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Bruce Lee in „Enter The Dragon“

Warner

christian Fuchs

Bruce Lee: King of Kung Fu

Zu seinem 80. Geburtstag: Eine sehr persönliche Verbeugung vor dem coolsten Actionstar aller Zeiten.

Von Christian Fuchs

Zuletzt ist er auf der Leinwand leider nur als peinliche Parodie zu sehen gewesen. Ausgerechnet in „Once Upon A Time in Hollywood“, einem der schönsten Filme des Jahres 2019, wird Bruce Lee als Karikatur dargestellt. In einer Szene, die ihn beim Dreh zu einer TV-Serie zeigt, provoziert er arrogant eine Gruppe von Stuntmen. Um dann tatsächlich von Brad Pitt einige heftige Schläge einzufangen.

Brad Pitt und Bruce-Lee-Darsteller in „Once Upon A Time in Hollywood“

Sony

„Once Upon A Time in Hollywood“

Regisseur Quentin Tarantino, dem wir die eigentlich stimmige Hommage an das untergehende alte Hollywood verdanken, wurde von Kritik überrollt. Vor alle Bruce Lees Tochter Shannon meldete sich verärgert zu Wort. Zurecht, denn die Sequenz irritiert auf mehrfache Weise. Zum einen war Lee als chinesischer Einwanderer ohnehin massiv dem fremdenfeindlichen Spott ausgesetzt. Tarantino verfestigt die rassistischen Stereotypen posthum. Der Filmemacher, der in „Kill Bill“ die Martial-Arts-Kultur feierte, portraitiert deren größten Star als Witzfigur.

Zum anderen mutet das Duell Bruce Lee gegen Brad Pitt auch absurd an, weil es Zeitzeugenberichte über die echten TV-Dreharbeiten damals gibt. Einige der bulligen Stuntleute forderten den drahtigen Chinesen wirklich zu einem Duell heraus. Aber die halbernsten Auseinandersetzungen endeten meist nach 20 Sekunden. Niemand hatte gegen den „Kleinen Drachen“ aus Hongkong den Hauch einer Chance.

Übergroße Gefühle und fliegende Körper

Heute würde Bruce Lee, der 1973 viel zu jung an einem Gehirnschlag verstorben ist, seinen 80er feiern. Und ab jetzt wird dieser Text wohl hemmungslos nostalgisch. Mr. Lee ist die einzige Ikone meiner Pubertät, die für mich ungebrochen funkelt. Ich erinnere mich, dass das glühende Fantum mit Artikeln in der Zeitschrift „Bravo“ begann, mit Büchern und Fotos. Wir sprechen von den späten Siebzigern, als auch VHS-Kassetten noch nicht gängig waren.

Bruce Lee in "Fist of Fury"

Golden Harvest

„Fist of Fury“

Umso unfassbarer fühlte es sich an, dass mein Vater mich als aufgeregten Stöpsel in eine Jugendverbot-Vorstellung von „Todesgrüße aus Shanghai“ schmuggelte, einen von nur vier Streifen, die Bruce Lee bis zu seinem frühen Tod drehte. „Fist of Fury“ heißt der Film im Original, ein melodramatisches Racheepos. Lee bestraft darin als Lieblingsschüler nicht nur die Mörder seines Meisters. Er mutiert auch zum Symbol der unterdrückten Chinesen, die während der japanischen Besetzung malträtiert wurden.

Der patriotische Tonfall von „Fist of Fury“ kümmerte mich nicht. Die fast schon übermenschliche Kampfkunst, der Nunchaku-Einsatz, die ekstatische Verausgabung: All das ließ mein Herz schneller klopfen. Nach diesem Kinobesuch war die Welt verändert: voller übergroßer Gefühle und fliegender Körper, exotisch, kosmopolitisch, vibrierend.

Magische Kampfszenen in billigen Filmen

Bruce Lee war mein Elvis, mein James Dean, meine Beatles, beamte mich aus der steirischen Provinz in Gedanken nach Hongkong und den Rest des Planeten. Und trieb mich als denkbar unsportlichsten Buben sogar zum Karatekurs in den Turnsaal. Von dort ging es weiter auf das steirische Hinterhof-Filmset meiner eigenen kleinen Bruce-Lee-Super8-Doku.

Ich teilte meine Faszination zwar nur mit ganz wenigen Freunden, spürte aber: Da draußen gibt es mehr von uns Mitgliedern der Church of Bruce. Man konnte sie zumeist an den gelben Trainingsanzügen im „Game of Death“-Style erkennen, an Magazinen, die in ihren Jugendzimmern herumlagen, mit Titeln wie „Karate Journal“ oder „Drachen - Das Kampfsportmagazin“. Wo außer Bruce-Lee-Lobpreisungen auch Lehrreiches über die Karatetechnik der Schlagersänger Christian Anders und Heino zu lesen war.

Bruce Lee in "Game of Death"

Golden Harvest

„Game of Death“

Die Nunchakus ruhen nun schon ewig in der Ecke und mehr als zum gelben Gürtel habe ich es nie gebracht. Aber die Faszination für diesen saucoolen Typen ist geblieben. Bruce Lee steht für weit mehr als magische Kampfszenen in zugegeben billig wirkenden Filmen. Mit seinem charismatischen Auftreten, seinem verschmitzten Humor und natürlich der unverwechselbaren Actionchoreografie schaffte es Lee, dem Martial-Arts-Kino zu globaler Popularität zu verhelfen.

Idol für Millionen in aller Welt

Die vier Bruce-Lee-Filme:
- The Big Boss (Die Todesfaust des Cheng Li), 1971
- Fist of Fury (Todesgrüße aus Shanghai), 1972
- The Way of the Dragon (Die Todeskralle schlägt wieder zu), 1972
- Enter the Dragon (Der Mann mit der Todeskralle), 1973

Bruce Lee wird 1940 in San Francisco geboren, wächst jedoch in der einstigen britischen Kronkolonie Hongkong auf, als behüteter Kinderfilmstar Lee Jun Fan, aber auch als juveniler Rebell, der keinem Straßenkampf aus dem Weg geht. Als die Prügeleien kriminelle Züge entwickeln, schicken ihn seine Eltern zu Verwandten in die USA. Dort unterrichtet er in den Sixties Schauspieler*innen wie Steve McQueen, James Coburn oder Sharon Tate. Schnell knüpft der extrem selbstbewusste Chinese auch Kontakte zu Produzenten und Regisseuren.

Billigt man Asiaten in westlichen Filmen zuvor nur Parts als Koch, Rikscha-Kuli oder Verbrecher zu - oder ließ sie gleich von Weißbroten in Yellowfacing-Manier spielen - strebt Bruce Lee definitiv Hauptrollen an. Kurz scheinen sich die Studiotore zu öffnen, dann blitzt er mit seiner Ambition aber ab. Die frustrierenden Erfahrungen in Amerika bringen Bruce Lee Anfang der Siebziger nach Hongkong zurück.

Bruce Lee und Chuck Norris in "The Way of the Dragon"

Golden Harvest

„The Way of the Dragon“

Dort dominiert die Kung-Fu-Filmwelle die Kinos, mit „The Big Boss“ bricht der Heimkehrer sofort Kassenrekorde. Spätestens 1973, mit seinem finalen Streifen „Enter the Dragon“, der ihn mit Hollywood vereint, entwickelt das Phänomen Bruce Lee eine internationale Strahlkraft. In einem Akt von positiver cultural appropriation wird der „Kleine Drache“ zum Idol für Millionen, ob in Harlem, Berlin oder Wien Meidling. Eine Flut von sogenannten Bruceploitation-Filmen, mit drittklassigen Doubles besetzt, hält den Ruhm noch lange nach seinem Tod aufrecht.

Freigeist im modernen Sinn

Anlässlich seines 80ers musst auch gesagt werden: Der Kung-Fu-Meister, Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur Bruce Lee entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Freigeist im modernen Sinn. Er kämpfte für das Niederreißen von Grenzen, zwischen Ost und West, zwischen Kampfkunststilen, Philosophien, Genres und allen erdenklichen Gegensätzen.

In der phänomenalen, hochseriösen Biografie „Bruce Lee - A Life“, 2018 erschienen, rückt Autor Matthew Polly auch den Menschen hinter dem Mythos ins Rampenlicht. Wir erfahren von seinen sexuellen Eskapaden außerhalb der Ehe mit Linda Lee, von entspannenden Joints nach Action-Dienstschluss, von einem Ehrgeiz, der an das Manische grenzte. Aber all diese Facetten relativieren höchstens die kitschige Fassade von einem moralisch integren, asketischem Supermann. Als Person aus Fleisch und Blut wird Bruce Lee durch die Enthüllungen noch spannender.

Bruce Lee in "Enter the Dragon"

Warner

„Enter the Dragon“

Lee Jun Fan verkörperte die Re-Definition von Cool, wie ein britischer Journalist einmal bemerkte. Konzentrierte Lässigkeit, lockere Grazie und maximale Virtuosität. Er benötigte keine langen Dialoge, ihm genügte die Sprache seiner Muskeln und Sehnen, das Knacken der Fingerknochen, der animalische Kampfschrei, der zur Trademark wurde.

Gegen die Eleganz seiner Bewegungen wirken nachfolgende Actionakteure wie Chuck Norris, Steven Seagal oder Jean Claude Van Damme wie Elefanten im Porzellanladen. „Bruce Lee war für die 70er, was Jim Morrison für die 60ies war“, bemerkte einst ein gewisser Herr Tarantino. Eine begnadete Pop-Ikone.

Filmpodcast

Radio FM4

FM4 Filmpodcast: Am 27.11.2020 hätte Bruce Lee seinen 80er gefeiert. Christian Fuchs und der Berliner Regisseur Jörg Buttgereit schwärmen über den größten Kampfkunststar aller Zeiten. Ein Gespräch über Coolness, asiatische Stereotypen, die vier Filme von Bruce Lee – und seine verunglückten Nachahmer. Und über den mythischen gelben Trainingsanzug.

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