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Men I Trust

Men I Trust

„Oncle Jazz“ von Men I Trust ist der perfekte Herbstsoundtrack

Ein bisschen Jazz, ein bisschen DIY und ganz große Synthie-Gefühle – das steckt hinter dem dritten Album von Men I Trust.

von Michaela Pichler

Wer auf Dream-Pop mit Do-It-Yourself-Charakter steht, dem ist bestimmt schon einmal die kanadische Bandformation Men I Trust untergekommen.

Auf diversen Streamingplattformen stolpert es sich in den letzten Jahren durch dieses Musikgenre ganz gut, Men I Trust sind dafür der beste Beweis: Hinter dem Trio aus Montreal stehen Jessy Caron, Emma Proulx und Dragos Chiriac, die seit 2014 mit ihrem smoothen Sound aus warmen Gitarren, geflüstertem Gesang und unaufgeregter Verträumtheit aktiv sind.

Liebe braucht Zeit

Men I Trust machen alles anders. Das Indie-Pop-Trio kurbelt zum Beispiel die selbstgeschmierte Promomaschine etwas länger an als gewohnt: Zwei Jahre lang wird ihr drittes Studioalbum „Oncle Jazz“ angekündigt, verschoben und versprochen. Das heißt, zwei Jahre Erwartungshaltung schüren und diese dann immer mal wieder mit kleinen Häppchen im Single-Format füttern und für kurze Zeit zufriedenstellen. Für die treue Hörer*innenschaft gibt es dafür auch immer mal wieder schöne Musikvideos, die sich aus analogen Vintage-Aufnahmen und Sonnen-getränkten Farben speisen.

Während ihre Youtube-Klicks als Reaktion darauf immer und immer wieder in den Millionen-Bereich rutschen, arbeiten Men I Trust in der Zwischenzeit in alter, vorbildlicher Independent-Manier: Ganz ohne Management, PR-Firma oder Label im Rücken, frei und ungebunden wird Musik gemacht. Für diesen DIY-Ethos kann man sich auch einmal mehr Zeit lassen. Gut Ding braucht eben Weile – oder wie Men I Trust auf Social Media formulieren: We want it to be the best it can be. Love takes time.

Cover Oncle Jazz

Men I Trust

„Oncle Jazz“ - das dritte Studioalbum von Men I Trust – ist als Eigenproduktion erschienen.

Was dabei nun herausgekommen ist, will sich auch in keine 40-minütige Plattennorm pressen lassen: Das liebevoll geschniegelt und gestriegelte Album hat mit 24 Songs eine stolze Länge von über 70 Minuten. Ein Longplayer mit Konzept-Charakter – auf „Oncle Jazz“ wechseln sich kleine und große Popsongs mit eklektischen Ausflügen ohne Gesang thematisch ab. Die instrumentalen Interludes, die mal mehr, mal weniger nach Blue Notes und Jam Session klingen, machen dem Albumtitel musikalisch alle Ehre. Men I Trust sind trotz ihrem warmen Indie-Rock aber auch in ihrer Bandgeschichte gar nicht so weit weg vom Jazz. Einer ihrer ersten Festivalauftritte war auf dem Montreal Jazz Festival – dem größten seiner Art.

Qualitativer Eklektizismus for the win

Konzept-Album oder doch lieber Soundtrack? Men I Trust könnten mit ihrem „Oncle Jazz“ auch gut einen 80er-Jahre-Streifen vertonen. Im Song „Norton Commander“ klingen die Synthesizer als würden sie in die Tiefsee eintauchen oder ins All abheben – auf jeden Fall über- und unterirdisch gut verzerrt. Fans von Tame Impala kommen dabei genauso auf ihre Kosten wie Metronomy-Liebhaber*innen, wenn es ein bisschen danciger wird wie im Song „Tailwhip“. Mit dem richtigen Drive bekommen Men I Trust am neuen Album aber auch Post-Punk-Züge – wie in „Say Can You Hear Me“. Und genau diese wunderbare Mischung macht den Zauber der drei Montrealer Musiker*innen aus: Wer sich von der ungewohnten Überlänge nicht abschrecken lässt, wird musikalisch belohnt.

Men I Trust sagen mit „Oncle Jazz“ der sommerlichen Leichtigkeit endgültig ade. Verblueste Gitarrenriffs und wattige Synthies hüllen einen beim Anhören in einen Dream-Pop-Schal, den man sich an den ersten frostigen Herbsttagen sehr gerne um die Ohren wickelt. Mit Songs wie „Show Me How“ ziehen sie einem die dringend benötigten Handschuhe über, wenn Sängerin und Gitarristin Emma Proulx gewohnt sachte flüstert: „Tell me why your hands are cold.“ Warmer, abwechslungsreicher Indie für all das Kalte, das noch kommen mag.

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