FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Kopf Drahtmodell

CC0

„Hello, Computer!“ - Warum wir gerne mit der Maschine sprechen

Siri, Alexa und Cortana. HAL 9000, GLaDOS und Samantha. Warum sind wir so fasziniert, wenn Computer mit uns so sprechen, als wären sie Menschen?

Von Robert Glashüttner

Bald werden wir nicht mehr wissen, ob an der anderen Leitung der Telefonverbindung ein Mensch oder eine KI mit uns spricht. Das sei aber kein Weltuntergang, meint Nicole He in ihrem Vortrag „Robots Shouldn’t Sound Human: The Aesthetics of the Computer Voice in Art and Games“ beim A MAZE Festival in Berlin. Wenn man der New Yorker Tech-Künstlerin und Programmiererin so bei ihren Ausführungen zuhört, wirken künstliche Intelligenzen und moderne Computertechnologie nicht mehr länger bedrohlich, sondern witzig.

Nicole He interessieren die Banalitäten und Seltsamkeiten, die die zeitgenössische Datenverarbeitung so mit sich bringt. Es ist eine Antithese zu unserem landläufigen Bild der Computerperfektion, das von Medien und Wissenschaftern gerne vermittelt wird. Dieser Zugang stellt den düsteren Science-Fiction-Dystopien, die immer mehr unseren alltäglichen Diskurs durchdringen, befreienden Slapstick entgegen: Wenn dann die als Menschen getarnten KIs telefonieren, so Nicole He, werden sie nicht mehr nur mit uns sprechen, sondern auch miteinander - inklusive aller „menschelnder“ Ähhs, Umms und anderer Füllwörter, die sie sich dann wieder wechselseitig rausfiltern müssen.

Screenshot von Nicole Hes Website

Nicole He

Digitale Assistentinnen

Kein Wunder, dass Sprachsynthese und die verbale Mensch-Maschine-Interaktion das aktuelle Spezialgebiet von Nicole He ist: In diesem Themenfeld passiert technologisch ebenso viel wie gesellschaftlich und popkulturell. Sprechende Computer kennen wir in fiktiven Varianten seit über 50 Jahren: HAL 9000 aus „2001: Odyssee im Weltraum“, Samantha aus „Her“, GLaDOS aus „Portal“ oder die Computerstimmen aus Star Trek sind nur ein paar bekannte Beispiele. Die realen Entsprechungen, also digitale Assistenzprogramme wie Siri, Alexa oder Cortana, gibt es erst seit ein paar Jahren, sie orientieren sich aber weitgehend an den (harmlosen) Vorbildern aus Film und Spiel.

Nicole He

Nicole He

Nicole He ist Tech-Künstlerin und Programmiererin. Sie ist Teil des Google Creative Lab. FM4 hat sie Mitte April beim A MAZE-Festival in Berlin interviewt.

Egal, ob fiktiv oder faktisch: Auffällig ist, dass für sprechende Computer in den meisten Fällen Frauenstimmen zum Einsatz kommen. Die gesellschaftlichen und psychologischen Hintergründe dahinter sind weitläufig; begründet wird diese Entscheidung von den Herstellerfirmen oft damit, dass Frauenstimmen beruhigender wirken würden. Fest steht, dass es ein seltsam-rückwärtsgewandtes Bild abgibt, wenn ein erboster Mann auf seine als Quasi-Frau sprechende Spracherkennung einschimpft.

Nicole He plädiert dafür, dass sich nicht nur Techniker*innen mit der Gestaltung von Sprachsynthese befassen sollten, sondern auch Künstler*innen und Designer*innen. Die für sie beste Lösung wäre eine menschlich klingende Stimme, die aber keinem Geschlecht zugeordnet werden kann. Eine menschliche oder menschlich wirkende Stimme sei aber wichtig für uns, weil das die für uns natürlichste Art des Kommunizierens ist. Das würde aber nur dann funktionieren, wenn die KI bzw. der Sprachassistent keinen Körper und keine virtuelle Repräsentation hat. Roboter - so auch der Titel des Vortrages - sollten mitunter auch Roboter bleiben dürfen.

Talk to me!

Ebenso interessant wie die quasi-menschlichen Computerstimmen, die zu uns sprechen, sind die Möglichkeiten, wie wir zu und mit Computern sprechen können. Als Spracheingabe technisch noch nicht möglich war, konnten Nicht-Programmierer*innen über einen sogenannten Parser mit dem Computer kommunizieren - etwa bei alten Textadventure-Computerspielen. Freilich musste man erst Syntax und Wortschatz dieser vereinfachten Sprache (meist ein simples Englisch) erlernen, um sinnvolle Befehle erteilen zu können.

Im Zeitalter der Spracheingabe wirkt so manche Technik zwar auf den ersten Blick zukunftsweisend und beeindruckend, doch im Alltag ist die Mensch-Maschine-Kommunikation weiterhin von falsch „gehörten“ Befehlen und Missverständnissen geprägt. Nicole He hat dazu ein eigenes Projekt umgesetzt: Im Game „ENHANCE.COMPUTER“ (siehe Bild oben) versucht man sich von der Ferne aus an einer Tatortuntersuchung. Die dafür eingesetzte Kamera steuert man per Sprachbefehle. Erwartungsgemäß funktioniert das allerdings nur mäßig gut.

Gesprochene Sprache oder Gedankenübertragung?

Die Frage, welche Eingabe- und Ausgabemethoden bei der Mensch-Maschine-Kommunikation in den nächsten zehn bis 20 Jahren die schnellsten und effizientesten sein werden, ist erstaunlich schwer zu beantworten. Ob menschliche Sprache eine bleibende Rolle einnehmen wird, ist nicht gesagt. Denn selbst wenn Inhalte perfekt ankommen und ausgegeben werden, wissen wir aus der Science-Fiction, dass Gedankenübertragung die wesentlich direktere Kommunikationsmethode ist. Damit lässt sich im Alltag freilich nicht so viel Aufmerksamkeit erregen. Egal also, wohin sich die Technik entwickelt: Die performativ-theatralische Sprachkommunikation wird auch in der Zukunft unser Favorit beim Kommunizieren mit Computern bleiben.

Nicole He im Interview mit FM4

Diskutiere mit!

mehr Netzkultur:

Aktuell: