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Hand mit getrockneten Cannabis Blüten

APA/AFP/Robyn Beck

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Soll Kiffen auch in Österreich erlaubt werden?

Die angekündigte Cannabis-Legalisierung in Deutschland hat auch Strahlkraft auf Österreich. Könnte sich die Legalisierung im unmittelbaren Nachbarland auch hierzulande auswirken? Und möchte man das überhaupt?

Von Gersin Livia Paya und Alexandra Augustin

Cannabis zählt zu den psychoaktiven Substanzen und ist in vielen Ländern nicht legal erhältlich. Doch die Legalisierung und Entkriminalisierung ist in den letzten Jahren weltweit vorangeschritten: Teile der USA, Tschechien, Belgien, Spanien, Portugal und die Niederlande sind weitgehend entkriminalisiert. Italien wird im kommenden Jahr eine Volksabstimmung dazu abhalten.

Grünes Licht für Cannabis in Deutschland

Die Ampel-Koalition in Deutschland, bestehend aus SPD, Grünen und FPD, ist sich einig und gibt grünes Licht für die Cannabis-Legalisierung: So steht es im aktuellen Koalitionsvertrag. Zwar gibt es bisher noch kein genaues Datum der offiziellen Legalisierung, doch es heißt: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert. Außerdem muss der Jugendschutz gewährleistet bleiben. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen.“

Es wird jedenfalls spannend im Nachbarland: Wie wird sich der sogenannte „Freizeitgebrauch“ durch die neuen Gesetze ändern und der Konsum zunehmen? Wird das Folgen haben, etwa eine Zunahme von Unfällen im Straßenverkehr? Wie wird sich der kontrollierte Anbau und die Abgabe gestalten? Und: Wird sich die Entscheidung im Nachbarland auch auf Österreich auswirken? Fragen über Fragen.

Cannabis THC Blüte

Radio FM4

Cannabis in Österreich

Wer in Österreich kifft und erwischt wird, der bekommt es mit dem Gesetz zu tun: Nach dem Suchtmittelgesetz wird der Besitz, das Erzeugen und der Handel von Cannabis mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen bestraft. Wird man mit einer kleinen Menge für den Eigenbedarf erwischt, dann wird man zwar angezeigt, wenn jedoch sonst keine weiteren Vorstrafen wegen Drogendelikten vorliegen, dann wird die Staatsanwaltschaft das Verfahren meist einstellen. Wer als Konsument gilt, das bestimmt die mitgeführte Menge.

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Bis zu 20 Gramm reines THC und bis zu 40 Gramm der THC-Vorstufe THCA gelten in Österreich als Eigenbedarf. Mitführen darf man aber deutlich mehr. Da der durchschnittliche Reinheitsgehalt bei Cannabis nur bei etwa zehn Prozent der Gesamtmenge liegt, können das bis zu 200 Gramm Gras sein. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass man dieses selbst erzeugt hat, tritt die Staatsanwaltschaft bei einer Menge von unter 20 Gramm in der Regel von der weiteren Strafverfolgung zurück. Für Strafen gibt es außerdem eine Bandbreite an Alternativen: Es gilt der Grundsatz: „Therapie statt Strafe“. Das Moment Magazin hat sich das kürzlich genauer angesehen: Rund 31.000 Anzeigen gab es 2019 in Österreich wegen Cannabis, die nicht weiterverfolgt und eingestellt worden sind. Sehr viel Bürokratie für nichts.

Mehr als eine Freizeitdroge

Wieso ist Cannabis eigentlich so umstritten? Werden Cannabispflanzen nicht seit rund 10.000 Jahren genutzt? Dazu muss man ihre Geschichte kurz umreißen:

„Hanf - Ein Portrait“

Die Wirtschaftssjournalistin und Gärtnerin Ute Woltron im Interview über eine der vielseitigsten und begehrtesten Pflanzen der Welt.

Im 17. und 18. Jahrhundert war Hanf einer der wichtigsten Rohstoffe auf dem Weltmarkt, auch für die Fasererzeugung, bevor Baumwolle populär wurde. Nicht alle Teile der Cannabispflanze haben eine berauschende Wirkung: Cannabinoide wie THC - Tetrahydrocannabinol - können nur aus den Blüten der weiblichen Hanfpflanzen gewonnen werden. Bis ins 20. Jahrhundert war Cannabisextrakt ein legales und leicht erhältliches Medikament. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich das abrupt: In den USA wurde Cannabis verboten - teils verbunden mit rassistischer Propaganda im Zuge der Prohibition. In Deutschland trat 1929 das Opiumgesetz in Kraft. In Österreich wurde Cannabis 1963 infolge internationaler Abkommen verboten und fällt seit 1997 unter das Suchtmittelgesetz. Hanf wurde auch als Nutzpflanze von den Äckern vertrieben – bis in die späten 1990er Jahre, als der Anbau wieder erlaubt wurde. Cannabis erlebt seitdem eine Renaissance, als Rauschmittel als auch als Nutz- und Heilpflanze. Letztere „Pro-Cannabis-Argumente“ fallen oft im Sinne der Ruf-Rehabilitation und Entkriminalisierung.

Die Legalisierung von THC ist keine medizinische Frage

Kiffen, so meinen manche Menschen, würde sie entspannen. Es helfe etwa beim Einschlafen. Aussagen wie diese seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, meint etwa Dr. Kurosch Yazdi, Vorstand am Kepler Universitätsklinikum für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin. Ebenso die Umdeklarierung vom Rauschmittel zum „Lifestyle-Produkt“. Vor allem in der jugendlichen Entwicklung des Nervensystems können Rauschmittel und psychoaktive Substanzen problematisch werden, meint der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin:

„THC wird oft verharmlost. Wir haben zunehmend mehr Menschen an meiner Abteilung, die wegen THC-Abhängigkeit oder drogeninduzierter Psychosen eine Behandlung brauchen. Das heutige Marihuana ist außerdem viel stärker als vor ein paar Jahrzehnten. Der Konsum von THC hilft vielleicht manchen Menschen kurzfristig gegen viele Leiden. Aber es handelt sich dabei nicht um eine medizinische Behandlung, sondern um ein ‚Betäuben‘, das nicht lange anhält und deshalb wiederholt werden muss. Das kennen wir von Alkohol, Beruhigungsmitteln und Opiat-Schmerzmitteln. Keiner würde behaupten, dass Alkohol gegen Angststörungen, Depressionen oder chronische Schmerzen längerfristig hilft, obwohl es den Leuten vielleicht kurzfristig und subjektiv besser geht. Bei Cannabis wird aber genau das gemacht: Man verwechselt eine ursächliche Behandlung mit kurzfristiger Betäubung.“

Was viele vielleicht nicht wissen: In Deutschland - auch in Österreich - können THC-Produkte bereits von Ärzt*innen verschrieben werden. Das passiert etwa im Zuge alternativer Behandlungsmethoden in Krebstherapien. „Ob THC-Produkte legalisiert werden ist aber keine medizinische Frage, sondern eine rein politische Entscheidung“, meint Dr. Kurosch Yazdi.

Es gibt keine Pläne zur Cannabis-Legalisierung

Die Cannabisproduktion ist mittlerweile in vielen Ländern ein Milliardengeschäft und komplexes Politikum, so auch in Österreich: Im Jahr 2020 wurde in Österreich Cannabis im Schwarzmarktwert von über 13 Millionen Euro (13.336.695 Euro) sichergestellt, so der Lagebericht Suchtmittel-Kriminalität 2020 des BMI.

BMI Screenshot

BMI Screenshot

Oft fällt hier das Argument von Befürworter*innen, dass die Legalisierung von Cannabis dem Schwarzmarkt entgegenwirken und damit verbundene Steuern die Staatskassen füllen könnten. Dr. Kurosch Yazdi wirft hier etwas Entscheides ein: Nämlich, dass diese Steuern dann auch wirklich denen zugute kommen müssen, die sie dann brauchen. „Nötig wäre bereits in den Schulen breit angelegte Aufklärung über mögliche Gefahren bis hin zu einem Ausbau von Drogenberatungseinrichtungen und Behandlungsplätzen. Dass ein Staat aber gezielt das eingenommen Steuergeld in diese Bereiche investiert, ist sehr unwahrscheinlich.“

Immer häufiger wird Cannabis gestreckt, zur Steigerung des Gewichts und damit des Gewinns werden den Hanfblüten diverse Stoffe zugesetzt, die zum Teil schwer zu erkennen sind, darunter z. B. Sand, Zucker, Glas, Gewürze, Haarspray, Flüssigdünger und etwa Blei. Immer häufiger führt das zu Vergiftungsfällen, laut Bettina Hölblinger von „Checkit!“ hat dieses Problem enorm zugenommen. Mit einer Regulierung des Cannabismarktes und der Einführung von Cannabis-Fachgeschäften mit entsprechenden Lebensmittel-Kontrollen würde sich das Problem erledigen. Bei Checkit! kann man anonym und kostenlos das eigene Hanf überprüfen lassen, nicht auf den THC Gehalt, sondern auf Verunreinigung. Die Proben können in den kooperierenden Apothekenabgegeben werden. Eine Probenabgabe in der checkit! Homebase (Dauer: 20 Minuten) ist mit einem Termin möglich.

In den Niederlanden ist trotz Cannabislegalisierung für Konsument*innen der Handel mit Cannabis noch immer in der Hand des organisierten Verbrechens, auch weil die Gesetzgeber nicht weit genug gedacht haben: Seit den 1970er Jahren ist zwar der Konsum von THC-haltigen Cannabisprodukten erlaubt. Diese sind in Coffeeshops problemlos erhältlich. Diese „Türe wurde also aufgemacht“, aber strukturierte Pläne, woher dieses frei verfügbare Cannabis eigentlich kommen soll, fehlten und fehlen bis heute. Cannabis wird aus diversen Quellen bezogen, vermutlich aber zum Großteil aus illegalem Anbau – und somit auch an der Steuer vorbei. Beim Anbau, Einkauf und Vertrieb kommt es daher immer wieder zu Problemen, klagen Bürgermeister*innen kleinerer Städte: Es gäbe dort hunderte illegale Hanf-Plantagen. In den Niederlanden werden Bauern unter Druck gesetzt und bestochen, dass sie auf ihrem Land - etwa getarnt als Maisfeld - THC-haltigen Hanf anbauen. Mit Hilfe von Drohnenaufnahmen werden solche illegalen Felder von der Justiz ausgeforscht. Ein Pilotprojekt, in dem staatlich angebautes Cannabis in den Coffeeshops verkauft werden soll, soll helfen, das Problem in den Griff und den Anbau in staatliche Hände zu bekommen. Dieses Pilotprojekt soll in vier Jahren evaluiert werden.

Für die österreichische Politik stellt sich die Frage einer Cannabis-Legalisierung aber derzeit ohnehin nicht, sie ist nicht Teil des aktuellen Regierungsprogramms. „Einer Diskussion zur Entkriminalisierung, insbesondere dem medizinischen Gebrauch, stehe man aber grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber“, meint Ralph Schallmeiner von den Grünen. Die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) sieht derzeit „definitiv dringendere Probleme“ zu lösen: „Wir stehen in der vierten Welle der Pandemie und das wird die Herausforderung sein. Es gibt keine Pläne zu Cannabis-Legalisierung.“

Wie stehst du zu einer Cannabis-Entkriminalisierung für Genusszwecke?

Fakt ist: Cannabis ist und bleibt die umstrittenste Pflanze der Welt. Wie stehst du dazu? Willst du in Österreich legal kiffen? Oder findest du, dass psychoaktive Wirkstoffe nicht verharmlost und deshalb auch nicht legal erhältlich sein sollen? Ruf an und diskutiert mit bei FM4 Auf Laut mit Alex Augustin & Gersin Livia Paya am 14.12.2021, ab 21 Uhr. Die Nummer ins Studio: 0800 226 996.

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