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Film-Szenenbild aus "X-Men: Dark Phoenix"

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Mit „Dark Phoenix“ endet die X-Men-Saga

Die Marvel-Mutanten, die fast 20 Jahre Kinogeschichte hinter sich haben, feiern in „Dark Phoenix“ einen vorläufigen Abschied. Aus diesem Anlass auch ein kleiner Rückblick.

Von Christian Fuchs

Alles hat einmal ein Ende. Erst vor kurzem verabschiedeten sich die Avengers auf bombastische und melodramatische Weise von der Leinwand. Zumindest bis einzelne Mitglieder wie Spider-Man oder Black Panther wieder zu filmischen Soloexkursionen aufbrechen. Vorher kämpft aber die andere große Superheldentruppe des Marvel-Universums eine tragisches Endgame. Die X-Men legten vor beinahe zwei Jahrzehnten den Grundstein für das moderne Comickino.

Anno 2000 machte Regisseur Bryan Singer auch klar, dass die Schönheit im Andersartigen liegt und Mutanten die besseren Menschen sind. Der erste „X-Men“-Streifen wurde durch seinen Erfolg zum Startpunkt für eine Saga, die einige große Momente zu bieten hatte, aber auch in verwirrende, diffuse Richtungen abdriftete. Mehrere Sequels und Prequels folgten - und in Spin-offs rund um Wolverine und Deadpool tobten sich beliebte Charaktere im Alleingang aus.

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Inzwischen kam es auch hinter den Kulissen der Filme zu drastischen Veränderungen. Bryan Singer, der sich als bisexueller Regisseur mit jüdischen Wurzeln anfangs als Advokat aller Außenseiter präsentierte, ist heute wegen Missbrauchsvorwürfen persona non grata in Hollywood. Auch sein Kollege Brett Ratner („X-Men: The Last Stand“) stolperte fatal über die #metoo-Bewegung.

Inzwischen kamen und gingen die Stars am Set, wurden dank einer Veränderung der Timeline ältere Mutanten-Darsteller wie Patrick Stewart oder Ian McKellen gegen jüngere Schauspieler ausgetauscht. Sophie Turner, bekannt als Sansa aus „Game of Thrones“, gehört diesbezüglich zu den frischesten Neuzugängen. Und jetzt muss die 23-jährige Britin in „Dark Phoenix“ den Schwanengesang der X-Men fast ganz auf ihren Schultern tragen.

Würdiger Abschluss einer Ära

Sophie Turner spielt Jean Grey, eine Mutantin mit telekinetischen Fähigkeiten und traumatischer Vergangenheit, die einst von Femke Janssen verkörpert wurde. Als sie bei einem Unfall im All mit einem unerklärbaren kosmischen Phänomen konfrontiert wird, wachsen nicht nur ihre Kräfte ins Unermessliche. Auch die innere Zerrissenheit von Jean vergrößert sich dramatisch. Manipuliert von einer Gruppe außerirdischer Invasoren rund um die eisige Vuk (Jessica Chastain) wird sie zur tickenden Zeitbombe für ihre X-Men-Freunde.

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Dass sich „Dark Phoenix“ wie das Ende einer Ära anfühlt, hat nicht nur mit der Story zu tun. 20th Century Fox, die Produktionsfirma hinter den X-Men-Filmen, wurde kürzlich vom Disney-Konzern gekauft. Und dieser steht wiederum schon seit längerem hinter den mächtigen Marvel Studios. Irgendwann in der Zukunft werden also die Karten neu gemischt und neu gecastete X-Menschen vereinen sich filmisch mit den Avengers und den Guardians of the Galaxy. Die X-Men-Reihe, wie wir sie bisher kennen, wird im Rahmen des offiziellen Marvel Cinematic Universe dann Geschichte sein.

Das sind allerdings keine wirklich schlechten News. Denn die Mutanten-Serie hatte sich eigentlich spätestens mit dem grottenschlechten „X-Men: Apocalypse“ spannungstechnisch erledigt. „Dark Phoenix“ ist jetzt aber zumindest ein halbwegs würdiger und solider Abschluss. Simon Kinberg, als Produzent und Autor schon seit 2005 dabei, lebt in seinem Regiedebüt die Liebe zu seinen Charakteren aus. Und zwar gänzlich unironisch, was im Gegensatz zu den verschmitzten One-linern der Avengers im Marvel-Stammhaus steht.

Diese ernsthafte Zuneigung zu den Figuren, zusammen mit dem melancholischen Goodbye-Gefühl, rettet den Film über weite Strecken. Da vergisst man, vom finsteren Pathos berührt, gerne einmal die absolute Berechenbarkeit des Plots oder auch eine leicht überforderte Sophie Turner in der Hauptrolle. Ja, sogar die an sich wunderbare Jessica Chastain als uncharismatische Alien-Invasorin - she ain’t Thanos - lässt sich verdrängen.

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Coole Rolemodels für Sonderlinge

Ein so epochales Finale wie das der Avengers darf man bei den X-Men also nicht erwarten. Aber zumindest bietet „Dark Phoenix“ die Gelegenheit, einen letzten sentimentalen Blick auf Jennifer Lawrence, James McAvoy, Michael Fassbender & Co. zu erhaschen - und leise „Servus“ zu sagen.

Was rückblickend als Verdienst bleibt? Die X-Men holten die Sonderlinge ins Rampenlicht. Schon das Comic aus Mitte der 60er Jahre, von Stan Lee und Jack Kirby, galt als Kultlektüre der Schulhof-Außenseiter. All die Einzelgänger, Unsportlichen und Brillenschlangen, die Migranten und Ausgestoßenen hatten plötzlich coole Rolemodels in schicken Heldenuniformen. Das ist auch das wichtigste filmische Vermächtnis der X-Men. In diesem Sinne: Get ur Freak on!

Die wichtigsten X-Men Filme im Überblick:

X-Men, 2000, R: Bryan Singer
Der Schlüsselfilm für das Comickino, wie wir es heute kennen. Bryan Singer inszeniert seine bizarren Figuren in seltsamen Kostümierungen todernst - und abseits überzeichneter Plakativität à la „Sin City“ oder der ironischen Verspieltheit von Sam Raimis „Spider-Man“. Aus heutiger Sicht wirkt der erste „X-Men“ allerdings schon fast zu zurückhaltend.

X2 (X-Men 2), 2003 R: Bryan Singer
Musste sich Teil 1 noch mit der Einführung unzähliger Charaktere plagen, geht es in „X2“ von Null auf Hundert. Was nicht nur die Actionsequenzen betrifft. Auch die Konflikte, Qualen und Romanzen der (Anti-)Helden eskalieren vom ersten Augenblick an. Das Ensemble aus vertrauten und frischen Gesichtern funktioniert prächtig, allen voran Hugh Jackman als Wolverine, der die besten Sätze und die härtesten Kampfszenen hat. Für viele einer der besten Comicfilme überhaupt.

X-Men: The Last Stand (X-Men: Der letzte Widerstand), 2006, R: Brett Ratner
Der angeblich schlechteste X-Men-Film ist einen Hauch besser als sein Ruf. Brett Ratner fügt der Saga zugegeben nichts Entscheidendes hinzu. Aber indem er sich beinahe sklavisch an die stilistischen Vorgaben von Singer hält, gelingt ihm ein passabler Abschluss der Original-Trilogie rund um Professor X, Magneto, Storm, Jean Grey & Co.

X-Men Origins: Wolverine 2009, R: Gavin Hood
Guter Typ, schwacher Film. Wolverine ist der Clint Eastwood des Marvel-Universums, ein störrischer, einsamer Wolf, im wortwörtlichen Sinn. Und - er hat auch noch (schwarzen) Humor. Leider erzählt Regisseur Hood die epische Geschichte, wie aus dem animalischen Mutanten James Howlett zunächst der raubeinige Soldat Logan und dann der gefährliche Wolverine wird, ziemlich lieblos und formelhaft.

Film-Szenenbild aus "X-Men Origins: Wolverine"

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X-Men: First Class (X-Men: Erste Entscheidung) 2011, R: Matthew Vaughn
Blutauffrischung im X-Men-Lager: „First Class“ spielt im Jahr 1962 und gibt dem Film die Gelegenheit, die jüngeren Versionen ikonischer Heldenfiguren zu präsentieren. James McAvoy, Jennifer Lawrence und Nicolas Hoult gehören von jetzt an zum fixen Ensemble. Die besten Auftritte hat aber Michael Fassbender als grimmiger Erik Lehnsherr, der hier bildgewaltig zu Magneto mutiert. Der poppigste Film der Reihe mit hohem Entertainment-Faktor.

The Wolverine (Wolverine: Weg des Kriegers) 2013, R: James Mangold
In seinem sechsten Leinwandauftritt als Wolverine kämpft sich Hugh Jacksam als moderne Version eines Samurai-Kriegers durch die japanische Unterwelt. Gedreht von James Mangold, einem Spezialisten für düsteres Charakterkino, beginnt der Film sehr vielversprechend. Um dann leider im letzten Drittel mit lächerlichen Twists und schlechten CGI-Effekten zu enttäuschen.

X-Men: Days Of Future Past (X-Men: Zukunft ist Vergangenheit), 2014, R: Bryan Singer
Wen die Geschichte rund um unzerstörbare Sentinel-Roboter und Zeitreisen an die Terminator-Filme erinnert, der liegt nicht falsch. Trotzdem ist alles noch komplizierter. Denn „Days Of Future Past“ spielt nicht nur in der dunklen Zukunft und den poppigen 70er Jahren. Wir haben es auch mit zwei Ensembles zu tun: den X-Men rund um Patrick Stewarts Professor Xavier und der Mutantentruppe, die sich um dessen jüngeres Pendant
James McAvoy versammeln. Bryan Singer inszeniert das Geschehen aber dermaßen klassisch, bisweilen fast altmodisch, dass auch der ärgste Physikverweigerer nicht den roten Faden verliert.

Film-Szenenbild aus "X-Men Origins: Days Of Future Past"

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X-Men: Apocalypse, 2016, R: Bryan Singer
Apokalypse lau: Der mit digitaler Action völlig überladene, teils miserabel gespielte und bisweilen unfreiwillig komische Tiefpunkt der Saga, über den man kein weiteres Wort verlieren sollte.

Logan, 2017, R: James Mangold
Ein Meisterwerk: Weit weg von allen schematischen Vorgaben, nach denen Superhelden-Blockbuster am Fließband gedreht werden, tanzt das ultimative Wolverine-Epos in jeder Hinsicht aus der Reihe. Keine blöden Massenaufmärsche von Superhelden. Keine endlos faden GCI-Schlachten. Stattdessen eine Comicverfilmung als Meditation über die Vergänglichkeit - und über Kinder, die sich über die Verbitterung der Alten hinwegsetzen. Zwischen all der hartgekochten Gewalt flackert Sentimentalität wie in alten B-Western auf und auch ein politischer Subtext.

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