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Megan Thee Stallion

Alfred Marroquin (CC BY 3.0)

2013-2023

Dominante Rapperinnen und fragile Männlichkeit, 2013-2023

Zum Abschluss unserer Tribe-Vibes-Serie über die fünf Dekaden HipHop: das Jahrzehnt, in dem die Frauen ganz vorne auf der globalen Rap-Bühne Platz genommen haben.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Ohne Frauen hätte es HipHop, wie wir ihn kennen, nicht gegeben: Schließlich war es Cindy Campbell, die zur ersten HipHop-Party geladen hat, deren 50-jähriges Jubiläum wir im August feiern werden. Sylvia Robinson hat wiederum die Sugarhill Gang gecastet und den ersten weltweiten Rap-Hit (wie andere sehr wichtige Platten) auf ihrem Label Sugarhill Records veröffentlicht und damit der heute allgegenwärtigen Musikkultur unschätzbare Dienste erwiesen.

Am Mikrofon waren Frauen aber von Anfang an in der Unterzahl: Dem rein weiblichen Trio The Sequence standen Dutzende reine „boy groups“ gegenüber, und MC Sha Rock war bei den Funky 4+1 - wie der Bandname schon andeutet - mit vier männlichen Kollegen unterwegs. Zwar waren Bands wie Salt N Pepa oder JJ Fad im Laufe der 80er Jahre kommerziell sehr erfolgreich, aber die männliche Perspektive dominierte im Rap.

Als gegen Ende des Jahrzehntes der so genannte Gangsta Rap erfolgreich wurde, bekamen leider auch Machismo und Misogynie im Rap eine neue Qualität. Die kalifornische Supergroup N.W.A. hatte zwar ihre ersten Platten mit den Erfolgen von JJ Fad finanziert, ihre künstlerische Rolle als wütende thugs ging aber leider auch mit Frauenhass einher. Im Fall von Dr. Dre und der Rapperin und Journalistin Dee Barnes blieb es leider nicht bei sexistischen Texten, sondern endete in brutaler Gewalt.

Nun sind Sexismus und Chauvinismus keine Erfindungen des HipHop. In einer männlich dominierten Kultur der ungefilterten und teilweise absichtlich anstößigen Texte treten solcherart Ansichten aber mitunter auf besonders schockierende Weise zutage. Und schaffen auch eine Dynamik, wo sich Rapper mit frauenfeindlichen Punchlines gegenseitig zu überbieten versuchen. In dieser Atmosphäre hatten es Rapperinnen ab den 90er Jahren noch schwerer.

Künstlerinnen wie etwa Queen Latifah, Sister Souljah oder später Lauryn Hill feierten mit politischen, gesellschaftskritischen und auch feministischen Tönen trotzdem Erfolge. Eine andere Herangehensweise verfolgten die New Yorkerinnen Foxy Brown oder Lil’ Kim, die eine selbstbewusste weibliche Sexualität ins Zentrum ihrer Inszenierung stellten.

Vor allem Kim diente dann gemeinsam mit Südstaaten-Ikonen wie Khia, Trina oder der leider viel zu früh verstorbenen Gangsta Boo als Vorbild für eine ganz neue Generation von Rapperinnen.

Die erste mit großem Impact war Nicki Minaj aus New York, die schon 2010 auf einem Possetrack drei sehr bekannte Rapper auf ihre Plätze verwies. Sie liefert bis heute sehr regelmäßig Rap-Knaller ab. Weil sie (oder ihre Plattenfirma) aber auch den großen Pop-Erfolg wollten, gab es dazwischen leider auch zu gewollt kommerzielle Singles. Das eine, beeindruckende Rap-Album hat Nicki Minaj deshalb nie veröffentlicht. Im Gegensatz zu Kollegin Cardi B: Ihre Debütplatte Invasion Of Privacy hat vor fünf Jahren komplett überzeugt. Mit der großen Hit-Single hat die Rapperin mit dominikanischen und trinidadischen Wurzeln auch die nächste Generation der Reggaton-Stars vorgestellt:

Rapperin bereits zweiter Generation ist Megan Thee Stallion aus Houston, die schon als Kind von ihrer Mutter ins Studio mitgenommen wurde. Während ihrer Teenagejahre hat sie an der präzisen Rap-Technik gefeilt und 2019 mit dem Hot Girl Summer ein weltweites kulturelles Phänomen ausgelöst. Ein Vers der großen texanischen Heldin Beyoncé auf dem Savage Remix war ein weiterer Ritterschlag. Überhaupt hat Megan immer auf Zusammenarbeit gesetzt, statt sich mit Kolleginnen um den vermeintlich einzigen weiblichen Platz an der Spitze des Rap-Geschäftes zu streiten. Ihr bisher größter Hit gelang ihr an der Seite von Cardi B mit einer Ode an das weibliche Geschlechtsorgan:

Im Sommer ihres großen Triumphes musste Megan Thee Stallion aber auch die tiefen Abgründe von Rap-Misogynie erleben. Nachdem sie ihren kanadischen Kollegen Tory Lanez abgewiesen hatte, schoss der ihr in die Füße und versuchte danach, sie mit einer Schmutzkübelkampagne mundtot zu machen. Auch Drake bezichtigte Megan später in einer schlechten Punchline der Lüge. Der Künstler aus Toronto hat seine Karriere auf einer Mischung aus R&B und HipHop aufgebaut und ist der kommerziell erfolgreichste Rapper des letzten Jahrzehntes. In seinen Texten spricht er viel von Enttäuschungen in der Liebe, aber er sucht die Fehler dafür meistens eher bei den Frauen als bei sich selbst.

Solcherlei Auswüchse fragiler Männeregos können die aktuelle Rapperinnenwelle allerdings nicht einmal leicht bremsen. Mit etwa Rico Nasty, Saweetie, BIA, Doja Cat, Coi Leray, Flo Milli oder Glo Rilla schickt sich nämlich schon wieder eine sehr vielfältige, neue Generation an, die Tanzflächen und Hitparaden weltweit zu dominieren. Damit ist wohl sichergestellt, dass auch das sechste HipHop-Jahrzehnt stark weiblich geprägt sein wird!

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