spiegel, hebe den Blick und sage: „Shit, I made it!“.

Gab es bestimmte Ereignisse und Erlebnisse, die diesen Prozess beinflusst haben?

Wichtig war für mich der Vorsatz: Ich will nicht mehr unglücklich sein! Es gab natürlich sehr viele prägenden Momente. Da war dieser Junge, der mir sagte, er fände mein Gesicht sehr hübsch, aber mein Körper brauche noch etwas „work“. Er sagte mir das zu einem Zeitpunkt, als ich so schlank war wie nie zuvor und auch nie mehr danach. Er zeigte mein Foto überall rum und meinte, alle anderen würden das auch so sehen. Da waren aber auch Momente wie jener, als ich mit Prince zusammengearbeitet habe. Er war die verkörperte Positivity. Das war ihm unendlich wichtig. Er hat sehr vielen schwarzen Frauen geholfen, sich selbst zu mögen.

Was noch?

Freunde! Freunde, die mir bewusst gemacht haben, dass body dismorphia (eine Störung der Wahrnehmung des Körpers, Anm.) nicht nur übergewichtige Frauen betrifft. Fast alle Frauen leiden an dieser Wahrnehmungsstörung - egal ob groß, klein, durchschnittlich, dünn und so weiter. Diese Erkenntnis hat mir geholfen, etwas besser damit klar zu kommen. Es ist nicht wie in einem Film und das große Wunder stellt sich über Nacht ein. Es sind diese vielen kleinen Momente, die zählen, die es aber auch hart machen, weil es eben eine gewisse Zeit braucht.

Du machst ja schon sehr lange Musik, wann hast du beschlossen, diese Issues in deinen Raps und Songtexten zu thematisieren?

Es gab da diesen einen Song „My Skin“. Das hat sich dermaßen gut angefühlt, als ich den geschrieben und aufgenommen habe, da wusste ich, das ist mein Ding. Das war vor gut drei Jahren. Ich habe noch immer den Tweet, den ich damals abgesetzt habe: „Ich schreibe ab jetzt nur noch positive Songs und wenn du denkst, ich sei zu happy, dann ist das dein Problem!“

Deine Musik umfasst Rap, Trap, traditionellen Soul, Disco, R’n’B. Inspiration holst du dir aber auch vom Riot Grrrl Movement. Immer wenn das Wort „Girl“ bei dir vorkommt, schreibst du es mit den drei Rs. Und stimmt es, dass du mal mit Sleater Kinney aufgetreten bist?

Ich liebe sie so sehr! Als ich damals erfuhr, dass sie zu uns in die Stadt kommen würden, habe ich versucht, dem Veranstalter Tickets abzuluchsen. Als ich dann erfuhr, dass ich keine Karten bekomme, aber ihre Show eröffnen sollte, war ich natürlich voll aus dem Häuschen! Über das Riot Grrrl Movement habe ich erst erfahren, als ich bereits die drei Rs adaptiert hatte. Wir waren eine Crew namens Girl Party und weil wir drei Frauen waren, habe ich den Namen auf Grrrl Party umgetauft. Ein göttlicher Zufall!

In deiner aktuellen Crew befinden sich nur Frauen. War das geplant, oder hat es sich so ergeben?

Das hat sich so ergeben, einfach deshalb, weil Frauen verdammt gut sind in dem, was sie tun. Ich bin sehr wählerisch bei der Jobvergabe. Bei mir kommen nur die Besten zum Zug und zufällig haben die alle eine Vagina.

Deine Message zum Weltfrauentag?

Tweetet den Abgeordneten in den USA: Wir wollen unseren verdammten Frauenfeiertag haben! Hahaha! Im Ernst, ich wünsche euch allen einen wunderbaren Weltfrauentag. Thank god for the women! Feiert eure Intersektionalität, öffnet Türen, geht durch die Decke, reißt Mauern ein und lasst uns alle gemeinsam einen Schritt nach vorne machen.

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