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FM4 Extraleben am Ars Electronica Festival 2019

Chris Stipkovits

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FM4 Extraleben über künstliche Intelligenz und Games

Künstliche Intelligenz ist in Computer- und Videospielen heutzutage allgegenwärtig. Ein FM4 Extraleben über Chancen, Herausforderungen und auch Risiken der KI im Bereich der Games.

Von Robert Glashüttner

Künstliche Intelligenz ist ein Thema, das derzeit in der Öffentlichkeit allgegenwärtig ist. Doch obwohl diese beiden Worte so oft geschrieben und ausgesprochen werden, bleibt das grundlegende Konzept dahinter weiterhin vage und wenig greifbar, wie auch Anna Masoner in ihrem Artikel über KI am Ars Electronica Festival 2019 schreibt.

Es ist also ratsam, sich diesem offenbar sehr breiten Thema in spezifischen Kontexten zu widmen. Doch selbst im Rahmen von Computer- und Videospielen ist das Thema künstliche Intelligenz sehr reichhaltig. Sprechen wir nun über die Schlauheit von Nicht-Spieler*innen-Charakteren (NPCs) in Games? Von Intelligenz, die sich im Game aus unseren Handlungen heraus entwickelt? Von smarten Gegnern, die uns ein spannendes und herausforderndes Spielerlebnis bieten wollen? Oder doch von einer KI, die uns in unserem Lieblingsgame schlägt?

Conny Lee, Rainer Sigl und ich haben für unser erstes FM4 Extraleben nach der Sommerpause einen Ort gewählt, der sich fürs Sprechen über KI in Games anbietet - nämlich das bereits erwähnte Ars Electronica Festival, das dieses Jahr zwar nicht offiziell unter dem Motto Künstliche Intelligenz gestanden hat, dieses Oberthema aber dennoch in vielen Ausstellungen, Projekten und Performances Schwerpunkt war.

Fremd und unergründbar

Künstliche Intelligenz bietet dabei nicht nur unglaublich viele Fragen und Möglichkeiten für die Gegenwart von Technologie und Automation, sondern auch großartigen Stoff für Geschichten: Nicht umsonst sind Entitäten aus Games wie GLaDOS („Portal“) oder Shodan („System Shock“) mindestens so vielschichtig wie etwa Commander Data aus Star Trek oder HAL-9000 aus „2001: Odyssey im Weltraum“. Und egal, ob schlaue Software oder smarter Androide: KIs aus Science-Fiction-Geschichten faszinieren uns ob ihrer Andersartigkeit. Sie sind für uns Menschen vom Prinzip her ähnlich seltsam wie Aliens von fernen Planeten: Ultimativ sind und bleiben beide für uns fremd und unergründbar.

KI in Games ist freilich etwas Anderes als der aktuelle, wissenschaftliche Stand der Forschung an künstlicher Intelligenz in all ihren Facetten. Bei Spielen gilt: Es zählt, was unterhält bzw. fasziniert und zum Staunen bringt. Ob sich dahinter eine tatsächliche KI verbirgt oder geschickt designte und programmierte Spielumgebungen uns nur glaubhaft vorgaukeln, dass hier erstaunliche Intelligenzen am Werk wären, ist einerlei. Menschen haben bekanntlich eine grundlegende Sehnsucht danach, Dinge und Ideen glauben zu wollen und leblose Gegenstände und Prozesse zu beseelen.

Schon der berühmte Schachtürke aus 1769 hat die Idee der klugen (Spiel)Maschine in uns eingepflanzt, und knapp 200 Jahre später hat der Informatik-Pionier Joseph Weizenbaum mit seiner Psychotherapie-Software ELIZA das Prinzip des Turing-Tests erst in der Wissenschaft und später auch in der Gesellschaft populär gemacht. Wir müssen uns nicht schämen, wenn wir Mensch nicht immer von Maschine unterscheiden können. Wir sollten nur urmenschliche Stärken wie Intuition, Sinne, Humor und Inspiration nicht unterschätzen.

Håkan Lidbo über künstliche Intelligenz

Auf die Stärken der menschlichen Natur, des menschlichen Bewusstseins und seiner individuellen Form der Intelligenz beruft sich auch der schwedische Medienkünstler Håkan Lidbo immer wieder. Er war bei unserer Extraleben-Dreierrunde in Linz beim Ars Electronica Festival auf der Bühne zu Gast und hat auch eines seiner Spiele mitgebracht: „Mathrix“, eine ebenso verspielte wie komplexe Mischung aus Musiksequencer und Brettspiel.

Seine Spiele sollen uns auf das kommende Koexistieren mit künstlichen Intelligenzen vorbereiten. Wir sollten dazu übergehen, mehr nichtlinear zu denken und aus gewohnten und geradlinigen Denkprozessen auszubrechen. Etwas schade sei es zwar, so Håkan Lidbo, dass wir zu jener Generation gehören würden, die die wilde Bestie KI erst - auch unter Leid - zähmen müsste. Doch wenn man in der Menschheitsgeschichte zurückschaut, sind auch der Ochsenkarren oder die Dampflok irgendwann vom Menschen gezähmt worden und haben damit ihre gefährliche Ausstrahlung weitgehend verloren.

Fragt sich nur, ob vom Menschen geschaffene Spiele oder doch von Maschinen entwickelte Games uns besser auf die Interaktion mit den schlauen Maschinen und künstlichen Intelligenzen der Zukunft vorbereiten. Fest steht, dass auch in der Gamesindustrie künftig Jobs auf dem Spiel stehen, wenn kluge Automatisierungsprozesse immer öfter in Programmierung und Softwaregestaltung eingreifen.

Wechselseitige Inspiration

Andererseits wird man wiederum neugierig, was dabei rauskommt, wenn man smarte Algorithmen zu Gamesentwicklern macht. Texterstellung von KI funktioniert bis zu einem gewissen Grad bereits heute - und wenn man das nun hochrechnet, könnte es nun sein, dass in 10-20 Jahren auch aufwendige Games von künstlichen Intelligenzen entwickelt werden. Wenn wir sie irgendwann - frei nach Håkan Lidbo - steuern und zähmen lernen, sollte der wechselseitigen Inspiration nichts im Weg stehen. Bis es soweit ist, sollten wir aber lieber aufs „Mindset“ der KIs vorbereiten - etwa im freien Browsergame „Universal Paperclips“, wo früher oder später die ganze Welt zu Büroklammern wird. Eine künstliche Intelligenz kennt eben keine halben Sachen.

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