FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Black Hair

Ina Aydogan

The Good Bush Project feiert Black Hair Culture in Wien

Die Haare Schwarzer Menschen sind Quelle für Empowerment, aber auch Zielscheibe rassistischer Mikroaggressionen. Ein Haarkunstprojekt in Wien will Selbstliebe, Identität und Wissen zum Thema Afrohaar stärken.

Von Claudia Unterweger

Der Black History Month auf FM4

Ein BPoC-Schwerpunkt zieht sich den ganzen Februar lang durch das FM4 Programm: u.a. stellen wir afroösterreichische Artists und deren Lebenswelten vor, beleuchten die Ursprünge von Techno, House und Reggaeton, erzählen über Black Hair in der Popkultur, berichten über die Debatte zu kolonialen Objekten in Österreichs Museen und diskutieren über die Grenze zwischen cultural appropriation und appreciation.

„I only discovered my natural hair at age 19. I wanted to know this version of myself. This was me.” So beginnt die persönliche Hair Story von Adrian Hall, bildende Künstlerin und Model aus Washington DC. Seit zwei Jahren arbeitet sie als Hair Artist in Wien. Ihre ganze Teenagerzeit über hatte Adrian ihre Haare chemisch glätten lassen. Wie viele Schwarze Frauen und Männer hatte sie jahrelang versucht, ihren natürlichen Afro nicht zum Vorschein kommen zu lassen. Tief sitzen rassistische Zuschreibungen und abwertende Bilder rund um Black hair in der Gesellschaft.

Bewusstsein für die Schönheit von Locken und Afrohaar möchte Adrian Hall mit ihrem Wiener Kunstprojekt The Good Bush Project schaffen. „Our hair is like a bush, a plant. It needs water, sunlight, love and care. And it defies gravity.” The Good Bush Project ist einerseits ein Pop-up-Salon, um sich an wechselnden Orten in Wien Afrofrisuren flechten zu lassen. Zugleich aber auch eine Möglichkeit, um mehr zu erfahren über Black Hair Culture in Ausstellungen, Poetry-Events und Frisuren-Shows.

Black Hair

Ina Aydogan

So hat Hall etwa vor zwei Jahren in einer Installation am Wiener Brunnenmarkt eine „US Hair Story Timeline“ gespannt, erzählt sie im FM4-Interview. Den Beginn der wechselvollen Geschichte von Black hair in den Vereinigten Staaten setzte Hall mit der Zeit der Versklavung, als verschleppten Afrikanerinnen und Afrikanern systematisch der Kopf kahlrasiert wurde. Das war ein Mittel, um die Identität der Entführten auszulöschen, denn anhand ihrer traditionellen Frisuren konnten versklavte Menschen einander erkennen, auch wenn es ihnen verboten war, miteinander zu sprechen, schildert Hall.

Ihre Timeline-Installation am Wiener Brunnenmarkt erzählte auch von der Zeit der Plantagensklaverei, als Schwarzen Menschen alle Ressourcen zur Haarpflege weggenommen wurden und sie auf Schweinefett zurückgreifen mussten. Weitere Stationen umspannten Epochen, in denen es Schwarzen Menschen in den USA per Gesetzgebung verboten war, ihr natürliches Haar offen zu tragen. Aber auch Vorschriften rund um „corporate hair“, die in vielen US-Bundesstaaten seit dem 20. Jahrhundert bis heute gelten: die Frisuren weißer Menschen werden dabei zur allgemeinen Norm im Berufsleben erklärt. Auch ihre Recherche zu Fragen von cultural appropriation teilte Adrian Hall. Sie verwies auf die 1980er Jahre, als die „Bo Derek Braids“ Mode wurden und weiße Hollywoodstars sich für ihre afrikanischen Flechtfrisuren feiern ließen, während Schwarze Trägerinnen der gleichen Frisuren diskriminiert wurden. Ein Phänomen, das bis heute anhält, ergänzt die Künstlerin.

Black Hair

Ina Aydogan

Hair artist Adrian Hall

Braids, twists, locs: die Vielfalt eigener Frisuren für afrikanisches Haar ist groß. Doch gerade in Wien brauche es Ressourchen für Menschen aus der Schwarzen Community, sagt Hall. In einer Gesellschaft, in der die weiße Bevölkerung, deren Sichtweisen und Schönheitsnormen tonangebend sind, haben Schwarze Menschen nicht das Privileg, benötigte Pflegeprodukte für Black hair einfach im Supermarkt kaufen zu können. Es gibt kaum österreichische Friseursalons, die Afrolocken pflegen – selbst wenn sie sich „Lockenspezialisten“ nennen. Youtube-Tutorials helfen zwar weiter, aber für afroösterreichische junge Menschen sei es auch wichtig, ihr Haar gemeinsam zu zelebrieren.

Hair artist Adrian Hall will den Fokus auf das Thema Selbstliebe und Wertschätzung richten. Für sie ist die Beschäftigung mit Black hair wie ein Streicheln, ein zärtlicher Augenblick. Sie erzählt von ihren Kindheitserinnerungen, als ihre Mutter ihr und ihren 6 Schwestern jeden Sonntag im Badezimmer „die Haare gemacht“ hat. Ein bonding ritual, kostbare „one on one time“, wenn ihre Mutter mit Haarpomade, Afrokamm und bunten Gummibändern jeder der Töchter eine halbe Stunde Aufmerksamkeit und Fürsorge geschenkt hat.

The Good Bush Project

The Good Bush Project solle dieses Gefühl in die österreichische Gegenwart transportieren, so Adrian Hall. Auf die Frage, wer denn ihre persönlichen Black hair role models seien, fällt ihr sofort die Black Panther Party ein. Für sie das erste Mal, dass sie Schwarze Menschen gesehen hätte, die selbstbewusst ihr natural hair tragen, erzählt sie. Und sie nennt die (vor einem Jahr verstorbene) Schauspielerin und Vorreiterin Cicely Tyson, die eine der ersten afroamerikanischen Schauspielerinnen gewesen sei, die in einem Film mit Cornrows aufgetreten sei.

Am meisten feiert Black Hair artist Adrian Hall aber den Augenblick, die Existenz als Schwarzer Mensch: „Those brave moments when you step out, no matter what, and don’t give a F.U.C.K.”

In der FM4 Homebase: Black Hair in der Popkultur

Dalia Ahmed und Claudia Unterweger zelebrieren eine Stunde lang Black Hair in der Popkultur, mit Geschichten rund um Afrohaar in Pop und Politik, afroösterreichischen Black Hair Storys und viel Musik. Am Mittwoch ab 21 Uhr.

Aktuell: