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Still aus dem Film GOTTESKINDER

Kinescope Film

Festival für den deutschsprachigen Nachwuchsfilm

Die 45. Ausgabe des Filmfestival Max Ophüls Preis ist gerade zu Ende gegangen. Ein Blick auf Preisträger:innen und Programm.

Von Martina Bauer

Junger deutschsprachiger Film, der uns im einem Kinojahr beschäftigt, ist oft auch zu Gast beim Max Ophüls Filmfestival. Der Wettbewerb wird mitunter als Karrieresprungbrett bezeichnet, als Barometermacher oder Indikator gesehen.

Heuer eröffnete etwa der bereits als FM4 Kinopremiere gezeigte „Rickerl - Musik is höchstens a Hobby“ das Filmfest in Saarbrücken. Und hüpfen wir kurz nach 2023 zurück: da konnte Clara Stern mit gleich drei Preisen für ihr gelungenes Debüt Breaking the Ice die Heimreise antreten. In den Jahren davor wurden beispielsweise die österreichischen Filme „Fuchs im Bau“ oder „Waren einmal Revoluzzer“ prämiert.

Still aus dem Film ELECTRIC FIELDS

SabotageKollektiv

Bester Spielfilm

Der wohl große Gewinner 2024 heißt „Electric Fields“, dreifach ausgezeichnet: als bester Langfilm von der Jury wie von der Filmkritik, dazu für sein Drehbuch. Die Schweizerin Lisa Gertsch hat eine Episodensammlung in Schwarzweiß geschaffen, Miniaturen quasi. Was sie eint, ist ihre Unkonventionalität. Raum- und Zeitsprünge treffen auf immerleuchtende Glühbirnen, Tote werden zum Leben erweckt, Protagonist:innen entfliehen. Dabei mitunter komisch und mit poetischen Momenten sind hier unter anderen Julia Jentsch, Sabine Timoteo oder Sophie Hutter zu sehen, wenn Normales aus den Fugen gerät. Ein erstaunlich reifes Erstlingswerk, steht in einer der Preis-Begründungen zu lesen.

Still aus dem Film JENSEITS DER BLAUEN GRENZE

Jakob Fliedner/Wood Water Films

DDR-Flucht

Wesentlich konventioneller und im 35. Jahr nach dem Mauerfall auch wahrscheinlicher Anwärter für einen Kinostart in Österreich ist „Jenseits der blauen Grenze“. Entstanden nach dem gleichnamigen Jugendroman geht es in diesem Langfilmdebüt um eine Flucht in den Westen über die Ostsee. Hanna ist DDR-Leistungsschwimmerin, ihr bester Freund Andreas hingegen kommt mit dem System nicht zurecht. Nachdem das böse Wort oppositionell gefallen ist, der Ausreiseantrag von Schulkamerad Jens genehmigt wird und Hanna ebenfalls zusehends (ver-)zweifelt, formt sich ein Plan. Der Film setzt mit ihrer Schwimm-Flucht ein, der Weg dorthin wird nach und nach und in Gegenmontage dazu erzählt. Ostfeeling samt Intershop, Kombinat und der Band Karat trifft hier auf Jugendwerkhöfe und Fahnenappell-Proben, also Druck, Zwänge, Unfreiheiten. Teils vielleicht etwas unterkühlt bis schlecht greifbar, scheinen Identifikationsmöglichkeiten mit den Protagonist:innen nicht immer voll ausgeschöpft. Insgesamt ist „Jenseits der blauen Grenze“ aber ein sehr sehenswerter Film, der unter anderem den Publikumspreis erhalten hat. Zudem wurde Willi Geitmann als Andreas zum besten Schauspielnachwuchs gekürt. Hanna wird verkörpert von Lena Urzendowsky, die im Kino zuletzt mit „791 km“ zu sehen war und bekannt ist aus den Serien „Luden“ oder „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.
Bahnhof-Zoo-Serienkollege Michelangelo Fortuzzi war übrigens im nun folgenden Ophüls-Wettbewerbsfilm zu sehen.

Still aus dem Film GOTTESKINDER

Kinescope Film

Freikirche

„Gotteskinder“ nennt sich der Festival-Beitrag, der in die Welt von streng gläubig Evangelikalen führt. Im Mittelpunkt steht (erneut eine) Hannah, großartig gespielt von Flora Li Thiemann, die zusammen mit ihren drei Geschwistern in der Gemeinde aufgeht. Ihre Schule ist dabei ebenso religiös wie das Elternhaus, in dem etwa Hauskreise veranstaltet werden. Nicht nur Sex, auch Küsse sind zukünftigen Ehepartnern vorbehalten und Masturbation ebenso ein No-Go wie Homosexualität. Um die Reinheit junger Seelen zu bewahren, gibt es Celebrations genannte Messeveranstaltungen, die wie Pep-Talk-Coachings daherkommen, Väter-Töchter-Bälle samt Gelübden und Seelsorge-Seminare in schlimmster Boot-Camp-Manier, in denen Zwangs-Gruppenbeichten und Austreibungen-Akte zur Tagesordnung gehören.
Dieses patriarchale wie fanatische Gerüst gerät ins Straucheln, als einerseits Max (eben Michelangelo Fortuzzi) gegenüber einzieht und sich zu Hannahs Love-Interest entwickelt. Sowie andererseits ihr jüngerer Bruder Timo sich in einen Schulfreund verliebt.
Filmisch wie dramaturgisch herausragend, ist das Setting immer wieder schwerst verdaulich. Ein interessanter Kopfspagat ergibt sich für Sonntags-Krimi-Guckende. Mark Waschke, den Berliner-Tatort-Fans als unangepasst-liberalen Robert Karow kennen, ist hier als Hannahs strikt religiöser Vater zu erleben - oszillierend zwischen streng und gewalttätig und von missionarisch bis übergriffig. Der Preis der Jugendjury ging an „Gotteskinder“.

Still aus dem Film KRZYK - LOSING CONTROL

Konstantin Minnich

Das Filmfestival Max Ophüls Preis widmet sich seit über 40 Jahren der Präsentation und Förderung des deutschsprachigen Nachwuchsfilms. Beim Festival in Saarbrücken wurden u.a. frühe Arbeiten von Filmemacher:innen wie Barbara Albert, Christian Petzold, Florian Henckel von Donnersmarck oder Detlev Buck ausgezeichnet.

13 Spielfilme

Kurz erwähnt seien auch noch „Krzyk – Losing Control“ sowie „Geister“. Ersterer erzählt die Geschichte einer Wissenschafterin, deren Leben gewissermaßen kippt. Als die Protagonistin auf der Autobahn einen brennenden Wagen samt todesschreiender Insassin passiert, lässt sie das Geschehen nicht los und zieht sie letztendlich in ein anderes Leben. „Krzyk“ siedelt sich zunächst in einer Art cineastisch-deutschem Realismus an, um sich zu einer David-Lynch-esken Welt zu entwickeln, ist aber leider nicht gänzlich stringent im seinem Aufbau.
„Geister“ wiederum setzt sich mit dem Suizid des besten Freundes aus Kindheitstagen sowie dessen Umfeld auseinander. Diese Vergangenheits-Aufarbeitung wird begleitet von dem Toten als Wiedergänger wie als gleichzeitig sinnbildlichem Gesprächspartner. Ein mit Abstrichen beachtenswerter Film, der eventuell in der Kategorie „Das kleine Fernsehspiel“ anzusiedeln wäre.

Insgesamt 13 Spielfilme waren im Wettbewerb beim heurigen Filmfestival Max Ophüls Preis zu sehen, dazu rund 40 Filme in den Sparten Dokumentar, Mittellang und Kurz. Apropos: Olga Kosanovićs „Land der Berge“, bei der letztjährigen Diagonale als bester Nachwuchsfilm prämiert, wurde in Saarbrücken ebenfalls ausgezeichnet, und zwar von Jury wie Publikum als bester mittellanger Film.

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