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Syphilis, Tripper und Co. - Das Comeback der Geschlechtskrankheiten

Sexuell übertragbare Erkrankungen nehmen seit einigen Jahren wieder zu. Die WHO spricht von einer „stillen Epidemie“. Welche sind in Österreich gerade besonders häufig? Welche bleiben lange unbemerkt? Wie werden sie behandelt? Und wie kann ich mich schützen?

Von Gersin Livia Paya

Rund um den ersten Lockdown im März 2020 ist die Zahl der sexuell übertragbaren Erkrankungen deutlich zurückgegangen. Weniger Arztbesuche, Kontaktreduktionen. Dieser Trend war bei den nächsten Lockdowns nicht mehr zu sehen.

Mehr Sex, mehr Geschlechtskrankheiten

Das Bewusstsein für Geschlechtskrankheiten hat abgenommen und „es ist sicherlich ein Trend der sexuell übertragbaren Infektionen zu sehen“, so Georg Stary, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie. Georg Stary spricht auch von einem „Rückgang der Besorgnis“. Dass hat auch mit den effizienten Therapien von HIV und durch die Möglichkeiten, eine Ansteckung medikamentös zu verhindern zu tun. Aber die Gefahr von anderen Erkrankungen bleibt.

Die Abkürzung „STD“ und „STI“ steht für „sexually transmitted diseases“ und für „sexuell übertragbare Infektionen“.

Was sind eigentlich sexuell übertragbare Krankheiten?

Darunter versteht man alle Infektionen, die durch intimen körperlichen Kontakt übertragbar sind. Das ist ein sehr weites Spektrum und meint sowohl solche, die ausschließlich durch sexuellen Kontakt übertragbar sind, wie zum Beispiel die Gonorrhoe („Tripper“) oder auch Syphilis, also auch andere Krankheiten, die auch auf anderen Wegen wie durch Bluttransfusionen oder andere Körperflüssigkeiten übertragbar sind, wie HIV oder Hepatitis B Virus Infektionen.

Die Anzahl der Sexuell übertragbaren Erkrankungen

Es gibt über 30 verschiedene sexuell übertragbare Bakterien, Viren und Parasiten. Zu den insgesamt häufigsten Erkrankungen zählen Genital-Herpes und HPV (humane Papillo Viren), Chlamydien und Syphilis. Weltweit stecken sich jeden Tag mehr als 1 Million Menschen zwischen 15 und 49 Jahren mit einer sexuell übertragbaren Erkrankung an.

Eine Schlange und ein Herz

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23. bis 25. Mai 2022

Die Lage in Österreich

In Österreich sind nur Syphilis und Gonorrhoe meldepflichtig. Daher kann man die Frage nach der Zahl der sexuell übertragbaren Krankheiten in Österreich nicht genau beantworten. „Auf die Zahlen kann man sich durch fehlende Meldesysteme schwer verlassen, die Dunkelziffer ist bei weitem höher.“ Etwa 1500 gemeldete Syphilis-Fälle pro Jahr gibt es in Österreich. „Doch insgesamt wissen wir von anderen europäischen Ländern und Amerika, das 1 von 5 Personen an einer STI erkrankt sind“, so Georg Stary. Und etwa die Hälfte der neu diagnostizierten STIs betrifft junge Leute, zwischen 15 und 24 Jahren.

Zunahme der sexuell übertragbaren Infektionen auch in Österreich

Georg Stigl, der Vorstand der Klinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien beschreibt die Zunahme eindringlich: „Acht von zehn aller Frauen und Männer stecken sich im Laufe ihres Lebens mit genitalen humanen Papillomaviren (HPV) an, die für über 70 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich sind. In Österreich werden jährlich etwa 400 neue Fälle dieses bösartigen Tumors und 130-180 Todesfälle verzeichnet. Auch ein deutlicher Anstieg an klassischen Geschlechtskrankheiten wie Syphilis und Tripper wird in Österreich registriert.“

In Österreich infizieren sich rund 30.000 Menschen pro Jahr mit Chlamydien-Bakterien. Bis zu 10 Prozent der Jugendlichen infizieren sich pro Jahr mit Chlamydien und immer noch ca. 1-2 Menschen pro Tag mit HIV. Und auch weitere wichtige Krankheiten werden zwar nicht ausschließlich, aber doch sehr häufig durch den Geschlechtsverkehr übertragen: Hepatitis B, Skabies (Krätze) und Filzläuse.

Georg Stary

MedUni Wien Matern

Georg Stary ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für STD

Die häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen in Österreich

Die häufigste bakterielle Erkrankung ist eine Chlamydien-Infektionen. Insgesamt die häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen sind aber ganz klar Infektionen mit Herpes-Viren und solche mit dem Humanen Papillon Virus, also HPV. „Herpes ist weltweit sehr verbreitet. Da gibt es verschiedene Formen und solche, die eben genital dann zu wiederkehrenden Bläschen führen können. Das ist das typische Zeichen der Herpes-Virusinfektion, die zwar behandelbar sind, aber nicht heilbar.“

Georg Stary, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für STD sieht einen Anstieg vor allem bei Personen mit Hochrisikoverhalten. „Und da sticht besonders die Gruppe der MSM, der Männer, die Sex mit Männern haben, hervor.“ Dafür werden unterschiedliche Gründe diskutiert. „Einerseits ist natürlich die Angst vor HIV nicht mehr so gegeben, weil HIV gut behandelbar ist. Und auch zu erwähnen ist eine Strategie die es gibt, die vor einer Ansteckung schützt: Die sogenannte PrEP, Pre Exposure Prophylaxe, schützt, indem täglich eine Tablette eines HIV-Medikamentes eingenommen wird, vor einer Ansteckung. Aber das betrifft nur HIV und sämtliche anderen Geschlechtskrankheiten nicht.“

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Die lange unbemerkten und beschwerdelosen STDs

Viele Geschlechtskrankheiten verlaufen beschwerdelos und bleiben dadurch (lange) unbemerkt. Besonders die Chlamydien, aber auch Tripper. „Unbehandelt können sie allerdings zu Komplikationen und auch zu Langzeitproblemen wie Unfruchtbarkeit oder bei HPV zu Krebs führen“, warnt Georg Stary. Bei bakteriellen Infektionen ist es gut möglich - wenn früh erkannt - mit Antibiotika zu behandeln. Allerdings führt die weltweit zunehmende Antibiotika-Einnahme auch hier zu Resistenzen. Tripper war beispielsweise über viele Jahre einfach zu behandeln, inzwischen sind jedoch Resistenzen gegen alle zur Behandlung eingesetzten Therapeutika entstanden. „Die Resistenzentwicklung ist auf jeden Fall auch eines der Probleme im Gebiet der sexuell übertragbaren Infektionen, mit dem wir zu kämpfen haben.“

Es gibt gewisse Bakterien, die sich sehr schnell an Antibiotika-Therapien anpassen können und „da sind insbesonders Gonokokken (Tripper) und Mykroplasma Genitalium (führt zu Harnröhrenentzündungen bei Männern und Frauen) hervorzuheben, sie sind schon gegen sehr viele Antiobiotika resistent.“ Deshalb sollten vor einer Behandlung auch Resistenzbestimmungen durchgeführt werden. „Bei Syphilis wirkt das muskulär verabreichte, gute alte Penicillin noch sehr gut“.

Es hängt also immer davon ab, mit welchen Erregern man es zu tun hat. Deswegen ist es eben so wichtig, dass auch sämtliche Erreger, die infrage kommen, entsprechend abgeklärt werden. Trotz mittlerweile vieler guter Selbsttests für zu Hause, ist der Weg zu Mediziner*innen unabdingbar.

Selbsttests und Impfungen

„Die Selbsttests sind gut um da mal einen ersten Hinweis zu bekommen. Gerade Chlamydien können über den Morgenharn nachgewiesen werden.“ Um aber einen Rückgang an sexuell übertragbaren Infektionen zu bewirken, geht es nicht nur um die Sicherheit bei Kontakt, durch das Kondom. Auch Impfungen sind von großer Bedeutung.

Testen können sich Personen kostenlos und anonym bei den Aidshilfen Österreichs. Aber auch bei praktischen Ärzt*innen ist eine Testung möglich.

Bei der Aids Hilfe Wien ist ein HIV-Antikörpertest kostenlos, für einen HIV-Schnelltest (Testergebnis innerhalb von 20 Minuten) ist ein Unkostenbeitrag von € 26,00 und für einen PCR-Test, anonym, einer von € 69,00 zu zahlen.

Wir haben hier den Selbsttest ausprobiert.

Speziell der HPV-Impfstoff: „Bei der Impfung ist es durch die Dominanz von Covid zu einem Rückgang gekommen“, so Stary. Und das, obwohl es sich um einen sehr sicheren Impfstoff handelt, „der auch extrem effizient ist in einer prophylaktischen Situation. Also wenn es zum Beispiel zu genitalen Warzen oder anderen Veränderungen gekommen ist, dann ist die Wirkung nicht mehr gegeben. Es muss also in einem prophylaktischen Setting eingesetzt werden. Das ist generell die Hoffnung bei verschiedenen Erregern. Bei Chlamydien gibt es Studien genauso wie auch bei Gonorrhoe.“ Es gibt weltweit viele Bemühungen, Impfungen zu etablieren.

Eine unbehandelte Geschlechtskrankheit kann tiefgreifenden Einfluss auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit haben und zu Langzeitproblemen und Schwierigkeiten führen, wie zum Beispiel:

  • Herpes und Syphilis können das Risiko einer HIV-Infektion um das Dreifache oder mehr erhöhen.
  • Eine Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV) kann Gebärmutterhalskrebs verursachen.
  • Gonorrhoe (Tripper) und Chlamydien sind Hauptursachen für Unterleibsentzündungen und Unfruchtbarkeit bei Frauen. Auch ektope Schwangerschaften (z.B. Eileiterschwangerschaften) sind eine mögliche Folge.
  • Wenn Syphilis-Erreger das zentrale Nervensystem befallen, können Spätschäden in Form von Lähmungen auftreten.

Die Neuinfektionen sind generell steigend

Aus diesem Grund sind Impfungen von großer Bedeutung, um tatsächlich einen Rückgang an STDs zu bewirken. So gibt es auch ein vielversprechendes neues Konzept, entwickelt von einem Forscherteam der Harvard-Universität unter der Leitung von Georg Stary. Ihnen gelang es erstmals, das Immunsystem so anzuregen, dass es sich effektiv gegen Chlamydien-Bakterien zur Wehr setzt. Eine Impfung gegen Chlamydien-Infektion ist also in Sicht. Generell ist auf dem Gebiet der Impfstoff-Forschung zurzeit viel in Bewegung. So wurden im Sommer die ersten Tests für einen mRNA-basierten Impfstoff gegen HIV gestartet.

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