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Aurora

Universal Music

„The Gods We Can Touch“ von Aurora

Es ist der dritte Longplayer der erfolgreichen Norwegerin. Wir treffen dabei in (fast) jedem Song auf eine andere auf Gött*in der griechischen Mythologie. Verlangen, Scham und Moral sind die Themen. Es handelt sich um eine provokative Platte, die aber auch recht elegant daherkommt, mit Streichern, Akustigitarre und Harfenklängen.

von Eva Umbauer

Niemand ist wie Aurora Aksnes, diese Tausendsassain aus der norwegischen Stadt Bergen. Ob sie nun Oasis covert und damit in die britischen Charts kommt, einen Song für die deutsche Sängerin Lena Meyer-Landrut schreibt, das traditionelle englische Stück „Scarborough Fair“ singt und damit ausgerechnet in einer brasilianischen Telenovela begeistert oder bei der Oscar-Verleihung ein Lied aus „Die Eiskönigin“ singt.

Via TikTok und Instagram hat sie mit „The Runway“, einem Track, den sie bereits im Alter von zwölf Jahren schrieb und später auf ihrem Debütalbum veröffentlichte, erst kürzlich einen riesigen Erfolg gelandet. Sechs Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung knackte „The Runway“ die Top 40 der UK-Single-Charts.

Das Phänomen Aurora hat nun ein drittes Album veröffentlicht. Die Musikerin nennt es „The Gods We Can Touch“.

„The spiritual door between the human and the gods is a very complicated thing“ sagt Aurora über „The Gods We Can Touch“. Und weiter meint sie über ihr neues Album und den Bezug zu Religion: „In the right hands faith can become the most beautiful thing. Nurturing and warm. And in the wrong hands it can become a beacon of war and death.“

Gött*innen zum Angreifen

Etwas das sie schon immer beschäftigt hat ist „the idea that we’re born unworthy having to deem ourselves worthy by suppressing the forces within us that make us human. Not perfect, not flawless, just human. Could we find this Divine power in ourselves, while still being attached and seduced to the wonders of the world? The flesh, the fruit and the wine. I think that is what intrigues me about the Greek gods. The gods of the ancient world. Perfectly imperfect. Almost within our reach. Like gods we can touch.“

Die nicht perfekten Gött*innen der griechischen Mythologie also, die für praktisch alles zuständig waren - vom Sex bis zum Wein - haben es Aurora angetan. Warum also sie nicht in ein komplettes Album „hineinpacken“? „Creatures who know how to play with the gods“, heißt etwa eine Songzeile im Track „Cure For Me“.

Wir treffen manchmal ganz bestimmte Gött*innen in den Songs, etwa im geheimnisvollen Kammerpop-Song „Artemis“. Sie ist die Göttin der Jagd, des Waldes, der Geburt und des Mondes sowie die Hüterin der Frauen und Kinder und als eine der zwölf großen olympischen Gött*innen eine der wichtigsten der griechischen Mythologie.

Aurora

Universal Music

„The Gods We Can Touch“ von Aurora ist bei Decca/Glassnote Records erschienen.

Von Aphrodite bis Prometheus

Aber nicht immer ist es so klar, welche Göttin oder welcher Gott nun genau bei welchem Song Pate oder Patin gestanden ist. Aphrodite, die Göttin der Liebe, Persephone, die Königin der Verdammten, Morpheus, der Gott der Träume oder Peitho, die Personifizierung von Verführung und Überredung, kommen jedenfalls vor oder dienen als Inspiration. Bei „Giving In To The Love“ war es Prometheus - der Feuerbringer und Lehrmeister, der Urheber der menschlichen Zivilisation. Er wird als vieles gesehen - als listiger Betrüger, aber auch als Wohltäter der Menschheit und als Gegenspieler des tyrannischen Zeus.

„I was thinking about Prometheus, and how he stole the fire to sculpt us – the humans.“ - Aurora über „Giving In To Love“

Göttliche Aurora

Auch Aurora selbst ist nach einer Göttin benannt, wenn auch nach einer römischen. Aurora ist die Göttin der Morgenröte. Und „Aurora borealis“ nennt man auch das Nordlicht, also das Polarlicht auf der Nordhalbkugel der Erde.

„If you were a bird and if you could fly you would see the forest burning“ - Aurora, „Exhale Inhale“

„To me, music has always been very serious and no fun. I always write about really serious things, and I can see myself standing on stage every night for an hour and being really sad all the time“, sagt Aurora.

Ein ernstes Thema behandelt auch der Song „Cure For Me“. Es geht um die sogenannte „conversion therapy“, eine „Therapie“ für Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen. In den USA etwa gibt es diese mehr als umstrittene „Therapie“ noch immer. Die US-Musikerin Julien Baker etwa wurde als Teenager von ihren Eltern zu dieser Therapie geschickt. Aber auch in Norwegen ist sie weiterhin erlaubt, obwohl, wie Aurora sagt, ihr Heimatland oft als ein sehr fortschrittliches Land gesehen wird.

Trotz aller Ernsthaftigkeit ist das neue Album von Aurora aber auch „playful and fun while still representing a lot of things that bother me with society and our history“.

Verbotene Früchte und stampfende Beats

Im Album-Opener, einem kleinen Intro, essen wir von den verbotenen Fürchten im biblischen Garten Eden („The Forbidden Fruits Of Eden“), „You Keep Me Crawling“ ist ein orchestrierten Stück voller Drama, das wunderschöne „Exist For Love“ hat ebenfalls große, fast schon Disney-Film-hafte Streicherarrangements und eine wunderschöne Akustik-Gitarre, während „The Innocent“ von einem hibbeligen Piano angetrieben wird, bevor die Beats einsetzen.

„Heathens“ ist polyphon und Auroras ätherische Stimme kommt dabei besonders gut zur Geltung, „Giving In To The Love“ ist brodelnd, auf „Exhale Inhale“ kommt eine Harfe zum Einsatz und „A Temporary High“ ist mit seinem stampfenden Beat Techno light. Der Song „Artemis“ ist geheimnisvoll, „This Could Be A Dream“ ist wunderschön, und bei „Everything Matters“ ist die französische Musikerin Claire Pommet aka Pomme am Ende des Tracks als Gaststimme zu hören.

Aurora sagt über „Everything Matters“: „It’s a very strange story. A story I would like for people out there to figure out themselves. I contacted a French artist, Pomme, to write the ending for me. And it is beautiful. Sensual. And real. I do often feel like this world is trying to make me focus on all these great miracles. And somehow I feel like it makes me miss out on the small ones. And that is sad. Because the small miracles happen all the time. Sometimes several times a day. And I want to see all of them. Because everything matters.“

„Something about you is soft like an angel and something inside you is violence and danger“, singt Aurora in „A Dangerous Thing“, einen Song - wieder mit akustischer Gitarre - über den sie sagt: „There’s a lot of beauty in this world. And there’s a lot of ugly. I was surprised to learn how often the ugly is disguised as beauty. How often poison is disguised as wine. And life disguised as death.“

Im Wein ist Blut („Blood In The Wine“), und irgendwo gibt es diesen kleinen Ort namens Mond („A Little Place Called The Moon“).

Das dritte Album von Aurora ist ausdrucksstarker Electro-Pop und noch viel mehr, wie etwa das superschöne, zarte, wieder mit Streichern versehene „This Could Be A Dream“ zeigt. Die norwegische Sängerin, Songwriterin und Producerin ist bei „The Gods We Touch“ nie auf der Suche nach dem schnellen Hit. Das hat Aurora nicht nötig.

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