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Fever Ray frönt dem Außenseitertum

Fever Ray ist zurück! Die erste Single seit dem Album „Plunge“ hat es auf schaurige Weise in sich und dann lässt auch noch The Knife grüßen.

Von Michaela Pichler

Es gibt einen Tag im Jahr, da kann man den klebrig-süßen Zimtduft förmlich riechen in den Straßen von Stockholm, Göteborg, Malmö oder Helsinki: Am vierten Oktober wird nämlich in Schweden und Finnland der Tag der Zimtschnecke gefeiert. Zu diesem Anlass hat Karin Dreijer alias Fever Ray vergangenen Dienstag einen Song veröffentlicht, in dem auch das ein oder andere cinnamon bun im Ofen aufgebacken wird. Doch mit zuckersüßem Pop hat dieses Stück Musik nichts zu tun.

First I’d like to say that I’m sorry / I’ve done all the tricks that I can / cinnamon bun in the oven / There’s a fire in my hand

Es sind schwere Zeilen, die uns Fever Ray nach einer fünfjährigen Release-Abstinenz in Form eines Songs schickt. Damals, 2017, ist das zweite Album des genderfluiden, schwedischen Artists erschienen. Auch auf „Plunge“ hat Fever Ray Spukgeschichten vertont, geht man nach dem metallischen Sound und den Themen wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt.

„What They Call Us“ soll nun der erste Vorbote auf ein kommendes Album sein, der von seiner Machart her nahtlos an „Plunge“ ansetzt. Das kommt wohl auch nicht von irgendwo, denn der Songtext zum neuen Track wurde bereits 2017 veröffentlicht - im „Plunge Psychics Zine“, das Fever Ray damals als Merch gemeinsam mit dem Designer Alexey Layfurov produziert hat. Fünf Jahre hat es also gedauert, bis Fans endlich wissen, wie dieses gedruckte Gedicht nun klingt.

Auf Twitter hat Fever Ray einmal gepostet, dass Glas und Walgesänge die Lieblingsgeräusche der Musiker*in sind. Kein Wunder also, dass die Synthesizer im neuen Track mehr wie Sirenen daherkommen. Und wenn man ganz genau hinhört, findet man auch diese sagenumwobenen, singenden Buckelwale zwischen den kalten Beats.

Im Musikvideo zu „What They Call Us“ inszeniert sich Fever Ray als düstere Anti-Held*in, als eine Art Edward mit den Scherenhänden aus dem Hause Tim Burton, nur eben ohne schneidende Klingen an den Fingern. Doch die Ästhetik ist eine ähnliche, sie passt sich makellos an den schaurig-schönen Track an. Fever Ray wälzt sich im Moloch eines Großraumbüros durch Papierstapel, der Röhrenmonitor flackert, und in der Mikrowelle wärmt sich eine einzelne Zimtschnecke auf. Eine Abschiedsparty ist in vollem Gange, doch Fever Ray scheint isoliert.

„What They Call Us“ ist ein Stück über das Außenseitertum. Die Anderen, das sind die, die einem hinterrücks Namen geben, das sind die, die einen schlicht und einfach nicht verstehen wollen. Wer wird sich dann um einen kümmern? „Some things just ain’t easy to repair / The person who came here was broken / Can you fix it, can you care?“

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Im Zwist mit den Anderen hat Fever Ray einen Verbündeten, es ist Karin Dreijers Bruder, Olof Dreijer, mit dem Fever Ray einst auch schon als The Knife Musikgeschichte geschrieben hat. 2014 hat sich das Geschwisterduo dann aber in eine Pause auf unbestimmte Zeit verabschiedet. Für den ersten Fever-Ray-Track seit 2017 haben sich die beiden nun wieder gemeinsam ans Schreiben gewagt, Olof ist außerdem als Co-Produzent genannt und somit auch für das dystopische Klangmantra verantwortlich.

Die Strophen fließen in den Refrain über und vice versa – zu aufgekratzt ist der Sound, als dass es noch eine Katharsis braucht. Genauso plötzlich, wie es angefangen hat, reißt „What They Call Us“ auch wieder ab. Fever Ray lässt uns allein zurück in der Dunkelheit. Zumindest bis zum nächsten musikalischen Lebenszeichen.

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