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Alles über das Coronavirus: Frag die Science Busters! - Teil 5

Alles über das Coronavirus und den ganzen Rest.

Dringende Fragen werden beantwortet, wissenschaftliche Erkenntnisse unterhaltsam vermittelt. Martin Puntigam steht euch diesmal mit dem Molekularbiologen Martin Moder und Doktor Ursula Hollenstein, Infektiologin und Fachärztin für Tropenmedizin, für Fragen zur Verfügung. Die Sendung ist für 7 Tage im FM4 Player zu hören oder hier nachzulesen.

Martin Puntigam: Einen Virologen als Popstar hätte sich vor wenigen Wochen noch niemand vorstellen können. Das ZIB2-Interview mit Christian Drosten ist jetzt seit Tagen der meistgesehene Beitrag in der ORF TVthek. Frau Hollenstein, wenn Kinder sich jetzt denken, wenn ich groß bin, werde ich auch Virologe: Was erwartet sie da eigentlich für ein Beruf?

Ursula Hollenstein: Ich fürchte, da würden sie dann ziemlich enttäuscht sein. So, als würden sie nach 1.000 Folgen „Crossing Jordan“ ihr Praktikum in einer Routinepathologie anfangen. Das hat relativ wenig Glamourfaktor. Virologen beschäftigen sich mit Viren, ihrem Aufbau, ihrer Vermehrung, welche Krankheiten verursachen sie, kann man sie anzüchten... Dann gibt es auch die Diagnostik natürlich. Wir entwickeln auch Tests. Aber abgesehen von den Fernsehinterviews alle 50 Jahre bei einer Pandemie ist das eine reine Labortätigkeit.

Infektiologin sein ist da ganz klar besser. Da haben Sie dann die ganz Bandbreite und beschäftigen sich nicht nur mit Viren, sondern auch mit Bakterien, Pilzen, bis zu Parasiten in allen Größen. Da gibt es dann auch 12 Meter lange Bandwürmer. Das wird nie fad.

Martin Puntigam: Da gibt es ja auch noch die Immunologie. Was machen denn Leute, die das studiert haben?

Ursula Hollenstein: Die haben ein bisschen die Arschkarte gezogen. Unser Immunsystem ist wahnsinnig faszinierend, aber extrem komplex. Das ist vielleicht eine der kompliziertesten Wissenschaften. Wovon man auch sehr viel hört zur Zeit, sind die Epidemiologen. Das klingt so, als würden sie sich mit den Seuchen selbst beschäftigen, aber eigentlich ist das die Untersuchung von der Verbreitung und Verteilung von Erkrankungen in der Bevölkerung. Und zwar durchaus nicht nur Infektionserkrankungen, sondern auch alle möglichen anderen. Also z.B. die Verteilung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ihre Risikofaktoren. Das ist auch viel Rechnerei.

Martin: Alle diese Gruppen helfen dann aber zusammen, wenn man einen Impfstoff erstellen möchte. Und da möchte der Josef wissen, weswegen es so schwierig erscheint, einen passenden Impfstoff herzustellen. Ging das bei SARS oder der Schweinegrippe nicht schneller?

Ursula Hollenstein: Wie immer beim Warten ist das eine sehr subjektive Geschichte. Üblicherweise warten wir ja nicht auf Impfstoffe, sondern die sind halt irgendwann da und wir nehmen dann zur Kenntnis, dass es jetzt auch einen gegen die Krankheit XY gibt. Üblicherweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffes, von der ersten Idee im Labor, bis man ihn in der Apotheke kaufen kann, 10 bis 15 Jahre. Wenn wir jetzt bei COVID-19 davon sprechen, dass wir 2021 oder spätestens 2022 einen Impfstoff haben, dann ist das unglaublich schnell.

Das geht auch deshalb hier so schnell, weil das Virus unglaublich rasch definiert worden ist. Es gab schon wenige Wochen, nachdem das Virus erstmals belegt worden ist, die RNA-Sequenz. Man konnte also schon im Jänner beginnen, mit diesem genetischen Code zu arbeiten. Und mit SARS und MERS hat es schon verwandte Viren gegeben. Da gab es zwar nie marktreife Impfstoffe, aber es gab schon entsprechende Forschungen, auf denen man jetzt aufbauen kann. Forschergruppen können jetzt oft dort weitermachen, wo sie damals aufgehört hatten.

Die Impfung selbst muss trotz allem ihren Weg gehen. Diese Sicherheitsstufen muss man einfach einhalten – egal, wie dringend wir den Impfstoff schon gerne hätten. Da muss die Wirksamkeit belegt werden, die Nebenwirkungen müssen abgecheckt werden, man muss die richtige Dosis finden... gewisse Sachen kann man auch in einer Notsituation einfach nicht umgehen. Deshalb macht es mich schon ein bisschen unrund, wenn man hört, dass schon, 63 Tage nachdem es die RNA-Entschlüsselung gab, eine Firma einen Impfstoff an Menschen testet. Es gibt viele Sicherungsbremsen, aber in der Not werden manche dieser Sicherheitsstufen abgekürzt. Trotzdem ist wichtig, dass all diese Daten offen und klar bleiben und dass man auch jeden Schritt kontrolliert.

Martin Puntigam: Man hört sehr oft die Kritik, man wüsste gar nicht, ob die Menschen wirklich am Coronavirus sterben. Als Coronavirus-Tote gelten ja alle, die das Virus bei ihrem Tod in sich tragen. Vielleicht wären viele aber auch so gestorben, vielleicht sterben sie also mit und nicht an Corona und die Zahlen und die Maßnahmen sind übertrieben. Herr Moder was ist denn da dran?

Martin Moder: Das ist ein interessanter Punkt und man kennt das Problem prinzipiell auch von anderen Viren. Es gibt ein interessantes Phänomen: Es sind über 30.000.000 Menschen an HIV gestorben und gleichzeitig ist kein einziger Mensch jemals an HIV gestorben. Beide Aussagen stimmen. Und zwar deswegen, weil es nicht das Virus direkt ist, das einen tötet, sondern es schwächt das Immunsystem so sehr, dass dann jede Kleinigkeit ausreicht, um dich umzubringen.

Die Frage, dass es doch einen Unterschied macht, ob man an einem Virus stirbt oder mit, die klingt erstmal plausibel. Aber das greift oft ins Leere. Bei Corona ist das sicher nicht so extrem, weil das Virus nicht derart das Immunsystem vernichtet. Aber das Coronavirus schwächt den gesamten Organismus. Wir wissen auch noch gar nicht, auf welche Arten uns dieses Virus umbringen kann. Das muss nicht immer ein Versagen der Lunge sein. Es gibt Hinweise darauf, dass das Virus viele Organe betreffen kann: das Herz vielleicht, aber vielleicht auch das Gehirn, in jedem Fall das Nervensystem. Wenn da dann schon Probleme vorhanden sind, kann das zum endgültigen Kollaps führen.

Auf einer individuellen Ebene lässt sich das auch nicht immer mit Sicherheit sagen, ob jemand „ohnehin gestorben“ wäre. Auf gesellschaftlicher Ebene kann man das schon zeigen, und zwar durch die Berechnung der Übersterblichkeit. Da vergleicht man einfach die aktuelle Sterberate mit einem entsprechenden Zeitraum aus der Zeit davor. Also: Wie viele Menschen sind in diesem März gestorben und wie viele Menschen sterben sonst in einem durchschnittlichem März. Das hat auch den Vorteil, dass ich so auch Fälle erfasse, die zwar letztlich an dem Virus gestorben sind, bei denen das aber vielleicht gar nicht festgestellt wurde.

Und da zeigt sich ganz eindeutig, dass momentan viel mehr Menschen sterben, als das ohne Corona der Fall wäre. Und zwar vor allem dort, wo die Maßnahmen eher locker waren. In New York sterben zum Beispiel viermal mehr Menschen, als man das ohne Coronavirus erwarten würde. Auf so einer gesellschaftlichen Ebene kann man also schon zeigen, dass die Menschen an dem Virus sterben und nicht nur mit ihm.

Christoph will wissen, wieso man diese blauen Masken nur einmal oder maximal dreimal verwenden soll. Welche Nachteile sind denn zu befürchten, wenn man solche Ein-Weg-Masken öfter trägt?

Ursula Hollenstein: Das Problem bei solchen Maßnahmen, Masken und Handschuhen, ist immer die Verwendung. Da passieren die meisten Fehler und deswegen gibt es auch die Empfehlung, sie nicht zu oft zu tragen. Die Maske wird natürlich verunreinigt. Auf der Innenseite, weil wir draufatmen und draufhusten. Auf der Außenseite, weil jemand anderer das macht. Je länger wir sie tragen, umso mehr. Und die Gefahr besteht einfach beim Abnehmen, man legt sie irgendwo hin, fährt sich damit über die Stirn, weil man geschwitzt hat... Je länger man sie trägt, umso größer ist dann die Chance, dass man mit dieser kontaminierten Maske dann etwas anderes kontaminiert. Das ist der Hintergrund. Wenn man sie komplett korrekt verwenden würde, dann könnte man sie - solange sie nicht durchgefeuchtet ist - auch mehrfach verwenden. Aber dagegen spricht einfach die Praxis.

Da kann man sich auch anschauen, wie viele Fehler auch im Alltag im Krankenhaus passieren. Selbst bei großen und angstmachenden Epidemien wie Ebola, wo die Menschen im Ganzkörperanzug, der eigentlich ganz sicher sein soll, die Patienten betreuen, sterben Ärzte an Kontaminierung. Weil sie Fehler machen. Man unterschätzt das auch. Schon eine feuchte Aussprache gibt Tröpfchen ab, da muss man nicht immer klar husten oder niesen.

Martin Puntigam: Wenn man diese Ein-Weg-Masken zwar kochen kann, sie aber danach als Schutz schlechter sind, wie kann man Masken denn grundsätzlich desinfizieren. Was kann man da machen?

Ursula Hollenstein: Heiß waschen und kochen geht immer. Das mögen diese Viren gar nicht. Was Viren üblicherweise auch nicht gut vertragen ist Austrocknung. Man könnte sie also theoretisch auch einfach liegen lassen. Wenn man eine große Anzahl an Masken hat, jeden Tag eine neue nimmt und die alte zehn Tage liegen lässt, dann ist auch alles abgetrocknet und es können keine lebensfähigen Viren mehr drauf sein.

Martin Puntigam: Die Temperatur beim Händewaschen soll ja relativ egal sein, es reichen 30 Sekunden und Seife. Warum muss man Masken dann solange behandeln und auskochen?

Ursula Hollenstein: Bei den Händen geht es ja nie um eine Sterilisierung, das werden wir ja nie schaffen. Da sitzen ja auch viele Bakterien und Viren, die auch auf unsere Hand gehören. Da geht es einfach um eine Reduktion von Erregern. Es ist ja immer auch eine Mengenfrage. Und das genügt mit Wasser und Seife und einer ausreichend langen Waschdauer.

Eine Frage via Instagram: Ist eigentlich auch eine Durchseuchung des Grundwassers möglich? Also zum Beispiel, wenn eine große Zahl an Menschen in Massengräbern wie in New York bestattet werden?

Martin Moder: Ich glaube, bei solchen Überlegungen schwingt noch eine alte Vorstellung von sogenanntem Leichengift mit. Wenn sich Proteine in Leichen abbauen, dann riecht das unangenehm, aber nur, weil etwas stinkt, muss es ja noch nicht giftig sein. Es gibt aber schon giftige Substanzen, die beim Zersetzen von Kadavern entstehen können, allerdings nicht in den Mengen, dass das problematisch ist. Das ist aber etwas anderes, wenn wir von Krankheitserregern sprechen. Das kann schon sein.

Tatsächlich gibt es jetzt in Regionen, wo viele Menschen am Coronavirus sterben - weil in diesen Regionen zu wenig Maßnahmen getroffen wurden - Massengräber. Das darf man sich aber auch nicht wie eine Pestgrube vorstellen, wo einfach eine Leiche nach der anderen hineingeschmissen wird. In den USA hat ja trotzdem jede Leiche einen Sarg. Die werden dann halt direkt nebeneinander oder auch übereinander gelegt und dann zugeschüttet. Aber, selbst wenn man alle einfach gemeinsam in ein Loch schmeißen würde, wäre das - jetzt nur aufs Coronavirus bezogen - auch kein Problem.

Wenn ich über Krankheitserreger spreche, dann muss man eben zwischen Viren und Bakterien unterscheiden. Bakterien könnten mit Leichen etwas anfangen. Das sind Lebewesen, die können Zellen zersetzen und Nährstoffe gewinnen. Viren können aber ohne lebende Zellen überhaupt nichts machen. Mit Leichen können Viren einfach nichts anfangen. Von dem, was man da also momentan als Massengräber bezeichnet, geht also auch nicht mehr Gefahr fürs Grundwasser aus als von allen anderen Friedhöfen auch.

Christina würde gern wissen, ob man das Virus - wenn man infiziert ist - mit Seifenblasen verbreiten kann.

Martin Moder: Ich muss sagen, ich glaube nicht, dass das ganz konkret untersucht wurde. Aber generell ist die Frage, ob sich das Virus durch die Atemluft verbreitet. Man hustet oder niest ja nicht in die Seifenblase hinein, sondern man atmet ganz behutsam. Auch da werden aber Flüssigkeiten frei, die auch Viren enthalten könnten. Ob die Menge aber ausreicht, das ist noch nicht mit Sicherheit geklärt. Die WHO bezieht sich da auch auf Studien aus China und die kommen zu dem Schluss, dass Atemluft eher nicht zur Übertragung beiträgt. Aber ganz sicher ist man sich da nicht. Seifenblasen ganz konkret sind fürs Virus sicher nicht die angenehmste Umgebung. Wir wissen ja, die Seife zerstört die Fettmembran. Das Virus müsste also auch immer schön in der Mitte der Blase schweben, weil sobald es irgendwo die Wand berührt wäre es kaputt.

Die bisherigen Folgen zum Anhören

Frag die Science Busters (16.03.2020)
Frag die Science Busters (23.03.2020)

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Die Sendung gibt es auch im FM4 Science Busters Podcast.

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