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Die Verhandlungsteams von ÖVP und Grünen

APA/ Roland Schlager

Do’s und Don’ts beim Verhandeln einer Regierung

Rund 100 Personen verhandeln gerade eine mögliche türkis-grüne Regierungskoalition. Was hinter verschlossenen Türen genau besprochen wird, erfahren wir nicht. Aber wir können euch verraten, wie man sich Koalitionsverhandlungen vorstellen kann, welche Fehler es zu vermeiden gilt und an welche Grundsätze sich die VerhandlerInnen besser halten sollten.

Von Lena Raffetseder

Es ist nicht das erste Mal, dass ÖVP und Grüne Regierungsverhandlungen führen: schon 2003 hat es Gespräche gegeben - eine Regierung ist bekanntlich nicht entstanden. In zweiter Reihe dabei waren damals Heidi Glück (als Pressesprecherin von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel) und Lothar Lockl (der ehemalige Kommunikationschef der Grünen und damit rechte Hand von deren Bundessprecher Alexander Van der Bellen). Heute leiten beide eigene Kommunikations- und Strategiebüros. Wir haben mit ihnen über ihre Erfahrungen bei Koalitionsverhandlungen gesprochen und sie haben uns die wichtigsten Regeln für solche Gespräche verraten.

33 Fachgruppen, 6 Hauptgruppen, 1 Steuerungsgruppe

Am Anfang jeder Verhandlung steht eine Vision. Die Parteien müssen sich einig sein, wo sie Österreich in fünf Jahren sehen. Erst dann geht’s um die einzelnen Punkte, die zu diesem Ziel führen sollen.

Es entstehen viele kleine Verträge, sagt Lothar Lockl: „Manche von uns unterschreiben einmal einen Mietvertrag für eine Wohnung, aber in diesem Fall ist das viel komplexer. Da sind hunderte Teilverträge abzuschließen.“ Alles, worauf man sich nicht in den unteren Ebenen einigen kann, wandert in die Steuerungsgruppe.

Auf dieser Ebene werden auch die Ressorts verteilt. Lockl und Glück bestätigen: Wer welches Ministerium bekommt, wird erst am Schluss festgelegt. Auch wenn beide Parteien schon von Beginn an wissen, welches sie gerne hätten. Man hantelt sich bis dahin von einem Kompromiss zum nächsten.

No-go’s der Verhandlungen

Dabei kann man auch einiges falsch machen: schlechte Vorbereitung, die Verhandlungen nicht ernst nehmen, zu taktisch agieren, zu kurzfristig denken, fehlender Respekt. Man muss auf Augenhöhe miteinander sprechen und auch die Position des Gegenübers verstehen. Es nützt nichts, dem Gegenüber Dinge abzuringen, die nicht vor dessen Partei oder WählerInnen zu argumentieren sind.

„Den Anderen permanent zu überfordern macht keinen Sinn“, sagt Heidi Glück, „manchmal ist es besser, dem Gegenüber die Chance zu geben, zwei, drei Punkte durchzubringen, dann hat die Person vielleicht ein besseres Gefühl und ist dann offener für ein schwierigeres Thema.“

Ein neues Kennenlernen

Man kann erahnen, was der anderen Partei wichtig ist, aber genaues erfährt man erst am Verhandlungstisch. „Man glaubt immer, die kennen sich, aber das stimmt nicht“, sagt Lothar Lockl. Man kennt sich vielleicht aus Diskussionen, aus dem Wahlkampf oder durch ungleiche Gespräche zwischen Regierung und Opposition. Deshalb sind diese Verhandlungen so wichtig und mitunter langwierig.

Je länger sie dauern, desto größer wird der Druck von außen. Die Öffentlichkeit erwartet berechtigterweise Informationen, die VerhandlerInnen können und sollten aber nur sehr eingeschränkt über den Prozess informieren.

Ungeschriebene Gesetze

Das wichtigste ungeschriebene Gesetzt ist gegenseitiges Vertrauen, sind sich die Kommunikationsprofis einig. Das Fundament dafür legt man in den Sondierungsgesprächen. Auch von diesen ist wenig nach Außen gedrungen. Denn ein weiterer wichtiger Grundsatz ist absolute Vertraulichkeit. Man kann nicht auf offener Bühne verhandeln, sagt Heidi Glück: „Es darf nichts aus diesen Gruppen hinaus geleaked werden. Weil es ist erst dann ausverhandelt, wenn alles verhandelt ist.“ Und das ist auch der zweite Grundsatz: „Nothing is agreed until everything is agreed.“

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