FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Screenshot aus dem Computerspiel "Balan Wonderworld"

Square Enix

„Balan Wonderworld“ ist die erste Games-Gurke des Jahres

Es hätte eine gelungene Rückkehr zu den glorreichen Tagen der dreidimensionalen Jump’n’Runs werden können. Stattdessen entpuppt sich „Balan Wonderworld“ als ein Kostümball aus der Computerspielhölle.

Von Robert Glashüttner

Dieses Jahr feiert ein berühmter Igel einen runden Geburtstag: Sonic the Hedgehog wird 30! 1991 ist das rasante Jump’n’Run zum ersten Mal, damals noch auf der Konsole Mega Drive, weltweit über viele Fernseher gelaufen, und erst letztes Jahr ist ein Film zum blauen Igel erschienen (FM4 hat berichtet).

Nun legt der ehemalige Programmierer von Sonic, der heutige Produzent und Gamedesigner Yuji Naka gemeinsam mit seinem Team unter dem verheißungsvollen Sublabel Balan Company, ein neues Spiel vor, das in die großen Fußstapfen von Sonic treten soll: „Balan Wonderworld“, eine Art bunte Musicalwelt als familienfreundliches Computerspiel, das man auch kooperativ zu zweit spielen kann.

Ersteindruck: oldschool

Balan ist eine elegante, ein bisschen durchtriebene Mischung aus Clown und Revue-Entertainer. Er empfängt uns – wahlweise Mädchen oder Bub im Alter von circa sieben, acht Jahren – in einer Art anderen Dimension und bringt uns nach Wonderworld. Dort sieht alles ein bisschen so aus wie bei „Super Mario 64“ vor 25 Jahren. Wir laufen und springen durch bunte, dreidimensionale Spielzeuglevels und sammeln Diamanttropfen und goldene Trophäen ein. So weit, so bekannt. Ersteindruck: recht generisch und sehr oldschool für 2021.

Etwas später lerne ich: Die Besonderheit von „Balan Wonderworld“ sind die Kostüme. Wenn wir nämlich nur Bub oder Mädchen sind, können wir bloß laufen und springen. Finden wir aber zum Beispiel das Quallen-, Hasen- oder Spinnenkostüm, können wir wahlweise durchs Wasser flutschen, weiter springen oder auf Netzen herumkrabbeln. Anfangs ist das nur ein Gimmick, aber bald schon stellt sich heraus, dass wir die Kostüme – je nach Situation – geschickt kombinieren müssen, um bestimmte Stellen zu erreichen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Balan Wonderworld"

Square Enix

Immer Ärger mit den Kostümen

Das Ärgerlichste an dem Game ist, dass wir immer nur drei Kostüme gleichzeitig im Inventar haben können, obwohl es insgesamt über 80 davon gibt! Das Zweitärgerlichste ist, dass wir ein Kostüm permanent verlieren können (zum Beispiel, wenn wir in einen Abgrund stürzen), obwohl wir es eigentlich schon eingesammelt und freigeschaltet hatten. Dann muss man in ein bestimmtes Level zurück, dort das entsprechende Kostüm wieder einsammeln, wieder aus dem Level raus und dorthin, von wo man gekommen ist. Die nervigen Zwischenanimationen, die man zwar abbrechen kann, aber die ständig wieder auftauchen, machen diese Spießrutenläufe nicht besser.

Das Drittärgerlichste ist, dass neue Spielwelten erst ab einer bestimmten Anzahl an eingesammelten goldenen Trophäen freigeschaltet werden, und diese elenden Trophäen oft an den unmöglichsten Stellen versteckt sind. So besucht man Levelabschnitt um Levelabschnitt immer und immer wieder, in der Hoffnung, ein paar weitere dieser Sammelfiguren zu finden. Meistens sind sie irgendwo weiter oben auf irgendwelchen Plattformen versteckt, wo man nur schwer hinkommt. Schaffen wir es mit unserem normalen Sprung dorthin oder brauchen wir ein bestimmtes Kostüm (mit einem bestimmten Effekt) dafür? Haben wir dieses Kostüm bereits oder müssen wir es erst finden? Diese verkorkste Spielmechanik ist frustrierend und nervenaufreibend. „Super Mario“ hätte sich geschämt, wenn er uns 1996 so ein Gamedesign aufgetischt hätte.

Screenshot aus dem Computerspiel "Balan Wonderworld"

Square Enix

Weglaufalarm

Dass sich „Balan Wonderworld“ audiovisuell in einem Kitschamalgam aus Disney, Musical und japanischem Kawaii (mit teils wirklich hässlicher Grafik) verirrt hat, kann man noch wegstecken – immerhin ist das eine (Retro-)Ästhetik, die man von den Sonic-Entwickler*innen kennt und die viele Leute mögen. Die oft sehr verwinkelten Levels, die aufgrund einer schlechten 3D-Kamera immer wieder schwer zu handhaben sind, gepaart mit dem Spielprinzip des nicht intuitiven Kostümwechselns und Figurensuchens, machen das Game jedoch zweifellos zur ersten großen Spielegurke des Jahres, vor allem, weil der Titel frecherweise auch noch ganze 60 Euro kostet. „Balan Wonderworld“ ist für Playstation, Xbox, Switch und Windows erschienen, aber ihr solltet tunlichst die Finger davon lassen.

Aktuell: