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Apollo Sissi

Mala Kolumna

Ich bin schon wieder verliebt

Ins Leben, in Menschen, in komisch-gute Alltagsmomente. Apollo Sissi liebt einfach, und so klingen seine Songs. Er ist unser FM4 Soundpark Act im Juli.

Von Lisa Schneider

Es ist ausnahmslos immer gut, wenn man mit der Bekanntschaft zu bestimmten Menschen angeben möchte, es sagt zumindest viel über Wertschätzungsdynamiken aus. Bei Apollo Sissi ginge das so: „Kennst du den schon? Der ist sehr empa- und sympathisch, ur nett halt auch, und er liest Stefan Zweig.“ So oder so ähnlich hätte das jedenfalls vor zwei Jahren geklungen, nach seinem ersten FM4-Interview, sehr sanft geführt, weil er so ist, ein sanfter Mensch. Mittlerweile dürfte man - zweites FM4-Interview - da noch ein paar gute, große Literaturnamen dazuhängen, sie folgen hier gleich, aber es muss ja noch um mehr gehen. Die Musik! Apollo Sissi ist unser FM4 Soundpark Act im Juli.

Apollo Sissi zu Besuch im Studio

Lisa Schneider / FM4

Zweig-Deeptalking since 2021.

„Ich hab mir Rockstar auf den Bauch tätowiert für meinen Traum“, singrappt Sissi auf „hasse alles (außer dich)“, der Rest vom Körperschmuck ist eigentlich eher ohne Plan passiert, und wir wissen tief drin: nach Tattoo-Stories fragt man nicht. Der Bauchtraum jedenfalls, der geht grade so ein bisschen los: Apollo Sissi darf Mavi Phoenix, Bilderbuch und Alex The Flipper zu seinen Labelkollegen zählen, da hat schon jemand große Pläne geschmiedet. Bevor er sich den doppelt hübschen Namen („in meiner Musik geht’s viel um Schönheit“) ausgesucht hat, ist Apollo Sissi schon unter anderem Namen aufgetreten und hat released, Linz sei dafür die perfekte Stadt. „Es ist so cool da, weil kaum macht man etwas, weiß jeder davon.“ Die erste Show, die Apollo Sissi daheim gespielt hat, war knackevoll.

In Linz ist nicht nur Flip, sondern auch Flipper daheim, Vorname Alex the. Mit ihm teilt Apollo Sissi ein unglaublich gutes Gespür für Zeitpunkt und Atmosphäre, und natürlich für den richtigen Beat zum Heartbreak. Ein weiterer guter Kollabo-Name lautet Wenzel Beck, denn da ist die musikalische Freundschaft sogar so eng, dass beim gemeinsamen Liftfahren Lieder entstehen. Sein Notizbuch hat Apollo Sissi immer dabei, geschrieben wird jeden Tag. Und Papier ist super, weil „man da dann auch gleich ein bisschen daneben zeichnen kann", Pause, "... was cool ist.“

Mittlerweile lebt Apollo Sissi in Wien, es zieht ihn wohl aber bald schon wieder woanders hin. Unabhängig vom sehr coolen (man könnte wohl auch „urbanen“ sagen) Insta-Feed ist Apollo Sissi nämlich jemand, der sich gern mal raushält. Entweder du willst das volle Leben oder nicht, aber er sagt dann Dinge wie „Atemübungen“, „Yoga“ und „Meditation“, hält kurz inne und denkt nach, bevor er wie immer behutsam weiterspricht, „man muss wissen, welche Art von Ruhe man braucht.“ Seine aktuelle EP (sie ist sehr lang, man hätte sie mit acht Tracks schon gut und gern auch Album nennen können) nennt Sissi „The most beautiful storm you can imagine“ und hat sich damit einen der besten Titel der letzten Wochen ausgedacht. Und wer oder was ist das jetzt genau, dieser Jahrhundertsturm? „Das Leben!“ Ach.

Apollo Sissi

FM4

Ich will die Welt sehen! Aus Schweden direkt zurück ins FM4-Studio: Apollo Sissi.

Vielleicht ist das alles und die Musik deshalb so interessant, weil sie die Idee vom Rampenlicht konterkariert. Vielleicht aber auch deshalb, weil so ein junger Mensch seine Ziele und Grenzen schon so gut abstecken kann oder so genau weiß, was ihm gut tut. Ob er strenge Eltern hat, so eine weitere Frage an Apollo Sissi in diesem neuesten FM4-Interview. Die sind ja nämlich bei seinem Auftritt am Lido Sounds Festival in Linz zum allerersten Mal im Publikum gestanden und ja, müssen sich da genauso wie alle anderen auch sehr viele unsubtile Zeilen über Sex, Drogen und alle möglichen weiteren Rauscharten anhören. „Sie vertrauen mir einfach“, sagt Sissi, und kippt damit wieder mal die Mülltonne über alle Erziehungsratgeber.

Die Menschen, die sich frei von gesellschaftlichen und in diesem Fall generationsübergreifenden Zwängen und Neurosen sehen, schreiben ziemlich sicher die besseren Lieder. Die Menschen, die die Figuren in ihren Liedern handeln lassen, anstatt sie zu Tode zu charakterisieren, auch. Das Leben ist hier genau so wie es ist, nämlich eine fortwährende Begegnung mit einem Gänseblümchen: Er liebt sie, er liebt sie nicht.

Wäre also Apollo Sissi auf der Suche nach einer neuen Instagram-Bio-Zeile, sei ihm genau die ganz große da oben empfohlen: „Ich bin schon wieder verliebt“. Das passt, zu ihm und seiner neuen EP und einfach dazu, wie er das Leben begreift. Eben weil es hier ständig irgendwie um eine angebrochene, zerbrochene oder noch nicht entdeckte Liebe geht, geht’s immer auch ums altersungebundene Jungsein. Apollo Sissi beobachtet Kleinigkeiten, die genau dadurch groß werden, und im Teilen all dieser Umstände und Situationen („es gibt eigentlich nichts, worüber ich nicht schreiben würde“) nimmt er der individuellen Einsamkeit ihre Spitzen. Das ist genau deshalb schon ein bisschen „we’re all in this together“-Musik.

„Wie kannst du sagen, du habest dir mit dem Leben Mühe gegeben, wenn du nicht einmal tanzen willst?“ fragt jemand jemand anderen im „Steppenwolf“ von Hermann Hesse, auch auf ihn kommt Apollo Sissi immer wieder zurück. Und darin liegt auch schon die ganze Wahrheit versteckt, Zurückhaltung ist nichts, was Apollo Sissi liegt, beim Reden ja, aber nicht prinzipiell und in der Musik schon gar nicht. Es zeichnet ihn aus.

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