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Florian Schlederer

Radio FM4 | Ali Cem Deniz

„Evelynes Kassette“ - Platz 3 bei Wortlaut für Florian Schlederer

Florian Schlederer gewinnt mit einer Geschichte in Form einer Tonbandaufnahme Platz 3 bei Wortlaut, dem FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb.

Von Barbara Köppel

„Ehrlich gesagt, kann ich mich gar nicht so recht daran erinnern, diese Geschichte geschrieben zu haben“, lacht Florian Schlederer, der in einem roten und in einem grünen Waldviertler-Schuh ins FM4-Studio spaziert ist. „Ich habe sie in einem meiner Ordner auf dem Computer gefunden, und weil darin das Moment des Privaten so stark ist, habe ich sie überarbeitet und bei Wortlaut eingereicht.“

Wortlaut, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb

„Evelynes Kassette“ handelt von einer Frau, die eine Audiokassette für ihren ehemaligen Lebensgefährten aufnimmt. Sie tut das, weil sie selbst seit Jahren Päckchen mit Kassetten erhält, auf denen ihr völlig fremde Menschen ihre Lebensgeschichten erzählen. Von wem diese Aufnahmen kommen und wieso sie ausgerechnet bei ihr landen, bleibt bis zum Schluss ein Rätsel, das mit etwas Fantasie und präziser Analyse des Textes zumindest in Ansätzen gelöst werden kann.

Ein Text mit Häh-Effekt

Fürs Erste lässt einen die Lektüre aber mal mit einigen Fragen zurück. „Schreiben ist für mich wie Rätsel erstellen, und ich selbst liebe Geschichten, die einen überraschen, sodass man sie am liebsten gleich nochmal liest und den Hinweisen folgt, die man zunächst übersehen hat.“

Florian Schlederer

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Florian Schlederer

Jahrgang 1992 aus Gerasdorf in Niederösterreich, hat an der Uni Wien mit Auszeichnung Physik studiert und sich während Forschungsaufenthalten in Oxford und Tokio mit Quantenphysik beschäftigt.

Heute ist er Kurator im Technischen Museum in Wien, Science Educator an der Volkshochschule und engagiert sich ehrenamtlich beim Klimavolksbegehren und bei Fridays for Future.

Er schreibt, seit er lesen kann. Lyrik und einige fiktive Texte wurden auch schon in kleineren Literaturmagazinen gedruckt.

Florian Schlederer ist eigentlich Physiker und hat einen Hang zum Technischen und Vertrackten. Außerdem experimentiert er gerne. Daher ist „Evelynes Kassette“ fast komplett wie das Transkript einer Tonbandaufnahme geschrieben, quasi ein Monolog mit etlichen Punkterln und Gedanken, die nur in Halbsätzen angerissen werden.

"... als Freundinnen hat man ja doch nur einen gewissen Schlag an Leuten, aber bei den Tonbändern ... das ist die Menschheit quer durch die Bank ... und eigentlich haben sie nur eines gemein: Sie haben irgendwelche Sorgen (...) über ganz alltägliche Dinge manchmal, wie etwa, ob sie genug Eisen zu sich nehmen ... oder ob sie das Pickerl für den alten Wagen bekommen ... oder ob jemand bei ihnen im Haus einbrechen wird ... diese Dinge eben ... und sie sorgen sich, weil alles anders ist, als sie erwartet haben ... gerade ihre Beziehungen ... nichts ist so, wie es sich gehört hätte ... du fändest viele von ihnen banal, Günther ..."

Ein Text zum Vorlesen

Florian hat diesen Stil sogar geprobt. „Ich habe mich selbst aufgenommen, um festzustellen, was und wie ich Dinge sage. Wie viele Ähms, Achsos und Alsos kommen da vor? Wo mache ich Pausen oder werde schneller?“ Beim Vorlesen vor Freund*innen hat er gemerkt, dass der mündliche Vortrag auch die bestmögliche Art der Rezeption für seinen Text ist. Also entweder zuhören oder selbst laut lesen. Dabei kann auch gern improvisiert werden.

Die Wortlaut-Jury war von dieser „erstaunlichen Erzählperspektive“ jedenfalls sehr angetan. „Es ist reizvoll, wenn man dadurch erst peu à peu erfährt, was der Hauptfigur widerfahren ist“, sagt die Jurorin Verena Rossbacher. Auch Juror Marc Elsberg gefällt der Spannungsbogen im „Kammerspielsetting“ und „die vielen Figuren, die gezeichnet werden, obwohl sie gar nicht vorkommen.“

Tatsächlich ist es bemerkenswert, wie viele Schicksale sich in „Evelynes Kassette“ auftun, wo es doch vordergründig um die Vergangenheit der Protagonistin und ihrer Familie geht. Florian Schlederer braucht nur wenige Worte, um Charaktere entstehen zu lassen, deren Innenleben man nicht nur nachvollziehen, sondern auch gedanklich weiter ausmalen kann.

Die Rede über das Private ist dabei sehr ambivalent. Einerseits schwingt die Angst vor der Banalität mit, andererseits erfahren es die Figuren als ungemein erleichternd, ja nahezu kathartisch, endlich das auszusprechen, wofür sie sich vielleicht schämen oder was sie sprichwörtlich für „nicht der Rede wert“ halten. Denn natürlich ist gerade das, was wir vor anderen verstecken, auch das, was uns am meisten miteinander verbindet.

"... ich glaube nicht mehr, dass wir seltsam waren, Günther ... hinter den Kulissen leben alle eine Sonderlösung ... jeder sorgt sich, dass etwas nach außen dringt ... wenn sie wüssten, dass es allen gleich geht ..."

Buchcover von Wortlaut

Radio FM4

FM4 Wortlaut Party

Florian Schlederer liest seinen Text bei der Wortlaut-Party, wo auch die Gewinner*innen von Platz 1 und 2 ihre Geschichten lesen, und die Großen Zehn ihre Preise erhalten.

Julius Meinl

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Alle drei Preisgelder werden von Julius Meinl zur Verfügung gestellt.

Florian Schlederer gewinnt:

Der Standard

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Ein Auszug aus dem Gewinnertext wird im STANDARD veröffentlicht.

Hier ist der ganze Text nachlesbar

Die GewinnerInnen von FM4 Wortlaut 2019

Portraits der drei Erstplatzierten gab es diese Woche in der FM4 Homebase und im FM4 Player.

Platz 3: Florian Schlederer: „Evelynes Kassette“ (7.10.)
Platz 2: Katherina Braschel: „Spargel aus dem Glas“ (9.10.)
Platz 1: Lukas Gmeiner: „erbseneintopf“ (10.10.)

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