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Verena Keßler

Paula Winkler

Kinderkriegen und Klima retten: Geht das, Verena Keßler?

In ihrem zweiten Roman erzählt die Hamburger Autorin Verena Keßler die Geschichten von vier Frauen, die alle einen anderen Zugang zum Thema Kinderkriegen haben. Wir haben mit der Autorin über „Eva“ gesprochen.

Von Melissa Erhardt

Aufs Kinderkriegen verzichten, um das Klima zu schützen: Das fordert seit ein paar Jahren das sogenannte „Birth Strike Movement“. Die britische Musikerin Blythe Pepino war 2019 eine der ersten, die sich im öffentlichen Diskurs für einen Kinderverzicht ausgesprochen hat, auch in Deutschland gab es mit der Gymnasiallehrerin Verena Brunschweiger relativ schnell ein Gesicht der Bewegung. 2019 schrieb sie das Buch „Kinderfrei statt kinderlos: Ein Manifest“ - und polarisierte damit ziemlich. Vor allem, weil sie selbst Lehrerin ist. „Und so jemand darf Kinder unterrichten?“, hieß es in unterschiedlichen Foren, ganz zu schweigen von dem blanken Hass, der ihr in den Sozialen Medien entgegen strömte.

Buch: "Eva" von Verena Keßler

Hanser Verlag

„Eva“ von Verena Keßler ist am 20. März im Hanser Verlag erschienen.

Die ganze Aufregung rund um Verena Brunschweiger hat nun die Hamburger Autorin Verena Keßler als Vorlage für ihren zweiten Roman „Eva“ genommen. „Auch wenn das Buch tatsächlich sehr polemisch war, ziemlich viel in einen Topf geworfen hat und tatsächlich auch Eltern angegriffen hat, glaube ich, dass viele das Buch gar nicht gelesen haben, sondern sich sehr auf dieses Thema gesetzt haben“, erzählt sie Zita Bereuter auf der Buchmesse in Leipzig. „Man hat gesagt: Eine Lehrerin sagt so etwas? Das kann ja wohl nicht sein, dann hasst sie Kinder, die darf auf keinen Fall weiter unterrichten. Das hat so einen Hass ausgelöst. Und das hat mich interessiert, dass da nicht in die Tiefe gegangen wird, deswegen hab ich die Vorlage für meine Figur genutzt“.

Diese Figur ist Eva, eine von vier Frauen, um die es in Verena Keßlers zweitem Roman geht. Sie ist Lehrerin, will aber keine Kinder bekommen. Auf Social Media kassiert sie dafür Hasskommentare und wird, anders als bei Brunschweiger, tatsächlich von der Schule suspendiert. Warum das Thema Geburtenverzicht auf so viel Hass stößt, erklärt sich Keßler so: „Weil man sich dann, glaube ich, schnell in seiner eigenen Lebensentscheidung kritisiert fühlt - wenn jemand eben so moralisch oder auch rational argumentiert gegen Kinder, man selbst sich aber aus emotionalen Gründen dafür entschieden hat. Das sind ja auch völlig legitime Gründe, geht dann aber ins Persönliche und löst diesen Hass aus“.

Die unumkehrbare Entscheidung

Die vier Frauen, deren Geschichten Keßler erzählt, haben sehr unterschiedliche Zugänge zum Thema Kinderkriegen. Zu hundert Prozent überzeugt von der eigenen Entscheidung ist aber keine der vier. Da ist Sina, die Kinder will aber keine bekommen kann, Mona, die Kinder hat aber damit strugglet, Eva, die keine will aber dann doch ins Straucheln kommt, als sie auf die Nachbarstochter trifft und eine vierte Frau, die nochmal eine ganz andere Perspektive ins Bild bringt.

Verena Keßler ist schon für ihren Debütroman, „Die Gespenster von Demmin“, für zahlreiche Preise nominiert worden. 2017 schaffte sie es außerdem in die TOP 10 von FM4 Wortlaut.

Dass die Charaktere so ambivalent und unentschlossen sind, war Keßler ein Anliegen. „Es war mir wichtig, dass das Buch keine Antwort gibt und nicht wertet. Dass man da nicht rauslesen könnte, was meine persönliche Meinung ist. Beziehungsweise ist meine persönliche Meinung eben auch, dass man das nicht beantworten kann und es letztendlich eine ganz persönliche Entscheidung ist“, sagt die Hamburgerin und ergänzt: „Es ist eben die eine Entscheidung im Leben, die man nicht rückgängig machen kann. Das find ich daran so interessant“.

Als Leser*innen lässt uns das ebenso ambivalent zurück: Antworten bekommen wir keine. Wer zwischen den Zeilen nach einer persönlichen Entscheidungshilfe sucht, wird erstmal enttäuscht. „Eva“ macht aber die Schattierungen des Mutter- und Nicht-Mutterseins sichtbar, den inneren Kampf, den viele Frauen in sich austragen, um die eigenen Ängste und Sorgen nicht aussprechen zu müssen. Ganz nebenbei nähert sich Keßler dabei der Frage an, für wen wir die Welt denn überhaupt retten wollen, wenn nicht für die nächsten Generationen.

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