FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

International Music Band

Harriet Meyer

„Ententraum“ von International Music: Zwischen traumhafter Nostalgie und fahrender Dringlichkeit

Psychedelisch, fatalistisch, fantastisch - das zweite Album „Ententraum“ von International Music überzeugt mit Dadaismus-Pop, 60s-Vibes und vertonten Traumsequenzen. Im Interview erzählt das Trio aus Essen von den Unterschieden zwischen Ente und Mensch, vom Symbolhaften in ihrer Musik und dem Klang des Um-Die-Häuser-Ziehens.

von Michaela Pichler

International Music sind eine von den Guten. Das hat das Trio aus Essen bereits 2018 mit seinem Debüt „Die Besten Jahre“ bewiesen, das im deutschsprachigen Indie-Universum seine Kreise gezogen hat. Damit fühlen sie sich auch in der Staatsakt-Familie zwischen Bands wie Die Sterne, Die Türe, Chuckamuck oder Isolation Berlin wohl. Wer beim Waves Vienna 2019 im WUK dabei war, konnte sich live in den besonderen Sog der krautrockigen Diskursband International Music ziehen lassen. Zweieinhalb Jahre später dürfen wir uns zuhause über einen neuen Langspieler der Gruppe freuen. Mit der ersten Single „Die Insel der Verlassenheit“ machten International Music bereits im Januar vor, was sich auf „Ententraum“ in einer Stunde Musikrausch entfaltet. Damit wurde der Track auch schon als Song zum Sonntag gefeiert.

Was Enten träumen

Peter Rubel, Joel Roters und Pedro Crescenti sind abgetaucht ins Träumeland. Als International Music begibt sich das Trio auf ihrem zweiten Album „Ententraum“ auf eine fantastische Reise. Sie fahren mit der Achterbahn nach Düsseldorf, besuchen die Insel der Verlassenheit und schlecken am Zuckerwürfel. Trotz dem mystischen Albumtitel gehören Enten nicht zu Peter Rubels Lieblingstieren, wie der Sänger und Gitarrist lachend im FM4-Interview erzählt. „Enten sind eigenartige Tiere, die sind mir zumindest relativ fremd. Also, Enten und Menschen sind sich sehr verschieden. Was die so träumen, das können wir Menschen gar nicht verstehen. Da ist sehr viel Distanz zwischen uns und den Enten – die leben in einer ganz eigenen Welt.“

International Music  "Ententraum" Cover

International Music

„Ententraum“, das zweite Album von International Music, ist gerade via Staatsakt erschienen.

Gestartet hat der „Ententraum“ mit einem Buch übers Schlafen und Träumen, das sich die drei Musiker gegenseitig zwischen den Bandproben ausborgen. Die Auseinandersetzung mit dem Unterbewussten schreibt sich in den Texten der neuen, siebzehn Lieder ein. Psychedelisch, surreal, fantastisch klingen International Music in ihren Traumsequenzen: „Mehr noch als beim ersten Album sind es Texte geworden, die eher was Traumhaftes, Surrealistisches innehaben“, erzählt Rubel. „Es geht noch weniger darum, eine Geschichte zu erzählen, sondern eher darum, von einem Ausgangspunkt aus relativ fantasievoll in alle Richtungen gehen zu können.“

Projektionsflächen und Pop-Symbole

International Music hatten auch schon auf ihrem Debütalbum einen Faible für den Dadaismus, für das Mehrdeutige, fürs Alles oder Nichts. Auf der neue Platten spiegelt sich das auch schon auf dem Albumcover wider. Ein roter Apfel prangt darauf, auf der einen Seite ist er schon leicht angematscht, wahrscheinlich hat sich ein Wurm bis zum Kern gefressen. Beim Stängel wächst kein Blatt raus, sondern eine Erpel-Feder. International Music rütteln an den popkulturellen Metaphern, wo sie nur können - Adam & Eva, Schneewittchen, die Beatles und Apple-Records schwingen mit in der symbolbehafteten Frucht.

„Da bietet sich unglaublich viel Assoziationsfläche und genau das hat uns so gut an der Idee gefallen.“ Mit Assoziationen spielen International Music im Text und im Klang. Es wirkt vertraut und doch verschlüsselt, es holt einen ab und wirft doch Fragen auf. Fatalistische Gitarren dröhnen aus dem Amp, während die drei von Wassermännern und dem Fürst von Metternich singen. Oder vom alltäglichen Marmeladenkauf, wie im Song Marmelade: „Heute kauf ich mir ein neues Glas Marmelade / heute kauf ich mir ’n neuen Rock / heute kauf ich mir ’n neuen Pop“. Einmal Pop zum Mitnehmen, bitte.

In die rätselhaften, deutschen Songtexte streuen International Music am neuen Album auch ein paar englische Floskeln ein, inspiriert von einer österreichischen Band – wie im Song „Misery“.

„Wir mögen zum Beispiel die Band Ja, Panik sehr. Die haben das ja total auf die Spitze getrieben, dieses Mischen von deutschen und englischen Texten.“

In „Misery“ tragen harmonische, mehrstimmige Gesänge die anfängliche Anspannung davon. „Die Sprache ist eklektisch / as you / and me / truth is not objective / wie er / und sie“ heißt es in den Textzeilen, mit denen International all dieses Elend auf der Welt hinter sich lassen.

In Essen um die Häuser ziehen

International Music siedeln ihren Gitarrenpop zwischen melancholischer Nostalgie und fahrender Dringlichkeit an. Die einen Songs schweben dahin, während andere Nummern mit aufgekratztem Tempo motivieren: „Raus ausm Zoo“ ist so eine energetische Songperle. „Das ist der älteste Song am Album. Den haben wir auch schon oft live gespielt, der macht einfach unglaublich Spaß zu spielen, weil der so einen Schwung hat!“ Es ist eines dieser Lieder, die man sich im Freundeskreis hin und her schickt, die nach Aufbruchsstimmung klingen und nach dem ersten Radler nach einem langen, zehrenden Winter schmecken. "Der Song ist entstanden, als wir zu dritt bei Joel in seinem alten Atelier in der Essener Innenstadt waren. Wir waren alle ziemlich gut drauf und wollten noch einmal um die Häuser ziehen. Pedro hat auf einmal diesen Satz gesagt - „Raus ausm Zoo, rein ins Geschäft!". Daraus haben wir dann einfach einen Song geschrieben, so geht die Geschichte“, erzählt Peter Rubel schmunzelnd.

Die Boxen in der WG-Küche aufdrehen

Der „Ententraum“ klingt wie ein ansteckender Fiebertraum, bei dem sich International Music durch die Jahrzehnte spielen: Sie landen mit Sitar-Klängen und Mantra-Hooks in den psychedelischen Sixties und durchleben dort ihren ganz eigenen Yellow-Submarine-Trip. Danach geht’s mit treibendem David-Bowie-Riff ab in die 80er, wo sie ihren Abend des Lebens feiern. Ein Album zum Ausklinken und Abtauchen. Am besten kollektiv, wie International Music empfehlen: „Die perfekte Situation, um sich das Album anzuhören, ist mit den Freunden zusammen in der WG-Küche, das fänd‘ ich richtig gut. Ich glaub da haben die Leute auch mal wieder Lust drauf!“

mehr Musik:

Aktuell: